Spruch:
Keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr iS des § 333 Abs. 3 ASVG liegt vor, wenn sich ein Unfall in einem betriebseigenen, zur Beförderung der Arbeiter von ihrem Wohnort zur Arbeitsstelle bestimmten Autobus ereignet
OGH 27. 11. 1984, 4 Ob 51/84 (LGZ Graz 2 Cg 72/83; ArbG Leibnitz Cr 5/83)
Text
Am 20. 10. 1980 verschuldete der Erstbeklagte im Gemeindegebiet G als Lenker des bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Kombi VW 23, dessen Halterin die Zweitbeklagte war, einen Verkehrsunfall, bei dem der mitfahrende Kläger schwere Verletzungen erlitt. Wegen dieses Unfalls wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des BG Leibnitz wegen Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 StGB verurteilt.
Mit der Behauptung, die Beklagten hafteten für die Berichtigung der geltend gemachten Ersatzansprüche des Klägers zur ungeteilten Hand, der Erstbeklagte auf Grund der allgemeinen Schadenersatzbestimmungen des ABGB, die Zweitbeklagte auf Grund der Sonderbestimmungen des EKHG und die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer gemäß § 63 KFG, begehrte der Kläger von den beklagten Parteien unter Berücksichtigung des außer Streit gestellten Mitverschuldens des Klägers wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht für die erlittenen Unfallverletzungen zuletzt ein Schmerzengeld von 97 500 S und einen Verdienstentgang von 435.65 S. Weiters begehrte er, gegenüber den beklagten Parteien festzustellen, daß diese dem Kläger für alle kausalen Schäden aus dem Straßenverkehrsunfall vom 20. 10. 1980 zur ungeteilten Hand zu haften haben, die drittbeklagte Partei jedoch nur bis zur Höhe der Haftungssummen auf Grund des Versicherungsvertrages für das Kfz. Kombi VW 23, sowie daß die Haftung auf 3/4 der künftigen Schmerzengeldansprüche beschränkt sei.
Die Beklagten stellten das Leistungsbegehren der Höhe nach außer Streit, ebenso, daß zukünftige Schadenersatzansprüche des Klägers nicht mit Sicherheit auszuschließen seien, beantragten jedoch Klageabweisung und führten aus, daß der Erstbeklagte als Aufseher im Betrieb anzusehen gewesen sei und daher der Haftungsausschluß nach § 333 Abs. 1 und 4 ASVG vorliege.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die auftragsgemäße Mitnahme eines Arbeitskollegen allein mache den Dienstnehmer noch nicht zum Aufseher im Betrieb, weshalb der Ausschließungsgrund des § 333 Abs. 4 ASVG nicht gegeben sei. Auch eine Haftungsbefreiung der Zweitbeklagten liege nicht vor, da der Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten sei. Das Feststellungsbegehren sei gerechtfertigt, weil zukünftige Schadenersatzansprüche des Klägers nicht auszuschließen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf folgende Feststellungen:
Die Baustellen der Zweitbeklagten liegen weit verstreut, ihr Standort wechselt häufig. Es ist daher üblich, daß die Arbeiter der Zweitbeklagten mit deren Bussen kostenlos vor Arbeitsbeginn vom Wohnort zur Baustelle und nach Arbeitsschluß wieder zurückgebracht werden, bei weniger weit entfernten Baustellen an jedem Arbeitstag, sonst wöchentlich. Die Arbeiter der Zweitbeklagten sind nicht gezwungen, diese Busse zu benützen, doch ist dies üblich, da Fahrten mit Privatfahrzeugen der Arbeiter zwischen Wohnort und Baustelle von der Zweitbeklagten nicht erwünscht sind. Die Fahrer der Busse werden von der Zweitbeklagten nach dem Gesichtspunkt ausgesucht, daß die zu befördernde Arbeitergruppe und der Fahrer jeweils in derselben Gegend wohnen. Der Fahrer hat die Verpflichtung, die Arbeiter pünktlich zum Arbeitsbeginn zur Baustelle zu bringen; in diesem Rahmen könnte er bei Erfordernis auch Pausen einlegen. Bei der Wahl der Fahrtstrecke hat er wirtschaftliche Grundsätze zu beachten und darf keine allzu großen Umwege machen. Im einzelnen wird die Fahrroute von der Zweitbeklagten weder festgelegt noch die vom Fahrer gewählte überprüft. Sobald ein Fahrer den Fahrdienst übernimmt, trägt er für die Fahrt die volle Verantwortung. Es gibt daher diesbezüglich von seiten der Zweitbeklagten keine Beeinflussung. Voraussetzung für den Einsatz eines Fahrers ist lediglich der Besitz eines Führerscheines. Andere Qualifikationen werden nicht gefordert. Die Fahrer haben auf den Baustellen nach Arbeitsbeginn gleich wie die übrigen Arbeiter der Gruppe ihren Dienst zu verrichten; sie werden dort nicht als Kraftfahrer eingesetzt. Der Kläger und der Erstbeklagte waren bei der Zweitbeklagten als Hilfsarbeiter beschäftigt. Da ein ständiger Fahrer erkrankt war, wurde der Erstbeklagte vom Polier als Fahrer eingesetzt. Er erhielt von der Zweitbeklagten die Fahrtstunden bezahlt, während für die übrigen Arbeiter die Arbeitszeit erst mit dem Eintreffen auf der Baustelle begann. Neben der Wahl der Fahrtstrecke war dem Erstbeklagten der Zeitpunkt für die Abfahrt und die Reihenfolge der Abholung der einzelnen Arbeiter überlassen. Die Fahrten bezogen sich ausschließlich auf den Verkehr zwischen Wohnort und Baustelle. Während der Arbeitszeit auf der Baustelle werden die Busse nicht für den Transport von Personen benützt. Die Einteilung, wer mit welchem Fahrzeug mitzufahren hatte, wurde vom Bauleiter der Zweitbeklagten Herbert S getroffen. Der Unfall ereignete sich am 20. 10. 1980 gegen 5.45 Uhr, als der Erstbeklagte den Kläger bereits von seinem Wohnort abgeholt hatte und auf dem Weg zum Wohnort des zweiten Arbeiters war, den er ebenfalls zur Baustelle zu bringen hatte.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, durch § 333 Abs. 1 und Abs. 4 ASVG würden alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Dienstgeber oder die ihm gleichgestellten Haftungspflichtigen richten, abschließend geregelt. Alle anderen Haftungsgrunde, insbesondere solche nach dem ABGB und dem EKHG oder nach anderen Haftpflichtvorschriften, seien ausgeschlossen. Von einer Teilnahme am allgemeinen Verkehr iS des § 333 Abs. 3 ASVG könne nur dann gesprochen werden, wenn sich der Unfall außerhalb des Betriebes ereignet habe, die Beteiligten nicht in Ausübung ihres Dienstes gehandelt hätten und der Unfall nicht in örtlichem, zeitlichem oder ursächlichem Zusammenhang mit der Beschäftigung des Verletzten gestanden sei. Da sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf der Fahrt von seinem Wohnort zu seiner Arbeitsstelle befunden habe, sei der geforderte örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit seiner Beschäftigung gegeben, sodaß § 333 Abs. 3 ASVG auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei. Damit sei aber die Zweitbeklagte gemäß § 333 Abs. 1 ASVG von einer Haftung gegenüber dem Kläger befreit. Ob der Lenker eines Kfz. gegenüber einem Mitfahrer Aufseher im Betrieb iS des § 333 Abs. 4 ASVG sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Bei der Beförderung von Personen sei zu unterscheiden, ob der Lenker für deren Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich sei, oder ob er ihnen gegenüber noch darüber hinausreichende Befugnisse und Pflichten habe. Beruhe die Mitnahme von Arbeitskollegen nicht etwa nur auf reiner Gefälligkeit, sondern auf einer Anordnung des Arbeitgebers oder dessen Vertreters, dann erfolge sie im Rahmen der betrieblichen Organisation und diene der Erreichung des Betriebszweckes. Der Lenker habe hiebei nicht nur für die persönliche Sicherheit der Mitfahrer zu sorgen, sondern darüber hinaus deren Transport nach den Interessen des Betriebes sachgemäß durchzuführen und gewissermaßen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die im Einzelfall über die Vorschriften betreffend den Straßenverkehr hinausreichen könne, gegenüber seinen Arbeitskollegen zu gewährleisten. Diese erweiterte Verantwortung habe ein entsprechendes, zeitlich und umfänglich naturgemäß eingeschränktes Weisungsrecht des Lenkers während der Fahrt zur Folge. Alle diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Der Erstbeklagte sei daher als Aufseher im Betrieb anzusehen, womit seine zivilrechtliche Haftung nach § 333 Abs. 4 ASVG ausgeschlossen sei. Die Haftungsbefreiung für die beiden erstbeklagten Parteien habe zur Folge, daß die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer ebenfalls keine Haftung treffe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit der Kläger zunächst die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Erstbeklagte sei im Unfallzeitpunkt Aufseher im Betrieb gewesen, bekämpft, kann ihm nicht gefolgt werden. Es kommt dabei nach ständiger Rechtsprechung (SZ 26/215; Arb. 8919 uva.) vor allem darauf an, ob der betreffende Dienstnehmer zur Zeit des Unfalles eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundene Stellung innehatte und dabei für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich war. Bei der Beförderung von Personen ist zu unterscheiden, ob der Lenker für ihre Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich war oder ob er ihnen gegenüber noch darüber hinausgehende Befugnisse und Pflichten hatte (ZVR 1974/59; SZ 51/128 ua.). Ein Arbeitnehmer, der einen im selben Betrieb tätigen Kollegen im eigenen Kraftwagen in den Betrieb oder zu einer anderen Arbeitsstätte mitnimmt, ohne daß ihm diese Beförderung vom gemeinsamen Arbeitgeber aufgetragen worden wäre, führte diese Fahrt nicht im Rahmen des Betriebes und nicht in Erfüllung einer Dienstpflicht aus. Er ist nur ein "gewöhnlicher" Kraftwagenlenker und als solcher nicht Aufseher im Betrieb iS des § 333 Abs. 4 ASVG. Einer solchen, auf reiner Gefälligkeit beruhenden Mitnahme von Arbeitskollegen im eigenen PKW kann aber die auf einer Anordnung der zuständigen Stelle der Betriebsleitung beruhende Beförderung von Betriebsangehörigen an einen bestimmten Arbeitsplatz nicht ohne weiteres gleichgehalten werden. Wer einen solchen Auftrag seines Dienstgebers befolgt, hat in einem, wenn auch beschränkten, Teilbereich von Vorgängen, die der Erreichung des Betriebszweckes dienen, hinsichtlich der beförderten Betriebsangehörigen eine Aufgabe im Rahmen der betrieblichen Organisation zu erfüllen und ist damit "Aufseher im Betrieb". Maßgebend ist, daß der beförderte Arbeitskollege hier nicht aus persönlicher Gefälligkeit, sondern im Interesse des Betriebes und im Rahmen der Abwicklung übertragener Aufgaben mitgenommen wird (SZ 23/266; Arb. 8660; ZVR 1974/97 uva., zuletzt etwa 2 Ob 218/81).
Im konkreten Fall hatte der Erstbeklagte im Auftrag seines Arbeitgebers Arbeiter desselben mit firmeneigenen Bussen von ihren Wohnorten zu den Baustellen zu befördern, wobei er die volle Verantwortung dafür trug, daß die Arbeiter pünktlich an der Baustelle ankamen. Dabei konnte er selbst die wirtschaftlich günstigste Fahrstrecke aussuchen und erforderlichenfalls auch während der Fahrt Pausen einlegen. Die vom Erstbeklagten im Rahmen der betrieblichen Organisation zu erfüllende Aufgabe ging damit über die Verantwortlichkeit als Kfz.-Lenker nach den für den Straßenverkehr geltenden Vorschriften hinaus und erforderte auch ein entsprechendes, allerdings zeitlich und umfänglich naturgemäß sehr eingeschränktes, Weisungsrecht während der Fahrt. Damit war der Erstbeklagte aber im Zeitpunkt des Unfalls Aufseher im Betrieb.
Das Berufungsgericht hat aber auch zutreffend erkannt, daß eine Teilnahme am "allgemeinen Verkehr" iS des § 333 Abs. 3 ASVG nicht vorlag. Von einer solchen kann nur dann gesprochen werden, wenn sich der Unfall außerhalb des betrieblichen Geschehens ereignet hat, die Beteiligten nicht in Ausübung ihres Dienstes handelten und der Unfall nicht in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der Beschäftigung des Verletzten stand (SZ 25/129; Arb. 8723; Arb. 8739; Arb. 9115; Arb. 9167 ua.). Eine Teilnahme am öffentlichen Verkehr liegt nach ständiger Rechtsprechung auch nicht vor, wenn der verunglückte Dienstnehmer mit einem nicht der Allgemeinheit zugänglichen Fahrzeug des Dienstgebers befördert wurde. Von einer Teilnahme am öffentlichen Verkehr kann daher dann nicht gesprochen werden, wenn sich der Unfall in einem betriebseigenen, zur Beförderung der Arbeiter von ihrem Wohnort auf die Baustellen bestimmten Omnibus ereignet hat (Arb. 7790; ZVR 1963/152 ua.; zuletzt etwa in einem völlig gleichartigen Fall 2 Ob 218/81; vgl. auch SZ 23/266).
Den in der Revision zitierten entgegengesetzten Lehrmeinungen von Schrammel (Die Haftung des Dienstgebers für Arbeitsunfälle bei der Teilnahme des Versicherten am allgemeinen Verkehr, ZAS 1970, 209), Koziol (Haftpflichtrecht[2] II 222 f.) und Fitz (Die Haftung des Dienstgebers für Arbeitsunfälle bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr, ZVR 1976, 197), kann ebensowenig gefolgt werden wie den Ausführungen von Steininger (Schadenersatz bei Arbeitsunfällen, Gschnitzer-GedS (1969) 393). Kunst (Die Beziehungen zwischen Schädiger und Sozialversicherung im österr. Recht, ZAS 1970, 169, bes. 174 f.), teilt hingegen die Ansicht der Rechtsprechung.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß auch die zitierten gegenteiligen Lehrmeinungen nicht übereinstimmen. Schrammel (aaO 212) unterscheidet danach, ob der Dienstnehmer durch den Werksomnibus von seinem Wohnort zur Arbeitsstätte gebracht wird oder von einer Betriebsstätte zur anderen; im letzteren Fall liege ein innerbetrieblicher Vorgang vor, im ersteren ein Weg iS des § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG und daher eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Schrammel beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des deutschen BGH NJW 1956, 1514, die jedoch ausdrücklich festhält, es sei in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß ein Angestellter, der auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte im Kraftwagen des Betriebes mitgenommen wird, nicht am allgemeinen Verkehr teilnehme. Nur wenn ein Betriebsangehöriger nach Beendigung der Arbeit aus Gefälligkeit von einem Betriebs- oder Arbeitsaufseher auf dessen Motorrad mitgenommen werde, stehe diese Fahrt nur in losem Zusammenhang mit dem Betrieb und der Betriebszugehörigkeit des Verletzten. Auf diese Entscheidung kann daher die von Schrammel vertretene Ansicht nicht gestützt werden, wozu noch kommt, daß Schrammel kein durchschlagendes Argument dafür vorbringt, warum sich der Transport in Werksomnibussen von einer Arbeitsstelle zur anderen in der Haftung von dem seitens des Betriebes organisierten Transport der Arbeitnehmer von ihren Wohnorten zur Baustelle unterscheiden soll, worauf bereits Fitz (aaO 201) zutreffend verweist. Koziol (aaO) lehnt die Ansicht von Schrammel ab und meint, Sinn der Bestimmung des § 333 Abs. 3 ASVG sei es, daß Arbeitnehmer bei Verkehrsunfällen in gleicher Weise wie andere Opfer in den Genuß der verschärften Gefährdungshaftung gelangen sollen. Er befürwortet daher eine möglichst weitgehende Auslegung dieser Bestimmung in dem Sinne, daß die Haftung des Dienstgebers auch dann eingreife, wenn es sich um einen Unfall beim Transport von einer Betriebsstätte zur anderen oder bei einer Dienstreise handle. Nur wenn die eigentliche Betriebstätigkeit des Arbeitnehmers in der Teilnahme am Verkehr bestehe, liege keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vor. Fitz (aaO 205 f.) und Steininger (aaO 407) vertreten sogar die Auffassung, auch bei Herbeiführung des Schadens durch ein Kfz. auf einem nicht allgemein zugänglichen Betriebsgelände liege ein Fall der Haftung nach § 333 Abs. 3 ASVG vor.
Bei Auslegung des § 333 Abs. 3 ASVG muß von der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ausgegangen werden. Sie geht zurück auf das Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. 12. 1943, dRGBl. I 674 (ErwZulG). Bis zu dieser Regelung waren bei Dienst- und Arbeitsunfällen Schadenersatzansprüche gegen den Dienstgeber auch dann ausgeschlossen, wenn sich der Unfall bei der Teilnahme des Versicherten am allgemeinen Verkehr ereignet hatte. Im Vorspruch dieses Gesetzes wird darauf verwiesen, daß in den Versorgungsgesetzen und der Reichsversicherungsordnung bei Dienst- und Arbeitsunfällen Schadenersatzansprüche gegen öffentliche Verwaltungen oder gegen Unternehmer grundsätzlich ausgeschlossen seien. Diese Regelung habe bei Unfällen, die sich bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereigneten, häufig dazu geführt, daß der Geschädigte im Rahmen der genannten Gesetze schlechter gestellt worden sei als andere Verkehrsteilnehmer. Um diese Unbilligkeit zu beseitigen und den Schutz der Verletzten und Hinterbliebenen zu verstärken, sei dieses Gesetz beschlossen worden. In der Amtlichen Begründung für diese Neuregelung (Deutsche Justiz 1944, 21 f.), wird zunächst ausgeführt, aus der bisherigen Beschränkung seien insbesondere dann Unbilligkeiten eingetreten, wenn zwischen dem Unfall und der dienstlichen Tätigkeit nur ein verhältnismäßig loser Zusammenhang bestehe. Die Grundlage für die nun zugelassenen Schadenersatzansprüche würden vornehmlich die Gefährdungshaftung, vor allem die Haftung der Eisenbahn nach dem Reichshaftpflichtgesetz und die Haftung des Kraftfahrzeughalters nach dem Gesetz über den Verkehr mit Kfz., bilden. In der Folge werden Beispiele angeführt, wann eine Teilnahme des Verletzten am allgemeinen Verkehr vorliegt und wann nicht. Bezüglich der Unfälle auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte werde der Versorgungsberechtigte fast immer am allgemeinen Verkehr teilnehmen, sei es als Fußgänger, Radfahrer oder als Fahrgast in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Dagegen könne von einer Teilnahme am allgemeinen Verkehr dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Versorgungsberechtigte oder Versicherte nach der Dienststelle oder in den Betrieb in einem dienst- oder betriebseigenen Fahrzeug fahre oder befördert werde, das jedenfalls zu dieser Zeit kein öffentliches Verkehrsmittel sei. Hierher gehöre ua. der sogenannte Werksverkehr, bei dem der Unternehmer seine Gefolgschaftsmitglieder - zB in einem vom Betrieb zur Verfügung gestellten Omnibus - von der Wohnung oder einem Sammelplatz in das Werk abholen oder von einer Arbeitsstätte an eine andere Arbeitsstätte befördern lasse. Auf diese innerdienstlichen oder innerbetrieblichen Vorgänge der eigenen Verwaltung (dem eigenen Unternehmen) gegenüber finde dieses Gesetz keine Anwendung.
Daraus haben sowohl die österreichische Rechtsprechung als auch die Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland (Neumann-Duesberg, Das Verhältnis von Verkehrssicherungs- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Teilnahme am allgemeinen Verkehr, VersR 1968, 1, bes. 8 f.; Lepenies, Der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr, NJW 1952, 10; VersR 1956, 36; NJW 1956, 1514 ua.) den Schluß gezogen, daß die Beförderung des Arbeitnehmers in betriebseigenen Fahrzeugen von seinem Wohnort zur Arbeitsstätte oder umgekehrt nicht im Rahmen der Teilnahme am allgemeinen Verkehr stattfinde.
Von dieser Ansicht abzugehen bieten auch die oben angeführten Lehrmeinungen keinen Anlaß. Soweit darauf hingewiesen wird, § 333 Abs. 3 ASVG habe insofern eine wesentliche Änderung gebracht, als die Freistellung von der Haftung dann für unanwendbar erkannt wurde, wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr "durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht", handelt es sich tatsächlich sogar um eine Einschränkung der möglichen Haftpflicht gegenüber den Bestimmungen des ErwZulG. Auch bestand bereits zur Zeit der Geltung des ErwZulG die besondere Haftung des Kraftfahrzeughalters, worauf auch in der amtlichen Begründung verwiesen wurde. Daß der Gesetzgeber des ASVG in den Materialien (599 BlgNR 7. GP) als Beispiel dafür, daß keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vorliegt, nur noch den Fall anführt, daß der Geschädigte das Verkehrsmittel in Ausübung seines Dienstes zB als Lokomotivführer oder Schaffner usw. bedient, besagt keineswegs, daß der Gesetzgeber nur in diesen Fällen eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr ausschließen wollte. Auch der Hinweis auf die bestehende gesetzliche Haftpflichtversicherung versagt, wurde doch die obligatorische Haftpflichtversicherung bereits durch das Pflichtversicherungsgesetz vom 7. 11. 1939, RGBl. 1939 I 2223, eingeführt und bestand daher bereits im Zeitpunkt der Erlassung des ErwZulG. Die von Steininger und Fitz vertretene Ansicht, § 333 Abs. 3 ASVG sei ganz allgemein auf durch Kfz. verwirklichte Arbeitsunfälle anzuwenden, findet im Gesetz überhaupt keine Deckung, wäre doch damit der Hinweis auf die Teilnahme am allgemeinen Verkehr völlig sinnlos und überflüssig. Gerade dies war aber der Anlaß, überhaupt eine Ausnahme von der Haftungsbefreiung vorzusehen. Schließlich darf aber auch nicht übersehen werden, daß die Einrichtung eines freiwilligen Werkverkehrs auch eine Fürsorgemaßnahme des Arbeitgebers gegenüber den bei ihm Beschäftigten ist (vgl. dazu die Ausführungen von Neumann-Duesberg aaO 11). Die Verkehrsteilnahme ist also hier eng in das Arbeitsverhältnis eingebunden, was dafür spricht, die Haftungsbefreiung des § 333 Abs. 1 ASVG hier nicht aufzuheben. Auch kann keineswegs gesagt werden, daß dem Arbeitgeber aus der Beförderung der Arbeitnehmer und aus der Haftpflicht keine finanziellen Aufwendungen erwachsen; abgesehen von den Kosten der Anschaffung der Werksomnibusse treffen den Arbeitgeber auch alle Betriebskosten, die Kraftfahrzeugsteuer und auch die Kosten der Haftpflichtversicherung.
Die von der Lehre vorgebrachten Argumente erscheinen daher nicht so durchschlagend, um von der ständigen Rechtsprechung abzugehen.
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