OGH 4Ob49/99f

OGH4Ob49/99f27.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1,000.000 S), infolge außerordentlicher Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 17. Dezember 1998, GZ 4 R 153/98t-24, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. Mai 1998, GZ 33 Cg 28/97m-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 80.789 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 9.046,50 S USt und 26.510 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile erzeugen Küchen; die Klägerin vertreibt ihre Küchen unter der Marke E*****, die Beklagte unter der Marke D*****.

Die Beklagte warb in der Zeit zwischen dem 9. 9. 1996 und dem 14. 3. 1997 in Hörfunk und Fernsehen (ua) wie folgt:

"9 von 10 wünschen sich als nächste Küche wieder eine D*****".

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob sich tatsächlich 88 % der D*****-Küchen-Besitzer als nächste Küche wieder eine D*****-Küche wünschen. Es nahm aber als feststehend an, daß sich nicht 9 von 10 und auch nicht annähernd 9 von 10 Küchenbesitzern (Besitzer irgendeiner Küche) als nächste Küche eine D*****-Küche wünschen.

Die Beklagte beschloß im Februar 1997, den Werbespot nach dem 14. 3. 1997 nicht mehr zu verwenden. Es war geplant, in der Folge für die "Apfelbaumküchen" der Beklagten zu werben. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die spätere Geschäftsführerin der Beklagten nach Zustellung der Klage am 14. 3. 1997 vergeblich versucht hat, die Ausstrahlung des Werbespots zu verhindern. Nach dem 14. 3. 1997 hat die Beklagte den Werbespot nicht mehr verwendet.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr die unrichtige und zur Irreführung geeignete Behauptung "9 von 10 wünschen sich als nächste Küche wieder eine D*****" zu unterlassen. Die Klägerin stellt weiters ein Veröffentlichungsbegehren. Die Ankündigung werde als objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung verstanden. Die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptung treffe die Beklagte.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe vor Beginn der Werbekampagne eine demoskopische Umfrage in Auftrag gegeben und deren Ergebnis in der Werbung verwendet. Die Aussage sei aber jedenfalls nach den derzeit bestehenden Marktverhältnissen richtig. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Die Beklagte habe bereits vor Erhalt der Klage verfügt, daß der Werbespot nach dem 14. 3. 1997 nicht mehr verwendet werde. Die Beklagte bot der Klägerin an, einen gerichtlichen Vergleich über Punkt 1 des Klagebegehrens ohne Präjudiz für die Kostenentscheidung abzuschließen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Werbeslogan sei zur Irreführung geeignet. Nur das Wort "wieder" deute darauf hin, daß von D*****-Küchen-Besitzern die Rede sei. Der flüchtige Hörer gewinne den falschen Eindruck, 9 von 10 Kücheninteressenten wünschten sich eine D*****-Küche. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Die Beklagte hätte der Klägerin auch die Vergleichsveröffentlichung anbieten müssen. Dieses Versäumnis werde nicht dadurch aufgewogen, daß sich die Klägerin bereits vor Erhalt der Klage entschlossen habe, den Werbeslogan nach dem 14. 3. 1997 nicht mehr zu verwenden. Die Beklagte habe während des ganzen Verfahrens an ihrer Auffassung festgehalten, nicht wettbewerbswidrig gehandelt zu haben.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ob ein Vergleichsangebot die Wiederholungsgefahr beseitige, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beklagte habe zwar nicht die Vergleichsveröffentlichung angeboten; sie habe auch daran festgehalten, keinen Gesetzesverstoß begangen zu haben. Es sei aber äußerst unwahrscheinlich, daß die Beklagte den Slogan wieder verwenden werde. Die Beklagte habe schon vor Erhalt der Klage beschlossen, den Werbespot nach dem 14. 3. 1997 nicht mehr zu verwenden; sie habe sich daran auch gehalten. Im Provisorialverfahren sei die Wiederholungsgefahr zwar bejaht worden; damals sei aber noch nicht festgestanden, daß die Beklagte sich schon vor Erhalt der Klage entschlossen hatte, nach dem 14. 3. 1997 mit einem anderen Werbeslogan zu werben, und dies auch tatsächlich einhalten werde. Es sei auch noch kein Vergleichsangebot der Beklagten vorgelegen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspricht; die Revision ist auch berechtigt.

Die Klägerin verweist auf die ständige Rechtsprechung, wonach ein Vergleichsangebot des Beklagten die Vermutung der Wiederholungsgefahr in der Regel nur dann entkräftet, wenn es ein berechtigtes Veröffentlichungsbegehren mitberücksichtigt. Hat nämlich der Kläger nicht nur die Unterlassung der beanstandeten Handlung, sondern auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu Recht begehrt, so ist bei einem auf die Unterlassungsverpflichtung beschränkten Vergleichsangebot nicht auszuschließen, daß der Beklagte den Vergleich vor allem in der Absicht anbietet, die Durchsetzung des Klageanspruchs zu verhindern. In einem solchen Fall erhält der Kläger auch nicht all das, was er durch ein seinem Klagebegehren

stattgebendes Urteil hätte erlangen können (stRsp SZ 52/94 = ÖBl

1980, 7 - Das beste Kräutershampoo Österreichs; SZ 57/104 = JBl 1985, 44 = ÖBl 1984, 123 - Fertigpackungen; MR 1991, 70 [M. Walter] = ÖBl 1991, 134 - Stadtplan Innsbruck, jeweils mwN, uva).

Bietet der Beklagte dem Kläger den Abschluß eines vollstreckbaren Vergleichs an, der sowohl das Unterlassungsbegehren als auch das Veröffentlichungsbegehren umfaßt, so spielt es für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr regelmäßig keine Rolle, ob der Beklagte gleichzeitig auch den Rechtsstandpunkt des Klägers als richtig bezeichnet oder aber weiter daran festhält, nicht wettbewerbswidrig gehandelt zu haben (stRsp ÖBl 1985, 16 - Linzer Torte uva). Beschränkt sich das Vergleichsangebot aber nur auf das Unterlassungsbegehren und berücksichtigt es das Veröffentlichungsbegehren nicht, so kommt es entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Beklagten während des Verfahrens auf die von ihm behauptete Sinnesänderung schließen läßt.

Das Berufungsgericht hat zwar richtig erkannt, daß die Beklagte auch die Veröffentlichung des Vergleichs hätte anbieten müssen; es hat aber gemeint, daß die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr notwendige Sinnesänderung durch andere Umstände belegt sei. Die von ihm in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung SZ 52/94 = ÖBl 1980, 7 - Das beste Kräutershampoo Österreichs nennt als Beispielsfall für den Wegfall der Wiederholungsgefahr trotz unzureichenden Vergleichsangebots den Fall, daß das Veröffentlichungsbegehren des Klägers nach Lage der Dinge von vornherein aussichtslos ist.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte Monate hindurch in Hörfunk und Fernsehen mit dem beanstandeten Werbespot geworben, der keineswegs ein bloßes Werturteil ist, sondern die - überprüfbare - Tatsachenbehauptung enthält, daß sich "9 von 10 als nächste Küche wieder eine D*****" wünschen. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens trifft dies zumindest bei der angesichts der Mehrdeutigkeit der Werbebehauptung gebotenen ungünstigsten Auslegung (s ecolex 1993, 760 = ÖBl 1993, 161 = WBl 1994, 31 - Verhundertfachen Sie Ihr Geld mwN) nicht zu. Demnach ist sowohl das Unterlassungsbegehren als auch das Veröffentlichungsbegehren berechtigt. Der Klägerin muß ein berechtigtes Interesse daran zuerkannt werden, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, daß die von der Beklagten Monate hindurch aufgestellte werbewirksame Behauptung nicht den Tatsachen entspricht.

Als maßgebendes Indiz für die Sinnesänderung der Beklagten trotz unzureichenden Vergleichsangebots hat das Berufungsgericht die Tatsache gewertet, daß sich die Beklagte schon vor Erhalt der Klage entschlossen hat, den Werbespot nicht mehr zu verwenden, und daß sie an diesem Entschluß während des ganzen Verfahrens festgehalten hat. Dabei hat das Berufungsgericht übersehen, daß die Beklagte mit der weiteren Verwendung des Werbespots gegen die auf Antrag der Klägerin erlassene einstweilige Verfügung verstoßen hätte. Die Beklagte hat demnach zwar während des Verfahrens den Werbespot nicht mehr verwendet; sie hat damit aber nur das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung befolgt. Die Beklagte hat auch keinerlei Einsicht gezeigt, sondern sie hält auch noch in der Revisionsbeantwortung an ihrer - verfehlten - Auffassung fest, nicht wettbewerbswidrig gehandelt zu haben.

Als einziges Indiz für den Wegfall der Wiederholungsgefahr bleibt demnach, daß sich die Beklagte schon vor Erhalt der Klage entschlossen hatte, den Werbespot nach dem 14. 3. 1997 nicht mehr zu verwenden, weil sie danach für ihre "Apfelbaumküchen" werben wollte. Daß dies kein ausreichendes Anzeichen für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr sein kann, folgt schon daraus, daß es über eine Änderung der Willensrichtung der Beklagten nichts aussagt und keineswegs ausschließt, daß die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt wieder mit dem beanstandeten Slogan wirbt.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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