OGH 4Ob520/60

OGH4Ob520/604.10.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Stanzl und Dr. Nedjela als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef D*****, Schneidermeister, *****, vertreten durch Dr. Viktor Czaharnicki, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann Z*****, Zahntechniker i. R., *****, vertreten durch Dr. Leo Lang, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Zahlung von S 23.928,95 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 18. März 1960, GZ 42 R 148/60-36 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Juli 1960), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. Jänner 1960, GZ 38 C 241/58-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Stiefbruder des Beklagten. Beide sind Söhne der Hermine T*****, der ein Viertel-Anteil an dem in L*****, E*****straße Nr 14, in Form einer Gesellschaft betriebenen Hotel und Nachtlokal ("V*****") zustand. Sie hat mit notariellem Schenkungsvertrag vom 18. 11. 1946 diesen Anteil dem Beklagten übertragen, sich daran auf Lebenszeit das Fruchtgenussrecht vorbehalten und ist am 12. 11. 1954 verstorben. Der Kläger behauptet, Hermine T***** habe wiederholt den Wunsch geäußert, dass nach ihrem Tode der Beklagte jeweils die Hälfte der ihm aus diesem ein Viertel-Anteil am Gesellschaftsvermögen zufließenden Einnahmen dem Kläger zukommen lassen solle. Einige Tage nach dem Tode der Hermine T***** sei zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung in diesem Sinne erfolgt, die nunmehr seit Feber 1958 seitens des Beklagten nicht eingehalten werde. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden (am 31. 3. 1958 überreichten) Klage 1.) die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Hälfte sämtlicher ihm aus seinem Viertel-Anteil am Gesellschaftsvermögen des Nachtlokals und Hotels in L*****, E*****straße 14 ("V*****") zufließenden Einnahmen jeweils sofort nach Eingang an den Kläger zu bezahlen und 2.) die Bezahlung der sich daraus ergebenden Beträge, die schließlich entsprechend den behaupteten Gewinneingängen auf S 23.928,95 sA ausgedehnt wurden. Der Beklagte beantragte Abweisung des Feststellungs- und des Leistungsbegehrens. Eine vertragliche Verpflichtung bestehe nicht. Bei den erfolgten Zahlungen habe es sich um freiwillige Leistungen gehandelt.

Das Erstgericht hatte mit Teilurteil vom 23. 6. 1959, ONr 22, über das Feststellungsbegehren im Sinne der begehrten Feststellung vorweg entschieden. Dieses Urteil war vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 14. 10. 1959, GZ 38 C 241/58-27, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen worden, weil ein den Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzender Verfahrensmangel vorlag. Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht abermals mittels Teilurteil dem Feststellungsbegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten dieses Teilurteil und sprach (nach am 11. 7. 1960 vorgenommener Berichtigung des Urteilsspruches) aus, dass der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschied, S 10.000,-- übersteige.

Nach den Feststellungen der Untergerichte gehören je ein Viertel-Anteil an dem Unternehmen V*****, Nachtlokal und Hotel, dem Beklagten und Grete M***** (einer Schwester der Parteien). Hermine T***** habe wiederholt den Wunsch geäußert, der Beklagte solle nach ihrem Ableben die Hälfte seiner ihm aus dem Unternehmen zufließenden Einnahmen an den Kläger überweisen. Der Beklagte habe seiner Mutter versichert, dass er diesen Wunsch erfüllen werde. Testamentarische Erben der Hermine T***** seien Grete M***** und der Beklagte gewesen. Eine Verlassenschaftsabhandlung habe gemäß § 72 AußStrG nicht stattgefunden. Nach dem Begräbnis der Mutter sei zwischen den Streitteilen gemäß dem Wunsche der Verstorbenen vereinbart worden, dass der Beklagte dem Kläger jeweils die Hälfte der ihm aus dem Etablissement zukommenden Nettoeinnahmen überweisen werde. Die Parteien hätten sich dabei hinsichtlich des dem Kläger zugestandenen Rechtes auf die Bezeichnung "Fruchtgenussrecht" geeinigt. Der Beklagte habe die Vereinbarung auch schriftlich festgelegt, jedoch die Klausel beigefügt, dass der Kläger sein Fruchtgenussrecht weder an Dritte übertragen noch belasten noch vererben dürfe. Hingegen sollte nach dem Tode des Beklagten der dem Kläger zustehende Fruchtgenuss durch Grete M***** an ihn ausgezahlt werden. Die Geschwister hätten diesen schriftlichen Vertragsentwurf jedoch nicht unterfertigt, weil sich der Kläger mit der seine Verfügungsfreiheit einschränkenden Klausel nicht einverstanden erklärte. Die Streitteile hätten daher vereinbart, dass der Beklagte an den Kläger im Sinne des Wunsches der Mutter die Hälfte der ihm zufließenden Einnahmen ausbezahlen werde. Überdies sei unter den drei Geschwistern vereinbart worden, dass eine Auflösung der Gesellschaft, der Verkauf eines Gesellschaftsanteiles oder des "Fruchtgenussrechtes" des Klägers ohne die von allen Geschwistern erteilte Einwilligung nicht stattfinden dürfe. Der Beklagte habe in der Folge seine auf dieser Vereinbarung beruhende Verpflichtung, und zwar seit Dezember 1954 eingehalten. Er habe seine Zahlungen erst im Feber 1958 eingestellt, weil sich damals im Zusammenhang mit den Zahlungen des Beklagten an den Kläger hinsichtlich der steuerlichen Veranlagung zwischen den Parteien Differenzen ergaben und der Kläger sich weigerte, einen Vertragsentwurf zu unterfertigen, der eine bloß freiwillige Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung der Hälfte des auf ihn entfallenden Ertrages des Linzer Etablissements an den Kläger bei getrennter steuerlicher Veranlagung vorgesehen hatte. Aus diesen Feststellungen folgerte das Erstgericht die Rechtfertigung des Feststellungsbegehrens, welche Auffassung das Berufungsgericht billigte. Der Beklagte habe sich durch seine wiederholten der Mutter gegenüber abgelegten Versprechungen moralisch zur versprochenen Leistung an den Beklagten verpflichtet. Nach dem Begräbnis der Mutter habe der Beklagte aus dieser moralischen Verpflichtung heraus den vom Kläger ihm gegenüber behaupteten Anspruch auf die Hälfte der dem Beklagten aus seinem Viertel-Anteil zufließenden Einkünfte anerkannt und der Einlösung der Verpflichtung auch durch jahrelange Leistung Rechnung getragen. Die Erfüllung einer moralischen Verpflichtung schließe nach der Rechtsprechung Schenkung aus. Es liege hier ein Vertrag sui generis vor, der zu seiner Rechtswirksamkeit keiner besonderen Form bedarf und an den der Beklagte gebunden sei. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) bekämpft. Der Revisionsantrag geht dahin, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens (offenbar des Feststellungsbegehrens) abzuändern. Hilfsweise wird beantragt, das Urteil aufzuheben und die Rechtssache (offenbar an das Berufungsgericht) zurückzuverweisen. Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben, wurde rechtzeitig erstattet.

Das Berufungsgericht hatte im angefochtenen Urteil am Schlusse der Entscheidungsgründe zwar angeführt, dass der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes in § 500 Abs 2 ZPO seine Begründung finde, es jedoch entgegen der Vorschrift der bezogenen Gesetzesstelle unterlassen, im Urteilsspruch anzuführen, ob der Wert des Streitgegenstandes S 10.000,-- übersteige. Dieses Versehen wurde vom Berufungsgericht mit seinem Beschluss vom 11. 7. 1960 gemäß § 419 ZPO dahin berichtigt, dass der "Streitwert" richtig Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 10.000,-- übersteige. Da das Berufungsgericht dabei an die Bewertung des Klägers in der Klage nicht gebunden war (EvBl 1954, Nr 316) und der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen einer Nichtvornahme der Bewertung oder einer zur sinngemäßen Anwendung der einschlägigen Vorschriften der JN in Widerspruch stehenden Bewertung - gemäß § 500 Abs 4 ZPO auch dann unüberprüfbar ist, wenn er in einem Berichtigungsbeschluss erfolgte (EvBl 1956, Nr 42), erledigt sich das auf eine Zurückweisung der Revision abzielende Vorbringen in der Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unbegründet.

Die Rechtsrüge zielt, abgesehen vom Versuch einer unzulässig vorgenommenen Bekämpfung der Beweiswürdigung - auf eine rechtliche Qualifikation der im November 1954 nach dem Tod der Hermine T***** erfolgten Vereinbarung als Schenkung ab. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Nur wenn sich die Parteien einig sind, dass die Sache ohne Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer rechtlichen, sittlichen oder Anstandspflicht überlassen wird, handeln sie in Schenkungsabsicht (Stanzl in Klang2 IV S 587, 589, SZ XXIX/74; 5 Ob 2/60, nicht veröffentlicht). Die Erfüllung moralischer Verpflichtungen schließt Schenkung aus (Ehrenzweig, Schuldverh. § 355, ArbSlg 5836 und die dort angeführte Rechtsprechung, Soz III E, S 185, 4 Ob 89/58 = JBl 1959, S 218 ua). Im vorliegenden Fall steht nach den tatsächlichen und daher nicht mehr bekämpfbaren Feststellungen der Untergerichte fest, dass der Beklagte seiner Mutter versprochen hatte, in Erfüllung ihres Wunsches nach ihrem Ableben von den ihm aus seinem Anteil am Unternehmen in L***** ("V*****") zufließenden Einnahmen jeweils die Hälfte dem Kläger zu überweisen. Wenn nun der Beklagte nach den Beweisergebnissen im Zuge der Besprechungen nach dem Begräbnis der Hermine T***** (November 1954) die hier in Betracht kommende Verpflichtung "im Sinne dieses Wunsches seiner Mutter" übernommen hatte, so kann dem im gebrauchten Zusammenhang nur die Bedeutung einer tatsächlichen (und daher nicht revisiblen) Feststellung (EvBl 1951 Nr 356 ua) unterstellt werden, dass die Absicht der Parteien damals dahin ging, den Wunsch der Mutter zu erfüllen. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, dass der Beklagte die dem Wunsche der Mutter entsprechende und dann auch jahrelang eingehaltene Verpflichtung in Erfüllung einer gegenüber der verstorbenen Mutter und dem Bruder bestehenden sittlichen Pflicht einging, was Schenkung und die Formerfordernisse nach dem Notariatszwangsgesetz ausschließt. Der Beklagte erachtete sich im Zeitpunkt des mündlichen Vertragsabschlusses moralisch verpflichtet, dem Kläger verbindlich und nicht etwa auf Widerruf jeweils die Hälfte der ihm aus seinem Anteil am Betrieb "V*****" zufließenden Einnahmen zu überweisen. Daran ist der Beklagte gebunden, dh dem Kläger gebührt die Hälfte dessen, was jeweils als Gewinnanteil des Beklagten seitens der Gesellschaft ausgeschüttet wird. Welche Bezeichnung die Parteien aber für das dem Kläger zustehende Recht und für die Verpflichtung des Beklagten wählten, ist von keiner weiteren Bedeutung. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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