OGH 4Ob50/66

OGH4Ob50/664.10.1966

SZ 39/158

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1)
HGB §105
HGB §124
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1)
HGB §105
HGB §124

 

Spruch:

Wenn einzelne Gesellschafter einer Personengesellschaft gegen einen Angestellten der Gesellschaft Ansprüche aus dem Dienstverhältnis geltend machen, sind sie "Unternehmer" i. S. des § 1 (1) ArbGerG.

Entscheidung vom 4. Oktober 1966, 4 Ob 50/66

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz

Text

Unbestritten blieb, daß die Kläger und der Zweitbeklagte Gesellschafter des Handelsunternehmens Möbelparadies U. & Co. Kommanditgesellschaft in G. sind. Die Erstklägerin und der Zweitbeklagte sind Komplementäre, der Zweitbeklagte und die Drittklägerin Kommanditisten. Die Erstbeklagte ist Angestellte des Unternehmens.

In der am 29. April 1966 eingebrachten Klage begehren die Kläger 1. den beiden Beklagten gegenüber festzustellen, daß der von der Fa. Möbelparadies U. & Co. als Dienstgeberin durch den Zweitbeklagten als einzelvertretungsbefugten Komplementär mit der Erstbeklagten als Dienstnehmerin abgeschlossene Dienstvertrag vom 30. April 1964 rechtsunwirksam sei, dies insbesondere hinsichtlich des der Dienstgeberin auferlegten 15jährigen Kündigungsverzichtes und der Beschränkung des Entlassungsrechtes; 2. den Zweitbeklagten schuldig zu erkennen, jeden Widerspruch gegen eine von der Gesellschaft vorgenommene Kündigung oder Entlassung der Erstbeklagten sowie jede Verlängerung des Dienstverhältnisses derselben oder eine Wiederaufnahme der Erstbeklagten in die Dienste des Unternehmens zu unterlassen.

Zur Begründung ihres Begehrens führen die Kläger an, der Zweitbeklagte Dr. Gottfried R. habe mit der Erstbeklagten ein ehebrecherisches Verhältnis begonnen und mit ihr nach seiner Ehescheidung von der Erstklägerin namens des Unternehmens einen Dienstvertrag abgeschlossen, in dem bestimmt werde, daß die Gesellschaft 15 Jahre lang auf ihr Kündigungsrecht verzichte und die Dienstnehmerin nur mit Zustimmung aller Gesellschafter entlassen werden könne. Dieser Dienstvertrag sei gegen den Widerspruch der Kläger geschlossen worden. Die Erstbeklagte bestehe auf der Fortsetzung des Dienstverhältnisses.

Die Beklagten wendeten sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes mit der Begründung ein, die Kläger seien, da es sich nur um drei von vier Gesellschaftern handle, nicht als Unternehmer im Sinne des § 1 (1) ArbGerG. zu beurteilen. Außerdem wenden sie Mangel der aktiven Klagslegitimation ein.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes zurück. Das Unternehmen einer Kommanditgesellschaft werde von den in ihr zusammengefaßten Gesellschaftern betrieben, weshalb der einzelne Gesellschafter nicht als Vertragspartner der Beschäftigten und daher auch nicht als Unternehmer im Sinn des § 1

(1) ArbGerG. angesehen werden könne. Da somit die sachliche Zuständigkeit hinsichtlich der Erstbeklagten nicht gegeben sei, liege auch, soweit das Begehren gegen den Zweitbeklagten gerichtet sei und wofür an sich die allerdings nicht ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes nach § 51 (1) Z. 6 JN. gegeben wäre, ein Zusammenhangsgerichtsstand im Sinne des § 1 (3) ArbGerG. nicht vor.

Dem von den Klägern gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und änderte ihn dahin ab, daß die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen werde. Es begrundete seine Entscheidung dahin, daß bei einer offenen Handelsgesellschaft nicht nur die Gesellschaft oder die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit, sondern auch die einzelnen Gesellschafter selbst Unternehmer seien, weil nach der Konstruktion der offenen Handelsgesellschaft diese zwar relativ parteifähig (§ 124 HGB.) sei, aber keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze und die Gesellschafter nicht nur Organe der Gesellschaft, sondern selbst Inhaber des gesellschaftlichen Unternehmens und Träger des Gesellschaftsvermögens seien, die für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft primär, unmittelbar und solidarisch hafteten. Bei einer Kommanditgesellschaft komme die Eigenschaft des Dienstgebers auch den Komplementären zu, da diese zur Eingehung und Auflösung von Dienstverhältnissen berufen seien. Wohl könne eine solche Gesellschaft klagen und beklagt werden, materiellrechtlich könne sie aber nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Das Arbeitsgericht sei daher für die Klage gegen die Erstbeklagte sachlich zuständig. Daraus ergebe sich aber auch hinsichtlich der gegen den Zweitbeklagten erhobenen Ansprüche die Zuständigkeit im Sinn des § 1

(3) ArbGerG.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht glaubte seine zurückweisende Entscheidung auf die in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 8. Jänner 1952, SZ. XXV 7, und vom 13. November 1957, Arb. 6750, zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung stützen zu können. Nun hatten in den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen die Kläger nur die Gesellschaft geklagt, die ihren Sitz nicht im Bezirk des angerufenen Arbeitsgerichtes hatte. Sie beriefen sich zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit aber darauf, daß ein Gesellschafter in diesem Bezirk seinen Wohnsitz hatte. Gegen diesen war aber die Klage nicht gerichtet, sodaß der im § 3 ArbGerG. vorgesehene Anknüpfungspunkt, nämlich der Wohnsitz des Unternehmers, nicht herangezogen werden konnte. Dementsprechend führte der Oberste Gerichtshof auch aus, daß dann, wenn nur die Gesellschaft und nicht zugleich auch der Gesellschafter geklagt wird, der Wohnsitz des einzelnen Gesellschafters für die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes außer Betracht zu bleiben habe, daß also der einzelne Gesellschafter nicht als Unternehmer im Sinn der örtlichen Zuständigkeitsbestimmungen des § 3 ArbGerG. anzusehen sei. Nur für den Bereich der örtlichen Zuständigkeit kann also der nicht zugleich mit der Gesellschaft geklagte Einzelgesellschafter nicht als Unternehmer herangezogen werden.

Diese Rechtsmeinung kann aber nicht auf die Fälle ausgedehnt werden, wo einzelne Gesellschafter als Prozeßpartei auftreten und gegen einen Angestellten der Gesellschaft Ansprüche aus diesem Dienstverhältnis erheben, andernfalls müßte dann, wenn ein Dienstnehmer einen nach § 128 HGB. persönlich und primär haftenden Gesellschafter wegen einer gegen die Gesellschaft bestehenden Lohnforderung in Anspruch nimmt, die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit hiefür verweigert werden. Daß in einem derartigen Fall die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gegeben wäre, geben auch die Beklagten zu. Ihren weiteren Ausführungen, wonach diese Frage anders zu behandeln wäre, wenn die Gesellschafter nicht als Beklagte, sondern als Kläger auftreten, kann aber nicht beigetreten werden. Sie finden im Gesetz keine Stütze.

Folgt man diesen Erwägungen, dann kann den einzelnen Gesellschaftern nicht die Eigenschaft als Unternehmer im Sinn des § 1 (1) ArbGerG. abgesprochen werden. Gegenstand der Klage ist ein Rechtsstreit aus dem Dienstverhältnis. Die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nach § 1 (1) ArbGerG. ist daher, soweit die Klage gegen die Erstbeklagte gerichtet ist, gegeben. Damit ist aber auch hinsichtlich des Zweitbeklagten die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nach § 1 (3) ArbGerG. begrundet.

Mit der Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ist allerdings noch nicht über die materiellrechtliche Frage der Aktivlegitimation der Kläger, die von der Revision angeschnitten wird, abgesprochen; über sie wird das Erstgericht im Zug des weiteren Verfahrens zu entscheiden haben.

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