OGH 4Ob518/88

OGH4Ob518/8812.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Gottfried U*** Bäckereimaschinen-Backöfen, Graz, Argenotstraße 15, vertreten durch Dr. Walter Schlick, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Hans-Karl F***, Bäckermeister, Stubenberg am See 78, vertreten durch Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 308.400,-- S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. November 1987, GZ 5 R 187/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgerichtes vom 20. August 1987, GZ 7 Cg 16/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat beim Alleininhaber der klagenden Einzelfirma am 7.5.1986 eine Debag-Semmelanlage und einen Monsun-Backofen samt entsprechendem Zubehör um 257.000,-- S zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, also zum Gesamtpreis von 308.400,-- S, gekauft. Nach der als "Auftragsbestätigung" bezeichneten schriftlichen Kaufvereinbarung vom 7.5.1986 hatte die Lieferung der Gesamtanlage innerhalb von "ca. 14 Tagen" zu erfolgen; der Kläger sicherte für die zu liefernden Geräte eine Garantie "wie für Neu-Ofen Anlage" zu.

Anläßlich eines Telefonates am 3.6.1986, bei dem der Beklagte einen Fundamentplan für den Backofen haben wollte, erklärte ihm der Kläger, daß sich die Lieferung noch etwas verzögern werde; der Beklagte hatte dagegen nichts einzuwenden. Eine Nachfrist wurde dabei nicht gesetzt.

Mit Schreiben vom 12.6.1986 erklärte der Beklagte seinen Rücktritt vom Auftrag vom 7.5.1986, da die Lieferzeit längst überfällig und die Ware "bis heute nicht zu besichtigen gewesen" sei; dadurch bestünden für den Kläger "keinerlei Ansprüche". Der Kläger rief daraufhin den Beklagten am 16.6.1986 an und bot ihm die Lieferung an. Der Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, daß er die Ware noch besichtigen wolle. Tatsächlich suchte er den Kläger am 18.6.1986 auf, ohne diesen anzutreffen; er besichtigte jedoch die zu liefernden Maschinen.

Mit Schreiben vom 23.6.1986 nahm der Kläger zum Storno des Beklagten vom 12.6.1986 Stellung und wies darauf hin, daß der Beklagte mit einer späteren Lieferzeit einverstanden gewesen sei; abgesehen davon hätte er ihm eine angemessene Nachfrist setzen müssen, wenn es ihm so sehr auf die Lieferzeit angekommen wäre. Nach weiterer Sachverhaltsdarstellung bot er dem Beklagten die Ware zur Lieferung bis zum 25.6.1986 an.

Das Schreiben des Klägers vom 23.6.1986 ließ der Beklagte unbeantwortet. Der darin genannte Termin war ihm nicht genehm, weshalb der Kläger am 26.6.1986 einen Zustellversuch vornahm. Der Beklagte verweigerte jedoch die Annahme der Ware mit der Begründung, daß er erst mit seinem Rechtsanwalt sprechen müsse und im übrigen die Lieferung drei Tage vorher anzukündigen gewesen wäre. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage vom Beklagten die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 308.400,-- S sA Zug um Zug gegen Lieferung der Semmelanlage Debag und des Monsun-Backofens samt Zubehör. Er begründete dies im wesentlichen damit, daß der Beklagte im Hinblick auf den dargestellten Sachverhalt die Annahme der Anlage grundlos verweigert habe.

Der Beklagte hielt dem entgegen, er habe trotz des Zusatzes "ca." in der Auftragsbestätigung gegenüber dem Kläger unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Lieferung spätestens Ende Mai 1986 erfolgen müsse, weil er die Anlage sonst infolge Beginnes der Sommersaison nicht mehr aufstellen und verwerten könne. Er habe sich auch keineswegs mit einer Verlängerung der Lieferfrist einverstanden erklärt, sondern dem Kläger am 3.6.1986 eine Nachfrist von drei Tagen gesetzt und sei nach deren fruchtlosem Ablauf am 12.3.1986 vom Vertrag zurückgetreten. Der Kläger habe immer wieder seine Lieferfähigkeit zugesichert, die versprochene Besichtigung jedoch niemals ermöglicht; letzteres sei aber für den Beklagten die Voraussetzung des Kaufabschlusses gewesen. Unter Hinweis auf den vereinbarten Liefertermin habe der Beklagte die Maschinen am 26.6.1986 nicht mehr angenommen. Letztlich habe er auch deshalb keine einvernehmliche Regelung mit dem Kläger mehr gesucht, weil er in Erfahrung gebracht habe, daß dieser über die zugesagten Maschinen gar nicht verfüge und darüberhinaus auch keinerlei Möglichkeit habe, "Service und dgl." durchzuführen. Schließlich hielt der Beklagte "die durch die Nichtlieferung entstandenen - noch detailliert bekanntzugebenden - Aufwendungen" dem Klagebegehren aufrechnungsweise entgegen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung zu Recht, die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen aber nicht zu Recht bestünden; es verurteilte daher den Beklagten zur Zahlung von 308.400,-- S samt 5 % Zinsen seit 26.6.1986 Zug um Zug gegen Lieferung der Semmelanlage Debag und des Monsun-Backofens samt Zubehör. Die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen. Das Erstgericht traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, daß der ursprüngliche Liefertermin von "ca. 14 Tagen" am 3.6.1986 weiter verlängert worden sei. Der Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, am 12.6.1986 ohne jegliche Nachfristsetzung einseitig vom Vertrag zurückzutreten; er befinde sich demnach im Annahmeverzug. Die vom Beklagten geltend gemachte Schadenersatzgegenforderung sei schon mangels eines behaupteten Verschuldens des Klägers und wegen mangelnder Dartuung eines Schadens zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der Maßgabe, daß Punkt 1) des dreigliedrigen Urteilsspruches zu lauten habe: "Die Klageforderung besteht mit 308.400,-- S zu Recht." Das Gericht zweiter Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen im Umfang des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagte könne sich auf den Grundsatz, daß für die Setzung einer Nachfrist im Sinne des § 918 Abs 1 ABGB deren Gewährung nach der Rücktrittserklärung genüge, nicht berufen. Der Kläger habe nämlich wegen der Ablehnung seiner Lieferanbote vom

16. und 25.6.1986 sowie mangels Reaktion des Beklagten auf das Schreiben vom 23.6.1986 nicht sicher sein können, ob der Beklagte überhaupt noch auf dem Boden des Vertrages stehe und daher zur Annahme der Leistung bereit sei. Der Beklagte habe sich daher im Annahmeverzug befunden, zumal der Abschluß eines Fixgeschäftes von ihm nicht einmal behauptet worden sei; ein solches liege auch nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht vor. Die Gegenforderung des Beklagten sei vom Erstgericht schon mangels ausreichender Konkretisierung zutreffend verneint worden. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung.

Der Kläger stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, es genüge sogar die tatsächliche Gewährung einer Nachfrist vor der Rücktrittserklärung; jedenfalls aber habe er dem Kläger nach seiner Rücktrittserklärung vom 12.6.1986 eine angemessene Nachfrist gewährt, die am 26.6.1986 schon längst abgelaufen gewesen sei. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beklagte nicht nur in Widerspruch zur herrschenden Lehre und zur neueren, gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes; er übersieht auch wesentliche Punkte der festgestellten Sachverhaltsgrundlage:

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung wird das gesetzliche Rücktrittsrecht schon durch den objektiven Schuldnerverzug ausgelöst (Koziol-Welser8 I 227 f; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 918; HS 7291/28; EvBl 1978/2; 1 Ob 589/85; 4 Ob 587, 588/87 ua). Weil Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung eine Einheit bilden, kann als Nachfrist im Sinne des § 918 ABGB nur eine von der Rücktrittserklärung an laufende Frist in Betracht kommen (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 457; Reischauer aaO Rz 15 zu § 918; HS 9371; JBl 1976, 535; 1 Ob 589/85; 7 Ob 587/87; 4 Ob 587, 588/87 ua). Nach ständiger Rechtsprechung braucht zwar die Nachfrist im allgemeinen nicht gesetzt, sondern nur gewährt zu werden, doch gilt das dann nicht, wenn es für den zur Leistung Verpflichteten keineswegs mit Sicherheit feststeht, ob der andere Vertragsteil überhaupt noch auf dem Boden des Vertrages steht und daher zur Annahme der Leistung bereit ist. Bestehen daher für den Schuldner Zweifel über die Annahmebereitschaft des Gläubigers, so wirkt der Rücktritt ohne Fristsetzung nicht, es sei denn, der Gläubiger würde seine noch bestehende Annahmebereitschaft verdeutlichen (Reischauer aaO; JBl 1976, 535; 6 Ob 871/82; 7 Ob 587/87 ua).

Im vorliegenden Fall ist es zunächst zweifelhaft, ob sich der Kläger zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Beklagten - also beim Zugehen des Schreibens vom 12.6.1986 an ihn, welches frühestens am 13.6.1986 stattgefunden haben kann - überhaupt bereits in objektivem Verzug befunden hat. Es blieb nämlich ungeklärt, ob es sich bei dem am 7.5.1986 mit "ca. 14 Tage" vereinbarten Liefertermin um einen bestimmten oder doch bestimmbaren Leistungstermin oder bloß um eine unverbindliche Richtzeitangabe gehandelt hatte, wie es der Kläger im Hinblick auf die dem Vertrag angeblich zugrunde liegenden Lieferbedingungen behauptete. Selbst wenn aber ersteres der Fall gewesen sein sollte und der vertraglich festgesetzte Liefertermin am 3.6.1986 bereits abgelaufen gewesen wäre, so ist an diesem Tag zwischen den Parteien doch jedenfalls dadurch eine Stundung vereinbart worden, daß der Beklagte auf die Erklärung des Klägers, die Lieferung werde sich noch etwas verzögern, nichts einzuwenden hatte. Selbst wenn es sich dabei im Zweifel nur um eine "reine Stundung" gehandelt hätte, die die Fälligkeit nicht berührte (vgl. dazu Koziol-Welser8 I 214 f; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allgemeiner Teil2, 83 ff), so kann doch in einem solchen Fall ihrem Sinne nach ein Rücktritt gemäß § 918 ABGB nicht mehr für einen vor ihrem Ende liegenden Zeitpunkt erklärt werden (Reischauer aaO Rz 13 zu § 904). Schon aus diesem Grund war daher die Rücktrittserklärung des Beklagten nur neun Tage später als solche wirkungslos, weil zu diesem Zeitpunkt die gestundete Lieferfrist - mangels näherer Bestimmung der Stundung - noch gar nicht abgelaufen sein konnte; ihr kam daher nur die Wirkung einer die Stundung beendenden Mahnung zu. Darüber hinaus ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß es unter diesen Umständen infolge der plötzlichen und dem bisherigen Verhalten des Beklagten widersprechenden, unbedingten und ausdrücklichen Rücktrittserklärung für den Kläger zweifelhaft sein mußte, ob sich dieser überhaupt noch auf dem Boden des Vertrages befand und zur Annahme der Maschinen bereit war. Diese Zweifel wurden durch die Antwort des Beklagten auf das fernmündliche Lieferanbot des Klägers vom 16.6.1986 noch insofern verstärkt, als dieser das Lieferanbot zwar ablehnte, zugleich aber doch die Ware noch besichtigen wollte.

Das Berufungsgericht hat daher aus allen diesen Gründen richtig erkannt, daß das Schreiben des Beklagten vom 12.6.1986 nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 918 Abs 1 ABGB hinsichtlich einer wirksamen Rücktrittserklärung entsprochen hat, weshalb die Kaufvereinbarung vom 7.5.1986 nach wie vor wirksam ist. Auf die von ihm aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung kommt der Beklagte in seiner Revision nicht mehr zurück, weshalb auf sie auch nicht mehr näher einzugehen ist (EvBl 1985/154).

Der Revision mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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