OGH 4Ob525/85

OGH4Ob525/8510.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans MÜLLER, Angestellter, Wien 5., Arbeitergasse 27/9, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich WAGNER, Kfz-Mechaniker, Wien 21., Rußbergstraße 53, vertreten durch Dr. Hans Michel Piech, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 29.541,80 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. April 1985, GZ 45 R 189/85-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 6. Dezember 1984, GZ 7 C 194/84-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 29.541,80 sA aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes. Sie führt aus, sie sei Eigentümer eines PKW Porsche 928 Modell 100. Die P*** I*** Gesellschaft mbH habe laut Rechnung vom 23.5.1980 an diesem Fahrzeug verschiedene Reparaturarbeiten durchgeführt und im besonderen auch das Getriebe repariert. Die letztgenannte Arbeit sei so "fahrlässig vorgenommen worden", daß kurze Zeit darauf ein neuer Getriebeschaden entstanden sei, wodurch das Getriebe praktisch zerstört worden sei. Dem Kläger sei durch die neue Reparatur ein - näher aufgeschlüsselter - Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden. Eine gegen die genannte Gesellschaft erhobene Klage sei erfolglos geblieben, weil nicht der Kläger, sondern der Vorbesitzer des PKW Auftraggeber der mangelhaften Reparaturarbeiten gewesen sei. Die fahrlässige Montage habe der Beklagte als Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft vorgenommen. Er hafte daher auf Grund seines Verschuldens dem Kläger für den eingetretenen Schaden. Der Vorbesitzer RANK-XEROX habe dem Kläger die Reparaturrechnung übergeben; daher sei auch sein Anspruch aus der mangelhaften Getriebereparatur auf den Kläger übergegangen. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt die Klagslegitimation des Klägers. Dieser habe den PKW nicht von der Firma RANK-XEROX, sondern von einer Firma E*** erworben. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der PKW Porsche 928 wurde am 15.11.1978 für die RANK-XEROX AUSTRIA Gesellschaft mbH erstmals zugelassen. Bei einem Kilometerstand von 37.300 erteilte diese der P*** I*** Gesellschaft mbH den Auftrag, eine Getriebereparatur durchzuführen. Das Getriebe wurde zerlegt und nach Ersatz einiger Teile wieder zusammengebaut. Diese Arbeiten führte der Beklagte als Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft mbH durch. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker und versieht die Stellung eines Meisterstellvertreters. Seit 1977 hatte er 25 bis 30 Getriebe an solchen PKWs anstandslos repariert. Beim Zusammenbau des gegenständlichen Getriebes montierte er jedoch ein Sperrband der Synchronisation des 5. Ganges nicht an der richtigen Stelle im Synchronteil. Das Sperrband fiel aus diesem Grund in das Getriebegehäuse.

Am 21.8.1980 kaufte der Kläger den PKW von der RANK-XEROX AUSTRIA Gesellschaft mbH. Bei Übergabe des Fahrzeuges wurde ihm die Rechnung der P*** I*** Gesellschaft mbH über die Getriebereparatur übergeben. Als der Kläger im März 1981 eine Fahrt unternahm, konnte er plötzlich nicht mehr vom 4. in den 5. Gang schalten; ebensowenig war ein Schalten vom Leerlauf in einen der übrigen Gänge möglich. Dieses Blockieren des Getriebes wurde dadurch verursacht, daß der Synchronring des 5. Ganges aus seiner Umklammerung durch den Klauenkranz herausgerissen und zwischen den Zahnrädern des 5. Ganges eingeklemmt worden war. Die Ursache hiefür war die unrichtige Montage des Sperrbandes durch den Beklagten. Der Kilometerstand betrug im Zeitpunkt dieses Getriebebruchs 45.231. Durch die Reparatur des Getriebes einschließlich der damit verbundenen Fahrtauslagen entstand dem Kläger ein - näher aufgeschlüsselter - Schaden in der Höhe des Klagsbetrages. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, das Verschulden des Beklagten an dem im Vermögen des Klägers entstandenen Schaden liege darin, daß er die Reparatur nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt habe. Der Beklagte hafte dem Kläger für sein deliktisches Verhalten. Der Einwand der mangelnden aktiven Klagslegitimation sei nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht ging auf die in der Berufung vorgenommene Bekämpfung der Beweiswürdigung und der Feststellungen sowie auf die Verfahrensrüge nicht ein, weil es das Klagebegehren schon aus rechtlichen Gründen für verfehlt hielt. Der Klagsanspruch setze ein deliktisches Verhalten des Beklagten voraus. Eine Haftung für ein solches Verhalten komme aber nur bei Verletzung absoluter Rechte in Betracht, wie etwa des Eigentumsrechts oder der Persönlichkeitsrechte, nicht aber bei Verletzung bloßer Vermögensrechte. Der Beklagte habe, wenn man von den Feststellungen ausgehen könnte, nicht ein Eigentumsrecht des Klägers verletzt, weil dieser im Zeitpunkt der Reparaturarbeiten und der dabei erfolgten Eigentumsverletzung nicht Eigentümer des PKWs gewesen sei. Er habe nur das Eigentumsrecht der damaligen Eigentümerin verletzen können. Bei dem im Eigentum des Klägers entstandenen Schaden handle es sich um einen Folgeschaden, für den der Schädiger nur einzustehen habe, wenn er beim verletzten Eigentümer oder einem sonst absolut Berechtigten eingetreten sei. Ein allfälliges rechtswidriges Verhalten des Beklagten bei der Reparatur des PKW habe sich nicht gegen den Kläger richten können, weil dieser damals nicht Eigentümer gewesen sei. Es sei ihm daher verwehrt, Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in der - ihr

freigestellten - Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage der Haftung des Schädigers im Falle einer Schadensverlagerung (Eintritt des Schadens nach dem Übergang des Eigentums an der Sache auf eine vom Auftraggeber verschiedene Person) von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist; sie ist auch berechtigt. Dem Berufungsgericht kann darin beigestimmt werden, daß der Beklagte - unter der noch nicht feststehenden Voraussetzung eines in der mangelhaften Vornahme der Reparaturarbeiten am Getriebe des PKW bestehenden deliktischen Verhaltens und eines Kausalzusammenhanges zwischen einem solchen etwaigen schuldhaften Verhalten und dem eingetretenen Erfolg - für den eingetretenen Schaden grundsätzlich einzustehen hat, weil er das Eigentumsrecht des Eigentümers des PKWs dadurch verletzt hat. Hingegen ist die weitere Auffassung des Berufungsgerichtes verfehlt, diese Haftung bestehe nicht dem Kläger gegenüber, weil dieser im Zeitpunkt der Vornahme der Reparatur (noch) nicht Eigentümer des PKWs gewesen sei, so daß ein Folgeschaden vorliege. Der beim Kläger entstandene Schaden war weder die Folge eines bereits vorher eingetretenen Schadens noch liegt ein bloß mittelbarer Schaden im Sinne einer Seitenwirkung des (allfälligen) widerrechtlichen Angriffs des Beklagten auf das Eigentumsrecht an dem PKW vor. Der Schaden ist vielmehr unmittelbar im Eigentum des Klägers entstanden, weil das Getriebe wenn auch als unmittelbare Folge der mangelhaften Reparaturarbeit erst in einem späteren Zeitpunkt beschädigt wurde, als der Kläger schon Eigentümer des Fahrzeuges war. Es liegt hier ein Fall der sogenannten Schadensverlagerung vor. Solche Fälle sind gegeben, wenn etwa der Verkäufer noch Eigentümer ist, der Käufer jedoch schon die Gefahr trägt, oder wenn der Schenker noch Eigentümer der Sache ist und der Beschenkte den Verlust zu tragen hat (Koziol, Haftpflichtrecht I 281). Wenn den Schaden, der normalerweise beim Verletzten eintritt, ausnahmsweise wirtschaftlich ein Dritter zu tragen hat, so wird durch diese Schadensüberwälzung der Schädiger nicht befreit. Die Lehre, daß eine bloße Schadensverlagerung den Schädiger nicht zu entlasten vermag, beruht auf dem Gedanken, daß der für den Eintritt des Schadens verantwortliche Schädiger nicht bloß deshalb von seiner Ersatzpflicht befreit werden dürfe, weil der Schaden auf Grund eines Rechtsverhältnisses nicht beim Verletzten, sondern bei einem Dritten eintritt. Es wird also die Wertung vorgenommen, daß der verantwortliche Schädiger dem Schaden näher steht als der Dritte, den kein Vorwurf bezüglich des Schadenseintritts trifft. Der Schädiger hat jedenfalls für die typischen Folgen, welche die übertretene Norm verhindern wollte, einzustehen. Bedenken, die gegen eine Berücksichtigung des Schadens eines nur mittelbar Geschädigten bestehen, treffen in den Fällen einer Schadensverlagerung nicht zu, wenn es, wie hier, gerade um den Schaden geht, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall aber durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird. Es wird also kein Schaden in die Betrachtung einbezogen, der nicht ohnehin normalerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt und daher zu ersetzen wäre (Koziol aaO 279 f).

Da hier der Eigentümer den PKW nach der angeblich mangelhaften Reparatur an den Kläger verkaufte und dieser im Zeitpunkt des Schadenseintritts schon Eigentümer des Fahrzeuges war, liegt ein solcher Fall der Schadensverlagerung vor, der den Beklagten, falls die eingangs erwähnten Voraussetzungen zutreffen, von einer Haftung nicht befreit. Damit fehlt aber der angefochtenen Entscheidung die Grundlage, sodaß sie aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Fällung einer neuen Entscheidung über die Berufung unter Bedachtnahme auf die darin gerügten Mängel im Verfahrens- und Tatsachenbereich zurückzuverweisen war. Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.

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