OGH 4Ob4/99p

OGH4Ob4/99p23.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Pimmer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Amalia K*****, vertreten durch Dr. Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagten Parteien 1. Marlene G*****, 2. Martin G*****, beide vertreten durch Mag. Günther Reiffenstuhl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 1. Oktober 1998, GZ 21 R 429/98f-11, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 29. April 1998, GZ 4 C 87/98t-7, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Räumung einer Wohnung. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29. 4. 1998 anerkannten die Beklagten das Räumungsbegehren "mit Stichtag 28. 2. 1998" unter Aufrechterhaltung des Einwandes, daß sie schon am 31. 12. 1997 von der Klägerin eigenmächtig delogiert worden seien und daher seit damals die Wohnung nicht mehr benützt hätten (S 47). Hierauf beantragte die Klägerin die Fällung eines Anerkenntnisurteils und verzeichnete Kosten. Das Erstgericht verkündete sodann in Anwesenheit beider Parteien ein Anerkenntnisurteil, mit welchem es die Beklagte zur Räumung und Kostentragung verpflichtete; die ziffernmäßige Bestimmung der Kosten behielt es der Urteilsausfertigung vor. Keine der Parteien begehrte die Zustellung einer Urteilsausfertigung.

Das Erstgericht fertigte das Anerkenntnisurteil in der Folge aus und stellte es den Parteien zugleich mit einer Protokollabschrift am 19. 8. 1998 zu.

In ihrem am 2. 9. 1998 überreichten Schriftsatz erstatteten die Beklagten Berufungsanmeldung, führten die Berufung aus und erhoben zugleich - hilfsweise - Rekurs gegen die Kostenbestimmung.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück und sprach aus, daß der Rekurs zulässig sei. Dem Kostenrekurs gab es nicht Folge. Es vertrat die Auffassung, ein in Anwesenheit der Parteien verkündetes Anerkenntnisurteil werde mit Verkündung wirksam, die Frist zur Anmeldung der Berufung habe daher bereits am 29. 4. 1998 begonnen, die Berufung sei verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Zurückweisungsbeschluß gerichtete Rekurs der Beklagten ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig und berechtigt.

Das Erstgericht hat im vorliegenden Fall zwar das Anerkenntnisurteil in Anwesenheit beider Parteien verkündet und die Beklagte zur Räumung sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens verpflichtet, es hat die ziffernmäßige Bestimmung der Kosten jedoch der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten. Der Oberste Gerichtshof hat zu 3 Ob 23/76 in Übereinstimmung mit der Lehre (Fasching III 872) bereits ausgesprochen, daß ein Anerkenntnisurteil dann erst mit Zustellung wirksam wird, wenn die Verkündung der Kostenbestimmung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten wurde. Er hat diese Rechtsansicht auch seiner Entscheidung zu 2 Ob 507/96 zugrunde gelegt. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung aus den von Fasching (aaO 872) angeführten Gründen: Da der Richter, sofern das Urteil in Gegenwart beider Parteien mündlich verkündet wurde und die Parteien keine Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung beantragt haben, keine entsprechende Ausfertigung zu verfassen hat, muß der nach dem Gesetz sofort wirksame mündlich verkündete Urteilsspruch so vollständig sein, daß sich eine Urteilsergänzung nicht mehr als erforderlich erweist. Das mündlich verkündete Urteil muß daher - um bereits mit Verkündigung wirksam zu werden und den Beginn der Rechtsmittelfrist auszulösen - nicht nur die Kostenersatzpflicht festlegen, sondern die Prozeßkosten bereits ziffernmäßig genau bestimmen. Wird daher die ziffernmäßige Bestimmung des Kostenbetrages der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten, so wird das davor verkündete Anerkenntnisurteil erst mit seiner Zustellung wirksam.

Ob - wie die Beklagten meinen - die durch die Wertgrenzennovelle 1997 vorgenommene Änderung des § 461 Abs 2 ZPO, wonach gegen ein in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündetes Urteil Berufung nur dann erhoben werden kann, wenn sie sofort nach Verkündung mündlich oder binnen 14 Tagen ab Zustellung der Protokollabschrift angemeldet wurde, auch einer sofortigen Wirksamkeit des verkündeten Anerkenntnisurteiles entgegenstehen könnte, braucht daher im vorliegenden Fall nicht beurteilt zu werden.

Da am 29. 4. 1998 keine vollständige Urteilsverkündung erfolgt war, wurde das Anerkenntnisurteil nicht schon damals den Parteien gegenüber im Sinn des § 416 Abs 3 ZPO wirksam. Die Wirksamkeit trat vielmehr erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung (also am 19. 8. 1998) ein. Von diesem Datum ausgehend war die Berufung der Beklagten aber rechtzeitig.

Dem Rekurs der beklagten Parteien wird deshalb Folge gegeben, der Zurückweisungsbeschluß aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der Beklagten an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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