OGH 4Ob523/93

OGH4Ob523/9328.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang P*****, vertreten durch Dr.Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Silvia J*****, 2. R***** Gesellschaft mbH & Co KG, 3. R***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 165.000,-- samt Anhang (Streitwert im Revisionsverfahren S 150.000,-- samt Anhang) infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. September 1992, GZ 48 R 537/92-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 16.April 1992, GZ 6 C 827/89g-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Mieter der Wohnung ***** A*****gasse 26 Tür Nr.27. Die Erstbeklagte ist seit Februar 1986 Alleineigentümerin dieses Hauses; die Zweitbeklagte hat den Mietvertrag des Klägers als Immobilienmaklerin vermittelt; die Drittbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Zweitbeklagten.

Die Erstbeklagte hat das Haus von ihrem Vater Ing.Robert H***** übernommen; dieser blieb auch nach dem Eigentümerwechsel der für die Gebäudeverwaltung maßgebliche Ansprechpartner. Ing.Robert H***** behielt die zumindest seit Juni 1985 leerstehende Wohnung Tür Nr.27 für sich. Ein Mietvertrag wurde nicht errichtet; die Wohnung wurde in den Unterlagen der Gebäudeverwaltung als "Leerstehung" geführt.

Der Kläger wurde auf die Wohnung durch eine Anzeige im "Kurier" aufmerksam. Bei der Besichtigung wurden ihm die Wohnungen Tür Nr.14 und Tür Nr.27 gezeigt. Beide Wohnungen waren gleich angelegt. Die Wohnung Tür Nr.14 war jedoch in einem desolaten Zustand, während die Wohnung Tür Nr.27 gerade von Ing.Robert H***** renoviert wurde, welcher in A***** ein Installationsunternehmen betreibt. Auf Empfehlung von Mag.Elmar D***** von der Zweitbeklagten ließ sich der Kläger von Ing.Robert H***** veranschlagen, wieviel es kosten würde, die Wohnung Tür Nr.14 in den gleichen Zustand wie die Wohnung Tür Nr.27 zu bringen. Diese Kostenschätzung belief sich auf 340.992 S brutto. Das war dem Kläger zuviel; da er jedoch dringend eine Wohnung benötigte, entschloß er sich, die Wohnung Tür Nr.27 zu mieten. Für diese Wohnung war laut Mag.Elmar D***** ein Betrag von 165.000 S an Ing.Robert H***** zu zahlen; damit sollten die Investitionen abgegolten werden.

Bei Abschluß des Mietvertrages zahlte der Kläger 4800 S an Vermittlungsprovision an die Zweitbeklagte; darüber hinaus übergab er Mag.Elmar D***** 165.000 S. Davon wurden 150.000 S an Ing.Robert H***** weitergeleitet; 15.000 S behielt die Zweitbeklagte auf Grund einer mit Ing.Robert H***** getroffenen Vereinbarung für sich. Der Erstbeklagten floß aus dieser Zahlung nichts zu.

Im Mietvertrag vom 3.9.1986 wurde für die aus zwei Zimmern, Kochnische, Badezimmer, Vorraum und WC bestehende, mit Etagenheizung und Warmwasserbereitung ausgestattete Wohnung ein wertgesicherter Hauptmietzins von 490 S vereinbart. Bei Übergabe der Wohnung waren Bad und Toilette verfliest und in brauchbarem Zustand; die Etagenheizung war noch nicht fertig, sie wurde aber in der Folge fertiggestellt. Die Fenster waren neu lackiert, im Vorraum war eine Holzzwischendecke eingezogen, die Elektroinstallationen waren erneuert worden. Die Anschlüsse für den Küchenblock waren vorhanden. Die Räume waren jedoch nicht ausgemalt, und sie waren, mit Ausnahme von Bad und Toilette, nur mit einem Estrichboden ausgestattet.

Der Kläger begehrt 165.000 S sA. Die Erstbeklagte habe durch Vermittlung der Zweit- und der Drittbeklagten für die Anmietung der Wohnung 165.000 S verlangt. Der Zahlung sei keine Gegenleistung gegenübergestanden; sie sei daher eine verbotene Ablöse im Sinne des § 27 MRG. Der Kläger habe der Zweitbeklagten für die Vermittlung des Mietvertrages 4800 S an Provision gezahlt. Die Zweitbeklagte hätte auf Grund ihrer vertraglichen Schutzpflichten verhindern müssen, daß der Kläger mit der gesetzlich unzulässigen Ablöseforderung belastet werde. Zweitbeklagte und Drittbeklagte hafteten daher als Vermittler solidarisch mit der Erstbeklagten, welcher die verbotene Zahlung zugekommen sei.

Ing.Robert H***** habe sein Eigentum am Haus A*****gasse 26 nur deshalb der Erstbeklagten übertragen und sich in Renovierung befindliche Wohnungen zurückbehalten, um § 27 MRG zu umgehen und verbotene Ablösen zu kassieren. 1989 seien Ing.Robert H***** zahlreiche Ablösezahlungen zugeflossen.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Im Zeitpunkt der vor der Anmietung der Wohnung Tür Nr.27 durch den Kläger geführten Gespräche sei diese Wohnung noch nicht frei gewesen. Der Kläger habe sich für die Wohnung entschieden, weil es für ihn erheblich günstiger gewesen sei, eine bereits renovierte Wohnung zu mieten. Es sei sodann zu einer Einigung zwischen Ing.Robert H***** und dem Kläger über die Zahlung einer Ablöse von etwa 150.000 S gekommen; in der Folge habe Ing.Robert H***** seine Mietrechte an der Wohnung aufgegeben. Der Erstbeklagten seien keine Ablösezahlungen des Klägers zugekommen; sämtliche Zahlungen des Klägers seien an Ing.Robert H***** als Vormieter und an die Zweitbeklagte und die Drittbeklagte als Vermittler geflossen.

Am 8.1.1986 sei den Wiener Stadtwerken gemeldet worden, daß Ing.Robert H***** Mieter der Wohnung Nr.27 sei. Bis einschließlich 1989 seien insgesamt 8 Wohnungen vergeben worden; in all diesen Fällen sei Ing.Robert H***** weder als Mieter aufgetreten, noch habe er Investitionsablösen kassiert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegen die Zweit- und die Drittbeklagte zur Gänze statt. Die Erstbeklagte erkannte es schuldig, dem Kläger zur ungeteilten Hand mit der Zweit- und Drittbeklagten 150.000 S zu zahlen; das gegen die Erstbeklagte gerichtete Mehrbegehren wies es ab.

Ing.Robert H***** habe nach seinem Willen und dem der Erstbeklagten nicht Mieter der Wohnung Nr.27 sein sollen; damit scheide ein Anspruch Ing.Robert H***** auf Ersatz seiner Investitionen nach § 10 MRG sowohl gegenüber der Erstbeklagten als auch gegenüber einem neuen Mieter aus. Ing.Robert H***** habe aber als Geschäftsführer ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Erstbeklagte. Durch eine Zahlung von 150.000 S für die Aufwendungen von Ing.Robert H***** habe der Kläger den Anspruch auf Aufwandsersatz befriedigt, der Ing.Robert H***** gegenüber der Erstbeklagten zugestanden sei. Die Erstbeklagte sei daher, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, durch die Zahlung des Klägers bereichert und somit zur Rückzahlung des Betrages verpflichtet.

Die Zweitbeklagte hätte als Immobilienvermittler auch die Interessen des Klägers als des zukünftigen Mieters wahren und ihn davor schützen müssen, daß von ihm eine gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßende Leistung begehrt wird. Die Zweitbeklagte (ihre leitenden Angestellten) habe (hätten) als gewerbsmäßige Vermittler von Mietverträgen das Fehlen jener Kenntnisse zu vertreten, die es erlauben, einen Verstoß gegen § 27 MRG zu erkennen. Mit der Vermittlung des klagsgegenständlichen Mietvertrages an den Kläger habe die Zweitbeklagte zumindest fahrlässig gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Sei habe daher, ebenso wie ihre persönlich haftende Gesellschafterin, dem Kläger für den ihm dadurch entstandenen Schaden von 150.000 S zu haften.

Dem der Zweitbeklagten zugeflossenen Betrag von 15.000 S sei keine geldwerte Gegenleistung gegenübergestanden, weil der Kläger ohnedies eine Vermittlungsprovision von 4800 S gezahlt habe. Zweit- und Drittbeklagte seien daher zur ungeteilten Hand zur Rückzahlung dieses Betrages verpflichtet.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes teilweise ab. Es wies das Begehren auf Zahlung von 150.000 S gegen alle drei Beklagten ab; im übrigen aber bestätigte es das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Der Kläger habe nicht der Hauseigentümerin, sondern einem Dritten für die Instandsetzung des Mietobjektes einen Geldbetrag gezahlt. Er habe nicht behauptet, daß Ing.Robert H***** und die Erstbeklagte als Hauseigentümerin bei Abschluß des Mietvertrages zusammengewirkt hätten, um die zwingenden Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes über die Mietzinsbildung zu umgehen. Der Kläger habe auch nicht behauptet, daß ihn die Erstbeklagte angewiesen hätte, Ing.Robert H***** eine Ablöse zu leisten. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens habe vielmehr Ing.Robert H***** von sich aus den Betrag als Ablöse für seine Investitionen genannt; hierauf habe der Kläger Zahlung geleistet.

Die Beklagten seien daher für die Rückforderung eines Betrages von 150.000 S passiv nicht legitimiert; daher könne dahingestellt bleiben, ob dieser Betrag dem Wert der Investitionen entsprochen hat.

Zur Haftung der Zweit- und der Drittbeklagten für die Rückzahlung des Betrages von 15.000 S enthalte die Berufung keine Ausführungen; insoweit sei daher das Urteil zu bestätigen.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers. Der Rechtsmittelwerber beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt werden, dem Kläger 150.000 S sA zu zahlen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die durch das 2.Wohnrechtsänderungsgesetz (2.WÄG) in den § 37 Abs.1 MRG eingefügte Z 14, wonach über die Rückzahlung verbotener Leistungen und Entgelte im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, ist im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden. Das

2. WÄG ist am 1.3.1991 in Kraft getreten; gemäß Art.V Abs 3 Z 3 dieses Gesetzes sind am 1.3.1991 bei Gericht anhängige Verfahren nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen.

Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat, sind ungültig und verboten. Ausgenommen ist nur die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Ersatz des Aufwandes, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 MRG zu ersetzen hat (§ 27 Abs 1 Z 1 MRG).

Das Erstgericht hat festgestellt, daß Ing.Robert H***** nicht Mieter der Wohnung Tür Nr.27 war. Die Beklagten haben diese Feststellung in der Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge unerledigt gelassen, obwohl die Frage, ob Ing.Robert H***** Mieter war, für die Entscheidung wesentlich ist:

War Ing.Robert H***** Mieter der Wohnung Tür Nr.27 und damit Vormieter des Klägers, dann ist zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß der ihm zugekommene Betrag Aufwendungen deckt, die nach § 10 MRG ersatzfähig sind. Der Ersatz solcher Aufwendungen steht ihm zu; insoweit ist dem Kläger kein Schaden entstanden, so daß ein Ersatzanspruch gegen die Zweit- und die Drittbeklagte in diesem Umfang jedenfalls entfällt. Auch die Erstbeklagte ist in keinem Fall verpflichtet, dem Kläger den Betrag rückzuerstatten, den Ing.Robert H***** zu Recht gefordert hat.

War hingegen Ing.Robert H***** nicht Mieter, dann hängt die Haftung der Erstbeklagten davon ab, ob die Ablöse rechtlich ihr zukommen sollte. Zur Rückzahlung einer verbotenen Ablöse ist nämlich derjenige verpflichtet, dem die Ablöse nach dem Ablösevertrag rechtlich zukommen sollte oder zugekommen ist (MietSlg 40.411 mwN).

Nach dem insoweit unbekämpft gebliebenen Sachverhalt hat Ing.Robert H***** die Wohnung Tür Nr.27 im Einvernehmen mit der Erstbeklagten hergerichtet und mit ihr vereinbart, daß er sich die Investitionen vom künftigen Mieter abgelten lasse, dem die Wohnung zu einem niedrigeren als dem Kategoriemietzins vermietet werde. Wäre diese Vereinbarung nicht getroffen worden, dann wäre Ing.Robert H***** wenn nicht als Auftragnehmer, so jedenfalls als Geschäftsführer ohne Auftrag zu betrachten, welchem ein Ersatzanspruch so weit zukommt, als er zum klaren und überwiegenden Vorteil des Geschäftsherrn Leistungen erbracht hat (siehe Koziol-Welser9 I 498 f). Die Erstbeklagte hat durch die erwähnte Vereinbarung erreicht, daß nicht sie, sondern der künftige Mieter für die Investitionskosten aufzukommen hatte. Mit der Zahlung durch den Mieter wurde somit, wie der Rechtsmittelwerber zutreffend ausführt, letztlich eine Forderung getilgt, die Ing.Robert H***** gegen die Erstbeklagte zustand. Damit ist die Ablöse rechtlich der Erstbeklagten zugekommen; in Wirklichkeit liegt eine Investition durch sie als Vermieterin vor, die bei einem § 16 MRG unterliegenden Bestandobjekt nicht durch eine Einmalzahlung (ausgenommen eine - hier nicht vorliegende - echte Mietzinsvorauszahlung) abgegolten werden kann (MietSlg. 40.404/20 uva). Die Erstbeklagte ist somit, war Ing.Robert H***** nicht Mieter, für den Rückforderungsanspruch des Klägers passiv legitimiert; dieser ist auch, weil jede dem Vermieter gezahlte Ablöse gesetzwidrig ist, berechtigt.

Die Zweitbeklagte hat den Mietvertrag vermittelt; als Vermittler ist sie auf Grund des Vermittlungsvertrages verpflichtet, den Auftraggeber vor ungesetzlichen Belastungen zu bewahren. Der Vermittler haftet für den Rückforderungsanspruch, wenn er nicht beweist (§ 1298 ABGB), daß ihm die Unzulässigkeit der Ablöseforderung weder bekannt war noch bekannt sein mußte (MietSlg. 38.411/48). Das ist auch dann der Fall, wenn sie Ing.Robert H***** mit gutem Grund für den Mieter der Wohnung Tür Nr.27 halten konnten.

Diesen Beweis hat die Zweitbeklagte ebensowenig wie die Drittbeklagte erbracht. Die Zweitbeklagte und die Drittbeklagte als ihre persönlich haftende Gesellschafterin haben daher, war Ing.Robert H***** nicht Mieter, für den dem Kläger durch die ungesetzliche Ablöseforderung entstandenen Schaden zur ungeteilten Hand zu haften.

Eine Haftung der Zweit- und der Drittbeklagten besteht auch dann, wenn Ing.Robert H***** zwar Mieter war, aber mehr verlangt und erhalten hat, als ihm gemäß § 10 MRG zustand. Auch insoweit hat der Kläger eine gesetzwidrige Ablöse geleistet; auch insoweit haftet daher der Vermittler, weil seine Haftung unabhängig davon besteht, wem geleistet wurde (MietSlg. 38.411/48).

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen, weil unerheblich, nicht vor.

Da das Berufungsgericht die Beweisrüge der Beklagten nicht erledigt hat, obwohl, wie oben dargelegt, die bekämpfte Feststellung für die Entscheidung wesentlich ist, war das Berufungsurteil aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 52 ZPO.

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