Spruch:
§ 97 ABGB gewährt einen klagbaren Unterlassungsanspruch, der sich auch auf Eigentumswohnungen erstreckt. Der sich daraus ergebende Anspruch auf die Benützung einer bestimmten Wohnung kann durch einstweilige Verfügung gemäß § 382 EO - bei Eigentumswohnungen insbesondere durch ein Veräußerungsverbot nach Z. 6 - gesichert werden
OGH 12. Juli 1977, 4 Ob 533/77 (KG Wels, R 291/77; BG Wels, 2 C 728/77)
Text
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden, auf den § 97 ABGB neue Fassung gestützten Klage, den Beklagten, ihren Ehegatten, schuldig zu erkennen, alles zuunterlassen und vorzukehren, damit sie die - näher bezeichnete - Ehewohnung samt Garage nicht verliere. Sie begehrt ferner, dem Beklagten zur Sicherung ihres Anspruches auf die Ehewohnung mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, die ihm gehörigen, im einzelnen näher bezeichneten Liegenschaftsanteile an der EZ 607 des Grundbuches der KG V zu veräußern und dieses Verbot im Grundbuch anzumerken. Zur Begründung bringt die Klägerin vor, die erwähnte Eigentumswohnung, zu deren Erwerb sie einen wesentlichen Beitrag geleistet habe, sei von beiden Parteien solange als Ehewohnung benützt worden, bis der Beklagte die Klägerin und den von ihm adoptierten außerehelichen Sohn der Klägerin verlassen habe, um mit einer Ausländerin in einem ehebrecherischen Verhältnis zu leben. Die Klägerin sei auf diese Wohnung und - infolge ihres Berufes - auch auf die Garage angewiesen. Der Beklagte strebe eine Scheidung der Ehe an und habe ihr die Wohnung für den Fall ihrer Zustimmung in die Scheidung angeboten. Da sie dieses Anbot in der Hoffnung, der Beklagte werde zu ihr zurückfinden, ablehne, habe er nicht nur alle Konten der Klägerin, um die er sich nicht mehr kümmere, gesperrt, sondern habe ihr mit Schreiben vom 19. März 1977 auch mitgeteilt, daß er die Eigentumswohnung veräußern werde. Er habe die Klagen aufgefordert, die Ehewohnung bis Mitte Mai 1977 zu räumen. Da die Klägerin über keine finanziellen Mittel verfüge, wäre sie der Obdachlosigkeit ausgesetzt. Zur Sicherung ihres auf den § 97 ABGB gestützten Anspruches und zur Verhütung der drohenden Obdachlosigkeit sei daher die Erlassung eines Veräußerungsverbotes im Sinne des § 382 Z.6 EO erforderlich.
Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Antrages. Er führte aus, er sei aus finanziellen Gründen gezwungen, die mit einem Pfandrecht von 700 000 S belastete Wohnung zu verkaufen, werde aber der Klägerin, wie er ihr wiederholt mündlich zugesagt habe, Zug um Zug eine entsprechende Ersatzwohnung beschaffen. Er hat für dieses Vorbringen keinerlei Bescheinigungsmittel angeboten.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag im wesentlichen aus der Erwägung ab, die Bestimmung des § 97 ABGB gewähre dem wohnungsbedürftigen Ehegatten keinen absoluten und unbedingten Anspruch auf die Ehewohnung. Ein dringendes Interesse an der Befriedigung des Wohnbedürfnisses könne bei geschützten Mietwohnungen, nicht aber, wie im vorliegenden Fall, bei frei finanzierten, in ausreichender Zahl auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Eigentumswohnungen anerkannt werden. Die Gewährung der Unterkunft sei vom Beklagten vielmehr in Form eines Geldunterhaltes zu leisten. Im übrigen gehe das beantragte Sicherungsmittel über das Unterlassungsbegehren hinaus, weil das begehrte Veräußerungsverbot im Gegensatz zum Unterlassungsbegehren auch Wirkung gegen Dritte äußere.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es ging von folgendem wesentlichen, als bescheinigt angenommenen Sachverhalt aus:
Der Beklagte erwarb mit Kaufvertrag vom 11. Mai 1973 die Eigentumswohnung als Ehewohnung sowie eine Garage. Der Kaufpreis der Wohnung betrug 761 000 S, jener der Garage 48 000 S. Er strebt seit März 1976 die Scheidung der Ehe an. Am 15. März 1976 bot er der Klägerin für den Fall einer einvernehmlichen Scheidung das lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrecht an der Eigentumswohnung an. Der Beklagte hat die eheliche Gemeinschaft im März 1976 aufgehoben und wohnt in Wels. Mit Schreiben vom 19. März 1977 teilte er der Klägerin mit, daß er sich infolge geschäftlicher Verluste veranlaßt sehe, die Ehewohnung zu verkaufen. Er bat die Klägerin, sie solle für sich und ihren Sohn eine entsprechende Wohnung suchen. Sie habe bis etwa Mitte Mai Zeit, die Ehewohnung zu räumen. Diesen Termin solle sie genau beachten, weil er ab Mai nicht mehr Besitzer der Wohnung sein werde. Er müsse sie bitten, Wohnungsinteressenten den Zutritt nicht zu verwehren, weil er froh sei, wenn er die Wohnung schnell anbringe. Selbstverständlich könne sie bis Mitte Mai bleiben, damit sie genügend Zeit habe, eine Wohnung zu finden.
Die Klägerin bewohnt mit dem vom Beklagten adoptierten Kind die Ehewohnung und ist berufstätig. Eine andere angemessene Wohnung steht ihr nicht zur Verfügung.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß sich der Schutz des § 97 ABGB auch auf Eigentumswohnungen erstrecke. Bei drohender Gefahr des Verlustes der Wohnung könne der in dieser Gesetzesstelle verankerte Anspruch durch einstweilige Verfügung gesichert werden. Als Sicherungsmittel komme hiebei auch ein Veräußerungsverbot im Sinne des § 382 Z. 6 EO in Betracht. Da der Anspruch der Klägerin und die Gefährdung bescheinigt seien, lägen die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Unzutreffend ist der Einwand des Beklagten, der Sicherungsantrag gehe über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinaus, weil dieser im Gegensatz zu dem beantragten Veräußerungsverbot eine Wirkung gegen Dritte nicht äußere. Der Klagsanspruch wird aus dem § 97 ABGB abgeleitet. Nach dieser Bestimmung hat gegen einen Ehegatten, der über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt ist, dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird. Der Zweck dieser Norm besteht darin, den einen Ehegatten in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen zu schützen. Nicht selten benützt nämlich ein Ehegatte sein Verfügungsrecht über die Wohnung dazu, zum Schaden des anderen Verfügungen zu treffen, wie dies etwa die Aufgabe von Mietrechten, Rechtsverzichte und bewußt nachteiliger Verkauf von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen sind. Solchen Gefahren soll die zitierte Bestimmung dadurch entgegenwirken, daß sie einen Schutz in Form eines Unterlassungsanspruches gewährt. Geschützt wird derjenige Ehegatte, der die Wohnung - es wird in aller Regel die Ehewohnung sein - zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Der andere Ehegatte hat alles zu unterlassen, was zu einer Aufgabe dieser Wohnung führen könnte. Er darf also von dem ihm zustehenden Recht an der Wohnung nicht Gebrauch machen, weil darin grundsätzlich eine Schädigung des anderen Ehegatten für die Dauer seines dringenden Wohnbedürfnisses zu erblicken wäre (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, abgedruckt in Ent - Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 150 f.). Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes erstreckt sich diese Bestimmung auch auf Eigentumswohnungen, deren Veräußerung bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 97 ABGB von verfügungsberechtigten Ehegatten zu unterlassen ist (Ent - Hopf a. a. O., 44, 155). Der wohnungsbedürftige Ehegatte hat daher - abweichend von der bisherigen Rechtslage (vgl. MietSlg. 25 622, 22 001, 21 923) - dem verfügungsberechtigten Ehegatten gegenüber nach Maßgabe des § 97 ABGB einen sich aus dem erwähnten klagbaren Unterlassungsanspruch ergebenden Anspruch auf die Benützung einer bestimmten Wohnung. Dieser Anspruch kann durch eine einstweilige Verfügung nach dem § 381 ff. EO gesichert werden. Als Sicherungsmittel kommt bei einer Eigentumswohnung insbesondere das Sicherungsmittel des § 382 Z. 6 EO in Betracht (Ent - Hopf a. a. O., 44 f. Fußnote 91), da sich der zu sichernde Anspruch auf den betreffenden Liegenschaftsanteil bezieht (vgl. Heller - Berger - Stix, 2746). Das Sicherungsmittel reicht entgegen der Auffassung des Beklagten über den Rahmen des Unterlassungsanspruches nicht hinaus, weil die mit dem Sicherungsmittel zu verbietende Veräußerung nur eine von mehreren potentiellen Verfügungen ist, die der verfügungsberechtigte Ehegatte gemäß dem § 97 ABGB zu unterlassen hat. Aus der Bestimmung des § 384 Abs. 2 EO ergibt sich, daß das gegenständliche Veräußerungsverbot, weil es sich auf eine Liegenschaft bezieht, von Amts wegen im Grundbuch anzumerken ist.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß dem gegenständlichen Sicherungsantrag ein sich aus dem Klagevorbringen ergebender Klagsanspruch zugrunde liegt, der auf die Unterlassung einer Veräußerung der Ehewohnung gerichtet ist. Dieser Anspruch ist im Wege des begehrten Sicherungsmittels sicherungsfähig. Da jedoch der Wortlaut des Klagebegehrens über den Klagsanspruch hinausreicht und ein konkretes Unterlassungsbegehren nicht enthält, wird das Erstgericht im Hauptverfahren die Klägerin zu einer entsprechenden Konkretisierung des sich derzeit in der Wiedergabe des Gesetzeswortlautes erschöpfenden, in dieser Form nicht vollstreckbaren Klagebegehrens anzuleiten haben (§ 281 Abs. 1 ZPO).
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