Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der klagende, für das Bundesland Oberösterreich registrierte Verein mit dem Sitz in Linz hat nach seinen Statuten insbesondere die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes zum Ziel; seine Mitglieder sind ausschließlich Gremien, Fachgruppen und Innungen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich. Die Beklagte betreibt österreichweit den Buchhandel; unter anderem unterhält sie auch eine Filiale in Linz, Landstraße 84. Sie hat mit rund 800.000 Personen ("Mitgliedern") Einzelverträge abgeschlossen, wonach sich diese Personen verpflichteten, bei ihr vierteljährlich eine Ware abzunehmen; für diese Personen hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff "Mitglieder" eingebürgert. Sie können nach den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes nach Vetragsabschluß zurücktreten; danach können sie ihre "Mitgliedschaft" erstmals zum Ende des ersten Jahres und sodann halbjährlich kündigen. Die Beklagte unterhält eine eigene, vierteljährlich erscheinende Mitgliederzeitschrift, in der sie für ihre Waren wirbt; darüber hinaus wirbt sie auch in Prospekten und Tageszeitungen.
Am Samstag, den 31. Jänner 1987 erschien auf Seite 5 der "O*** N***" im Textteil ein Inserat der Beklagten. Es zeigte unterhalb des kleingedruckten Hinweises "Das Buch zur Fernsehserie" das von der Beklagten verkaufte Buch "Anne auf Green Gables", darüber - in Fettdruck - das Wort "G***" und daneben den Hinweis "um nur S 98,-", wobei der Preis wesentlich größer gedruckt war und ins Auge fiel. Darunter war in großer Schrift die Bezeichnung "donauland" und - in kleineren Buchstaben - der Hinweis "In Ihrer Filiale oder bei Ihrem Betreuer" zu lesen.
Am Samstag, den 28. Februar 1987, erschien auf Seite 5 der "O*** N***" ein weiteres Inserat der Beklagten. Unter der fettgedruckten Überschrift "L***" war das von der Beklagten verkaufte Buch "Föhn über dem Enzianhof" abgebildet;
daneben fand sich der Hinweis "um nur S 105,-", wobei auch hier der Preis durch seine Größe hervorgehoben war und ins Auge fiel;
darunter standen in großen Buchstaben das Wort "donauland" und - in der nächsten Zeile - in kleinerer Schrift der Hinweis "In Ihrer Filiale oder bei Ihrem Betreuer".
Die Beklagte genießt in Österreich den höchsten Bekanntheitsgrad aller Buchklubs und Buchgemeinschaften. Nach einer Befragung eines repräsentativen Querschnittes der Bevölkerung im Jänner und Februar 1987 nennen 71 % der Österreicher auf die Frage, welche Buchklubs bzw. Buchgemeinschaften sie zumindest dem Namen nach kennen, die Beklagte; 89 % derjenigen, denen die Namen einiger Buchgemeinschaften genannt wurden, erklärten, daß ihnen die Beklagte bekannt sei.
Nach den von der Beklagten abgeschlossenen Verlagsverträgen ist sie verpflichtet, die in den Inseraten angeführten Bücher nur Mitgliedern zu verkaufen.
Am 13. März 1987 erschien Karl S*** in der Linzer Filiale der Beklagten und erklärte, daß er das Buch "Anne auf Green Gables" kaufen wolle. Er ist nicht "Mitglied" der Beklagten und gab dies auch der Verkäuferin an. Diese erklärte ihm, er könne als Nichtmitglied das Buch nicht kaufen; sie wies ihn aber darauf hin, daß er vorerst für ein Jahr "beitreten" und dann das Buch kaufen könne.
Mit der Behauptung, daß die erwähnten Inserate wettbewerbswidrig seien, weil sie den unrichtigen Eindruck erwecken, daß jedermann die angepriesenen Bücher um den genannten Preis erwerben könnte, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr, insbesondere beim Handel mit Büchern, zu unterlasssen, in Inseraten Bücher anzubieten, sofern diese Bücher nur an Mitglieder abgegeben würden und das Inserat keinen entsprechenden Hinweis enthalte; er verlangt überdies die Ermächtigung, das Urteil auf Kosten der Beklagten in einer Samstagausgabe der
"O*** N***" zu veröffentlichen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da jedermann wisse, daß die Angebote von Buchgemeinschaften nur von deren Mitgliedern in Anspruch genommen werden könnten, seien die Inserate nicht irreführend, enthielten sie doch keinen Hinweis darauf, daß die beworbenen Bücher auch ohne Mitgliedschaft bei der Beklagten erworben werden könnten. Keinesfalls werde ein Irrtum veranlaßt, der geeignet sie, den Kaufentschluß des angesprochenen Publikums zu beeinflussen; auch wenn sich ein Nichtmitglied, das eine Filiale der Beklagten in der Absicht betrete, eines der beworbenen Bücher zu kaufen, nach der Belehrung über die Bedingungen der Beklagten mit deren Angebot näher befasst, liege darin nichts Anstößiges.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und meinte rechtlich, daß die Beklagte weder gegen § 1 noch gegen § 2 UWG verstoßen habe. Im Hinblick auf den hohen Bekanntheitsgrad der Beklagten könne es keinem Zweifel unterliegen, daß der Durchschnittsbetrachter, auf den es hier ankomme, die beworbenen Bücher eindeutig als dem Angebot der Beklagten für ihre "Mitglieder" zugehörig erkennen werde. Schon die Begriffe "Buchgemeinschaft" oder "Buchklub" ließen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch klar erkennen, daß es sich dabei um eine Gemeinschaft mit Mitgliedern handle, wobei diese Gemeinschaft für ihre Mitglieder tätig sei, insbesondere für ihre Mitglieder besondere Waren zu besonderen Preisen verkaufe. Daß die Beklagte in Wahrheit Einzelverträge abschließe und die "Mitglieder" nur aus Gewohnheit so genannt würden, tue dem keinen Abbruch. Nur ein geringfügiger, nicht ins Gewicht fallender Teil der durch das Inserat angesprochenen Personen könnte der Meinung sein, die Bücher wären auch ohne "Mitgliedschaft" zu erwerben; das rechtfertige aber nicht den Unterlassungsanspruch nach § 2 UWG. Die Werbung der Beklagten verstoße aber auch nicht gegen die guten Sitten: Daß allenfalls Leser des Inserates bewegt würden, einen Vertrag mit der Beklagten zu schließen, also "Mitglied" zu werden, um in den Genuß des Warenangebotes zu kommen, könne nicht als sittenwidrig angesehen werden.
Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige. Wesentlich sei, daß sich die Inserate der Beklagten darauf beschränkt hätten, jeweils den Titel des angebotenen Buches, dessen Preis und die Bezeichnung "donauland" auffällig hervorgehoben zu nennen, während der Vermerk "In Ihrer Filiale oder bei Ihrem Betreuer" viel kleiner gedruckt sei; darauf, daß es sich beim Anbieter um eine Buchgemeinschaft handle und daß nur deren Mitglieder dieses Buch erwerben könnten, werde nicht hingewiesen. Aus den Feststellungen über den Bekanntheitsgrad der Beklagten lasse sich für dieh 8eantwortung der Frage wie weit die Bevölkerung mit den Gepflogenheiten bei Buchverkäufen durch Buchgemeinschaften vertraut ist, nichts ableiten. Die Beklagte habe weder darauf hingewiesen, daß es sich bei ihr um eine Buchgemeinschaft handle, noch darauf, daß das angebotene Buch nur an ihre Mitglieder verkauft werde; auch die Angabe, daß das Buch sowohl in der Filiale als auch beim Betreuer gekauft werden könne, lasse nicht erkennen, daß eine Mitgliedschaft erforderlich sei.vEs bestehe zwar keine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen; eine Aufklärungspflicht bestehe aber dann, wenn eine entsprechende Information des Geschäftsverkehrs nach den Umständen zu erwarten sei. Das sei vor allem dann der Fall, wenn einer bestimmten Tatsache nach der Verkehrsauffassung eine solche Bedeutung zukommen, daß ihre Nichterwähnung das Publikum irreführen könne, insbesondere, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck erweckt werde. Ein solcher Fall liege hier vor: Hier werde in besonders auffälliger Werbung ein besonders günstiges Angebot zum Erwerb eines Buches gemacht, ohne daß dabei erwähnt werde, daß die Bücher nur an Mitglieder abgegeben würden. Wer am Erwerb des Buches interessiert sei, nicht jedoch einer Buchgemeinschaft beitreten wolle, werde somit darüber in Irrtum geführt, daß für ihn dieses Angebot nicht gelte. Die Beklagte mache somit ein besonders günstiges Angebot, ohne die von ihr angebotene Ware den Interessenten tatsächlich zu den der Ankündigung zu entnehmenden Konditionen liefern zu können; ihr Angebot der Beklagten sei daher als unzulässiges Lockangebot zu beurteilen. Die durch die Werbung erweckte, mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmende Erwartung hänge mit dem Entschluß des Interessenten zusammen, sich mit dem Angebot zu befassen und die abgebotene Ware zu kaufen; da die unvollständige Angabe der Beklagten geeignet sei, den Kaufentschluß des angesprochenen Publikums zu beeinflussen, sei auch die von der Beklagten bestrittene Relevanz des Irrtums zu bejahen. Dem Kläger, dessen Aktivlegitimation als Interessenverband im Sinn des § 14 UWG unbestritten sei, stehe daher der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Auch die Voraussetzungen für die beantragte Urteilsveröffentlichung lägen vor; da der Wettbewerbsverstoß durch Anzeigen in einer Tageszeitung erfolgt sei, sei zur Aufklärung der angesprochenen Verkehrskreise die Veröffentlichung des Urteils auf die Art, in der die Anzeigen erschienen seien, notwendig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.
Der Kläger beantragte, der Revision nicht Folge zu geben. Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß ihre Inserate deshalb nicht zur Irreführung geeignet seien, weil sie allgemein als Buchgemeinschaft bekannt sei und jedermann wisse, daß eine Buchgemeinschaft Bücher nur an Mitglieder abgebe. Dem kann nicht gefolgt werden:
Rechtliche Beurteilung
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annehmen wollte, daß nur ein ganz geringer Teil des von der Werbung der Beklagten angesprochenen Publikums den Namen "donauland" nicht mit einer Buchgemeinschaft in Verbindung bringt, wäre für die Beklagte nichts gewonnen, weil daraus noch nicht auf die allgemeine Kenntnis geschlossen werden könnte, daß die Beklagte nur an Mitglieder verkauft. Gerade dadurch, daß die Beklagte in einer Tageszeitung geworben hat und eine größere Anzahl von Filialen unterhält, kann der Eindruck entstehen, daß sie sich nicht nur als Buchgemeinschaft betätigt, sondern daneben auch den allgemeinen Buchhandel betreibt. Daß ihr dies durch die jeweils abgeschlossenen Verlagsverträge verboten ist, kann nicht als dem Publikum bekannt vorausgesetzt werden. Dem Berufungsgericht ist daher darin zuzustimmen, daß die vom Kläger beanstandeten Inserate geeignet sind, den unrichtigen Eindruck hervorzurufen, jeder Interessent könne bei der Beklagten die in den Inseraten angebotenen Bücher zu dem dort angeführten Preis erwerben.
Richtig ist, daß zwischen dem Umstand, daß die durch die Inserate der Beklagten hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit ihrem Angebot zu befassen, nach ständiger Rechtsprechung ein Zusammenhang bestehen muß; der durch eine Ankündigung im Sinne des § 2 UWG hervorgerufene unrichtige Eindruck muß geeignet sein, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen. Eine Angabe verstößt infolge dessen nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie der Geschäftsverkehr als wesentlich ansieht und die durch sie erweckte, mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmende Erwartung mit dem Entschluß des Interessenten zusammenhängt, sich mit dem Angebot zu befassen, insbesondere die angebotene Ware zu kaufen; gerade der unrichtige Eindruck muß die Kauflust eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen (ÖBl. 1987, 18 mwN; MuR 1987, 181). Daß die im oben dargelegten Sinn verstandene Ankündigung der Beklagten, an jedermann bestimmte Bücher zu einem offenkundig günstigen Preis zu verkaufen, geeignet ist, auch bei solchen Personen, die nicht zu ihren Mitgliedern gehören, das Interesse am Kauf dieser Bücher zu erwecken, kann keinem Zweifel unterliegen; die beanstandete Werbeankündigung kann daher Interessenten dazu veranlassen, eine Filiale der Beklagten aufzusuchen, um dort ein solches Buch zu erwerben. Wenn sie dort erfahren, daß sie Mitglied der Beklagten werden müssen, um die gewünschte Ware zu erhalten, werden sich manche Kauflustige, die ohne die irreführende Werbung mit der Beklagten gar nicht in Verbindung getreten wären, dafür entscheiden, der Beklagten beizutreten. Die beanstandete Werbung ist demnach geeignet, die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise, "Mitglied" der Beklagten zu werden, zu deren Gunsten zu beeinflussen. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteiles.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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