OGH 4Ob524/90

OGH4Ob524/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gertraud G***, Raumpflegerin, Liezen, Admonter Straße 25, vertreten durch Dr. Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, wider den Antragsgegner Günther G***, Kraftfahrer, Salzburg, Eugen-Müller-Straße 75, vertreten durch Dr.Friedrich Frizberg, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 7.Februar 1990, GZ R 765/89-56, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liezen vom 1. August 1989, GZ F 6/86-48, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit S 8.487 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.414,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die am 28.11.1970 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 20.2.1986, 4 Cg 157/85, aus dem alleinigen Verschulden des Antragsgegners - rechtskräftig - geschieden. Der Antragsgegner hatte während der aufrechten Ehe Beziehungen zu Walpurga A*** - seiner nunmehrigen Ehegattin - aufgenommen und mit ihr ein im November 1985 geborenes Kind gezeugt.

Mit Kaufvertrag vom 15.6.1971 hatten die Parteien die Liegenschaft EZ 236 KG Reitthal gekauft; sie wurden je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft. Diese besteht aus den Grundstücken Nr. 901/3 und 901/4 mit insgesamt 2218 m2 und befindet sich im Bauland. Auf ihr stehen ein Einfamilienhaus (verbaute Fläche rund 60 m2, umbauter Raum rund 440 m3) und eine Holzhütte (verbaute Fläche rund 36 m2, umbauter Raum rund 90 m3). Die Liegenschaft liegt auf einem sehr steilen Südhang; an ihrer Südgrenze verläuft die Admonter Straße, die eine starke Lärmbeeinträchtigung hervorruft. Von der Straße führt eine Auffahrt zum Wohnhaus. Die Liegenschaft ist aufgeschlossen (Strom, Wasser, Kanalisation). Das Wohnhaus wurde vor etwa 40 Jahren errichtet und besteht aus dem Kellergeschoß mit einem Heiz- und einem Kellerraum sowie einer Kellerstiege, dem Erdgeschoß mit Windfang, Küche, Wohnzimmer, Flur mit Stiege, Bad, Arbeitsraum und WC sowie dem Dachgeschoß mit Vorraum samt Stiege, drei Zimmern und einem WC. Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt S 655.000. Zum Kaufpreis hatte die Antragstellerin den ihr zu diesem Zweck von den Eltern geschenkten Betrag von S 50.000 beigesteuert; den restlichen Kaufpreis von S 250.000 und weitere Beträge für die Sanierung und Renovierung in der Höhe von S 200.000 bis S 300.000 bestritten die Parteien aus dem während der Ehe angefallenen Einkommen.

Die Antragstellerin arbeitete von 1970 bis 1976 bei der Firma B***. Nach der Geburt ihrer Tochter (12.9.1976) unterbrach sie ihre Berufstätigkeit und war ab 1980 stundenweise in verschiedenen Privathaushalten beschäftigt, wo sie monatlich etwa S 6.000 verdiente; daneben führte sie den ehelichen Haushalt. Der Antragsgegner war während der Ehe als Kraftfahrer bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt und verdiente zuletzt im Monatsdurchschnitt S 14.400.

Während aufrechter Ehe hatte der Antragsgegner seine Liegenschaftshälfte Walpurga A*** geschenkt. Die Antragstellerin focht zu 3 Cg 97/86 des Erstgerichtes diesen Schenkungsvertrag erfolgreich an und erreichte, daß er für unwirksam erklärt wurde. Walpurga A*** übereignete hierauf den Hälfteeigentumsanteil an der Liegenschaft EZ 236 KG Reitthal wiederum dem Antragsgegner. Die Antragstellerin bewohnt das auf dieser Liegenschaft stehende Haus seit dem Kauf bis heute zusammen mit ihrer ehelichen Tochter. Diese besucht die zweite Klasse der Hauptschule. Der Antragsgegner zahlt für sie einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.800. Seine Unterhaltsleistung für die Antragstellerin wurde vom Bezirksgericht Salzburg mit S 2.500 festgesetzt. Der Antragsgegner hat sein ehemaliges Dienstverhältnis bei den ÖBB zugunsten einer Tätigkeit als Fernfahrer in Salzburg aufgegeben. Er bewohnt mit seiner nunmehrigen Gattin eine Wohnung in Salzburg.

Die Antragstellerin arbeitet seit 29.3.1986 als Aufräumerin in der Konsumfiliale Liezen und verdient rund S 2.000 monatlich (richtig: wöchentlich ?).

Die Antragstellerin begehrte, das eheliche Gebrauchsvermögen derart aufzuteilen, daß ihr auch die Hälfte des Antragsgegners an der Liegenschaft EZ 236 KG Reitthal übertragen werde. Der Antragsgegner trat dem entgegen. Er begehrte, der Antragstellerin im Hause Liezen, Admonter Straße 25, das Parterre oder den ersten Stock sowie den halben Gartenanteil zur alleinigen Nutzung zu überlassen.

Der Erstrichter ordnete an, daß die Liegenschaft EZ 236 KG Reitthal in das Alleineigentum der Antragstellerin übergehe; gleichzeitig trug er der Antragstellerin auf, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von S 200.000 binnen 3 Monaten nach Rechtskraft seines Beschlusses zu zahlen; die Kosten des Verfahrens wurden "wechselseitig" aufgehoben. Es entspreche der Billigkeit, dem Eheteil, der mehr darauf angewiesen ist, das Eigentum an dem mit gleichgewichtigen Beiträgen errichteten Haus zu überlassen. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, eine Eigentumsveränderung zugunsten der Antragstellerin anzuordnen. Diese habe andererseits dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung zu leisten, welche gleichfalls nach dem Grundsatz der Billigkeit festzusetzen sei. Zu beachten sei, daß der an der Scheidung schuldlose Teil nicht infolge des ehewidrigen Verhaltens des anderen Teils eine weitgehende Einschränkung seines Lebensstandards auf sich nehmen müsse. Die Vermögensverhältnisse seien nicht streng im Verhältnis 50 : 50 aufzuteilen. Daß die Antragstellerin in der vorhandenen Ehewohnung den bisherigen Haushalt für das gemeinsame Kind aufrecht erhalte, sei ebenfalls zu berücksichtigen; auch auf die finanziellen Verhältnisse sei Bedacht zu nehmen. Demnach erscheine eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 200.000 angemessen. Auch die Aufhebung der beiderseitigen Verfahrenskosten entspreche der Billigkeit (§ 234 AußStrG).

Der Ausspruch des Erstgerichtes über den Übergang der Liegenschaft in das Alleineigentum der Antragstellerin blieb unangefochten.

Das Rekursgericht trug der Antragstellerin auf, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von S 300.000 binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Beschlusses zu zahlen; die Verfahrenskosten hob es gegeneinander auf und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Die Antragstellerin verwies es mit ihrem Kostenrekurs auf seinen infolge der neuen Sachentscheidung gefällten Kostenausspruch. Das Erstgericht habe die Höhe der Ausgleichszahlung zu niedrig angesetzt. Dem Verschulden an der Scheidung komme bei der Aufteilung nach Billigkeit nur eine untergeordnete Rolle zu; der Schuldlose solle jedoch in gewissem Umfang die ihm zuzuweisenden Sachen wählen können und durch die Aufteilung nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die Leistungen beider Parteien während der Ehe seien ungefähr gleichwertig. Berücksichtige man das Wohl des minderjährigen Kindes und die Schuldlosigkeit der Antragstellerin an der Scheidung, andererseits aber auch die Ersparung von Aufwendungen für Mietzins oder die Anschaffung einer Wohnung und die Verpflichtung desjenigen, der einen Vermögenswert übernimmt, zur Leistung der Ausgleichszahlung seine Kräfte entsprechend anzuspannen, so sei es angemessen, bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung den Wert der Liegenschaft im Verhältnis 1 : 1 zu teilen. Dazu komme, daß die Bewertung der Liegenschaft und der Gebäude offenbar ohnehin an der unteren Grenze des Realistischen erfolgt sei. Gehe man von einem aufzuteilenden Betrag von S 605.000 aus, so errechne sich die Höhe der Ausgleichszahlung mit abgerundet S 300.000.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Antragstellerin ist darin beizupflichten, daß die Bemessung der Ausgleichszahlung durch das Rekursgericht im Widerspruch zu der - in der angefochtenen Entscheidung angeführten - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht, wonach der an der Scheidung Schuldlose durch die Aufteilung nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen soll, deretwegen er eine schmerzlich empfundene Einschränkung seines Lebensstandards auf sich nehmen müßte (EvBl 1982/106; EFSlg 46.365, 51.759 uva). Die Verschuldensentscheidung im Eheverfahren ist zwar nicht unter den bei der Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu berücksichtigenden Gründen genannt (EvBl 1981/49; EvBl 1982/195);

dennoch kann der Umstand, daß ein Teil an der Auflösung der Ehe allein schuldig ist, nicht ohne jede Bedeutung sein (EvBl 1982/195;

MietSlg 34.600 uva). Die bei der Bemessung der Ausgleichszahlung zu beachtenden Billigkeitserwägungen (§ 94 Abs 1 EheG) können der beispielsweisen Aufzählung des § 83 EheG, aber auch der Bestimmung des § 94 Abs 2 EheG entnommen werden, sind aber nicht darauf beschränkt (MietSlg 34.607; EFSlg 49.013, 51.820, 57.414 uva). Danach ist auch auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Ausgleichspflichtigen Rücksicht zu nehmen; es soll darauf geachtet werden, daß die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (MietSlg 34.607 ua). So wie die Vermögensauseinandersetzung zwischen den Ehegatten nicht streng rechnerisch nach dem Wert des aufzuteilenden Vermögens im Verhältnis von 50 : 50 vorzunehmen, sondern das Vermögen nach Billigkeit aufzuteilen ist (916 BlgNR 14. GP 14; EFSlg 51.767 uva), ist auch die Festsetzung einer Ausgleichszahlung nicht unbedingt im Verhältnis 50 : 50 vorzunehmen; vielmehr ist die Ausgleichszahlung nach billigem Ermessen festzusetzen (EFSlg 43.801, 57.417 ua).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist die Höhe der vom Erstrichter festgesetzten Ausgleichszahlung nicht zu beanstanden. Da allein der Antragsgegner daran Schuld trägt, daß die Ehe der Parteien gescheitert ist, entsprach es der Billigkeit, dem Wunsch der Antragstellerin dahin Rechnung zu tragen, daß ihr die gesamte Liegenschaft mit der Ehewohnung zugesprochen wurde. Die Zahlungsverpflichtung, die ihr nach § 94 Abs 1 EheG aufzuerlegen ist, darf dann aber nicht so hoch sein, daß sie die Antragstellerin in ihrer neuen wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe (MietSlg 35.693; EFSlg 51.829 ua). Nach der Aktenlage kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Antragstellerin, die nur ein äußerst geringes Einkommen erzielt, über Ersparnisse verfügt oder solche im Laufe der nächsten Jahre erzielen könnte; es erscheint daher unmöglich, daß sie über den rechtskräftig bestimmten Ausgleichsbetrag hinaus noch weitere S 100.000 zahlen könnte. Es trifft zwar zu, daß nicht nur ein solcher Ausgleichsbetrag auferlegt werden kann, den der zur Zahlung Verpflichtete bequem aufbringen kann; vielmehr muß derjenige, der die Übernahme eines Vermögenswertes anstrebt, seine Kräfte entsprechend anspannen (EFSlg 51.826, 57.428 uva). Dem Ausgleichspflichtigen kann grundsätzlich auch die Aufnahme eines Kredites zugemutet werden (EFSlg 49.030, 57.429 uva). Aus welchen Mitteln aber die Antragstellerin eine Zahlung von insgesamt S 300.000 aufbringen oder allfällige Kreditraten abzahlen sollte, ist nicht zu erkennen. Es entspricht daher der Billigkeit, das eheliche Vermögen zu Lasten des Antragsgegners, dessen Verhalten die Scheidung sowie die Aufteilung des ehelichen Vermögens notwendig gemacht hat, dahin aufzuteilen, daß die Antragstellerin, obwohl sie einen Vermögenswert in der Höhe von rund S 300.000 übernimmt, dem Antragsgegner zum Ausgleich nur S 200.000 zu zahlen hat. Sofern das Rekursgericht seiner Entscheidung offenbar auch die Erwägung zugrunde gelegt hat, daß der Wert der Liegenschaft in Wahrheit höher einzustufen gewesen wäre, kann darauf nicht Bedacht genommen werden, sind doch die Rechtsmittelinstanzen an die ungerügt gebliebene Feststellung des Erstrichters über den Wert der Liegenschaft gebunden. Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Antragstellerin dahin Folge zu geben, daß der Beschluß des Erstrichters wiederhergestellt wird.

Infolge dieser Änderung der Sachentscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch den Kostenrekurs der Antragstellerin, auf den das Gericht zweiter Instanz nicht einzugehen hatte, zu behandeln. Dieses Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt; vielmehr erscheint es billig (§ 234 AußStrG), die Kosten des Verfahrens erster Instanz - wie es der Erstrichter getan hat - gegeneinander aufzuheben. Es trifft nämlich nicht zu, daß die Antragstellerin im Aufteilungsverfahren zur Gänze obsiegt hätte: Sie hatte zunächst nur die Zuweisung des alleinigen Eigentums an der Liegenschaft EZ 236 KG Reitthal (sowie eines Hälfteanteils an einer weiteren Liegenschaft) begehrt und erst später - im Rahmen eines Vergleichsangebotes - die Leistung eines Ausgleichsbetrages (durch Aufrechnung mit verschiedenen Kostenersatzforderungen) erwähnt (ON 20). Nach dieser Verhandlung sind der Antragstellerin aber Kosten vor allem für einen Sicherungsantrag erwachsen, den sie selbst in der Folge zurückgenommen hat. Bei dieser Sachlage ist es sachgerecht, daß die Kosten der Parteien gegeneinander aufgehoben werden (vgl. § 43 Abs 1 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 234 AußStrG. Da die Antragstellerin im Rechtsmittelverfahren zur Gänze obsiegt hat, entspricht es der Billigkeit, daß sie die Kosten der Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses zur Gänze ersetzt erhält.

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