OGH 4Ob410/85

OGH4Ob410/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** DER ÖSTERREICHISCHEN LEBENSMITTEL-INDUSTRIE, Wien 3., Zaunergasse 1-2, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, DDr. Hellwig Torggler, Dr. Christian Hauer, Dr. Lothar Wiltschek und Dr. Guido Kucsko, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Privatbrauerei Fritz EGGER, St. Pölten-Unterradlberg, Gambrinusstraße 2, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 16. Oktober 1985, GZ 1 R 201/85-9, womit der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 16.August 1985, GZ 5 Cg 109/85-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels endgültig, der Kläger die Kosten seiner Rekursbeantwortung ON 11, vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der klagende Schutzverband der österreichischen Lebensmittelindustrie bezweckt (ua) die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf den Gebieten des Lebensmittelrechtes, insbesondere auch durch Geltendmachung des Unterlassungsanspruches nach § 14 UWG; ihm gehören auch die vier größten Bierproduzenten Österreichs als Mitglieder an (Beilagen A, B, C).

Die beklagte OHG wirbt seit geraumer Zeit für das von ihr vertriebene EGGER-Bier massiv mit dem Schlagwort "Naturbräu" sowie mit dem sogenannten "Reinheitsgebot von 1516" (einer historischen deutschen Erzeugungsrichtlinie für Bier), aber auch mit dem Schlagwort, EGGER-Bier enthalte "nur Hopfen, Wasser und Malz und sonst nichts". In einer Aussendung vergleicht die Beklagte dieses "Reinheitsgebot" mit den Herstellungsrichtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches, nach welchen neben Hopfen, Wasser und Malz auch Reis, Mais, Hafer, Zuckercouleur, Ascorbinsäure und Enzyme verwendet werden dürfen. Für ein von ihr veranstaltetes Preisausschreiben wirbt sie mit der Behauptung, daß nur das EGGER-Bier nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebraut sei (Beilage D).

Erstmals am 11.3.1985 wurde im österreichischen Fernsehen ein Werbespot der Beklagten in der Dauer von 20 Sekunden mit folgender Handlung ausgestrahlt (Beilage E):

In einem Lokal serviert der Ober auf einem Tablett dem äußeren Anschein nach ein Krügel Bier ohne jede Markenbezeichnung. Als er gerade an einem Gast vorbeigeht, dreht sich dieser plötzlich zu ihm um, wobei durch den Zusammenstoß das Tablett mit dem Bier zu Boden fällt und das Geräusch zerbrechenden Glases zu hören ist. Als der Gast daraufhin erklärt: "Dieses Bier hätte ich sowieso nicht getrunken, das ist nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut", fragt ihn der Ober: "Ah, Sie wollen das Naturbräu?"; auf dem Bildschirm erscheint dabei das Bild eines gefüllten Bierkrügels mit der Aufschrift "EGGER-Bier, Unterradlberg". Der Gast sagt hierauf:

"Ja, nur Wasser, Hopfen und Malz und sonst nix", und der Ober antwortet: "Bitte sehr, ein EGGER, und ab heute nur mehr EGGER". Während sich der Ober wieder von dem Gast entfernt, begegnet ihm ein Piccolo, welcher gleichfalls auf einem Tablett ein volles Krügelglas Bier trägt. Als er dem Ober ausweichen will, stößt ihn dieser absichtlich mit dem rechten Oberarm in die Seite; das Tablett beginnt daraufhin zu schwanken, kann jedoch von dem Piccolo noch ausbalaciert werden. Die abschließende Bildserie zeigt zwei Bierflaschen und ein gefülltes Krügelglas, jeweils mit der Aufschrift "EGGER-Bier"; der dazugehörige Begleittext lautet:

"EGGER, das Naturbräu".

Der Kläger sieht in dieser Werbung vor allem einen Verstoß gegen § 1 UWG, weil damit nicht nur auf die Vorteile des eigenen Produktes hingewiesen, sondern die Erzeugnisse der Mitbewerber der Beklagten in unsachlicher Weise pauschal herabgesetzt und ohne zwingende Notwendigkeit der Lächerlichkeit preisgegeben würden. Der beanstandete Werbespot sei aber auch irreführend im Sinne des § 2 UWG, weil er dem Publikum einen in Wahrheit gar nicht vorliegenden Qualitätsunterschied der einzelnen Biermarken suggeriere. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt daher der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit EGGER-Bier auf die angebliche Minderwertigkeit nicht nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebrauter Biere hinzuweisen, insbesondere in einer Fernsehwerbung, in der Bedienungspersonal zweimal ein nicht nach diesem "Reinheitsgebot" gebrautes Bier zu Boden fallen läßt und dies mit den Worten: "Dieses Bier hätte ich sowieso nicht getrunken, das ist nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut" und "Ab heute nur mehr EGGER" kommentiert wird.

Die Beklagte stellt jeden Gesetzesverstoß in Abrede. Sie habe in dem beanstandeten Werbespot weder namentlich noch deutlich erkennbar Konkurrenzprodukte herabgesetzt oder lächerlich gemacht, sondern nur in humorvoller Weise eine subjektive Meinung wiedergegeben und sich dabei jeder Kritik an ihren Mitbewerbern enthalten. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag aus rechtlichen Erwägungen ab. Die dem klagenden Verband angehörenden, durch den Fernsehspot erkennbar mitbetroffenen Konkurrenten der Beklagten seien entgegen der Meinung der Klägerin keineswegs der Lächerlichkeit preisgegeben worden. Der beanstandeten Werbung könne auch nicht etwa die Aufforderung entnommen werden, alle nicht nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebrauten Biere wegzuschütten. Daß EGGER-Bier besser als alle anderen Biere sei, werde ebenfalls nicht behauptet. Gerade in einer Zeit, in der sich die Lebens- und Genußmittelindustrie in immer stärkerem Ausmaß chemischer Zusätze bediene, müsse einem Produzenten, der das nicht tut, zugestanden werden, in seiner Werbung auf diesen Umstand hinzuweisen. Da auch eine unsachliche und gehässige Tendenz der beanstandeten Werbung nicht zu erkennen sei, habe der Sicherungsantrag abgewiesen werden müssen.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit EGGER-Bier auf die angebliche Minderwertigkeit von nicht nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebrauten Bieren hinzuweisen, insbesondere in einer Fernsehwerbung, in der dem Bedienungspersonal ein Glas mit nicht nach diesem "Reinheitsgebot" gebrautem Bier zu Boden fällt und dies mit den Worten "Dieses Bier hätte ich sowieso nicht getrunken, das ist nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut" und "Ab heute nur mehr EGGER" kommentiert wird; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteigt. Nach Ansicht des Rekursgerichtes habe die Beklagte mit der beanstandeten Fernsehwerbung die Grenzen eines lauteren und sauberen Wettbewerbs überschritten: Obwohl der Kläger die Handlungen und Äußerungen der beteiligten Personen übertrieben dargestellt und von einem zweimaligen absichtlichen Fallenlassen des Konkurrenzproduktes gesprochen habe, enthalte doch auch der als bescheinigt angenommene Sachverhalt mit der Bemerkung des Gastes:

"Dieses Bier hätte ich sowieso nicht getrunken, das ist nicht nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut" und dem absichtlichen Stoß des Obers gegen den Piccolo nicht nur unterschwellig, sondern offen und eiprägsam erkennbare unsachliche Angriffe auf die Konkurrenzprodukte, welche dadurch - wenngleich auf vermeintlich humorvolle oder tolpatschige Weise - der Lächerlichkeit preisgegeben würden (werden sollten). Das Gegenargument der Beklagten, wonach es sich bei der mehrfach wiedergegebenen Äußerung des Gastes nur um dessen subjektiven Geschmacksausdruck und nicht um eine Verallgemeinerung oder um einen Warenvergleich handle, könne schon deshalb nicht ernst genommen werden, weil ja die gesamte Werbung für EGGER-Bier der Beklagten zuzurechnen sei und damit die Handlungen und Äußerungen aller Personen des Werbespots unter ihrer Verantwortung stünden. Auch wenn man nicht so weit gehen wolle wie der Kläger, welcher in der Äußerung des Gastes eine an die Zuschauer gerichtete Aufforderung sehe, sämtliche nicht nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebrauten Biere wegzuschütten oder sonst zu vernichten, enthalte diese Äußerung doch eine pauschale Abwertung der überwiegenden Mehrheit aller anderen, nicht nach diesem "Reinheitsgebot" erzeugten Biere, welche die - sonst allenfalls wahre und daher nicht irreführende - Werbung der Beklagten zu einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG mache. Dem Sicherungsantrag des Klägers sei deshalb in einer modifizierten, dem bescheinigten Sachverhalt angepaßten Fassung stattzugeben gewesen. Gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes. Der Kläger beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat den bescheinigten Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt; zur Vermeidung von Wiederholungen kann deshalb auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden. Was die Beklagte im Revisionsrekurs dagegen vorbringt, ist nicht stichhältig:

Daß es zum Wesen der Werbung gehört, "die Vorzüge des eigenen Produktes herauszustreichen und auf die Eigenschaften hinzuweisen, in denen es sich von den Konkurrenzprodukten unterscheidet", ist weder vom Kläger noch vom Rekursgericht in Zweifel gezogen worden; mit dem beanstandeten Werbespot hat aber die Beklagte die Grenzen einer solchen sachlichen Information des angesprochenen Publikums weit überschritten. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist der sogenannte "Systemvergleich" - bei welchem ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Mitbewerber und dessen Waren nur die Vorzüge und Nachteile bestimmter allgemeiner Herstellungs-, Einkaufs- oder Vertriebssysteme einander vergleichend gegenübergestellt und dargelegt werden, zwar grundsätzlich zulässig; er darf aber nicht dazu mißbraucht werden, um durch Hervorheben der Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer, zumindest erkennbarer Mitbewerber Werbung zu treiben. Nur eine Aufklärung, die sich im Rahmen der Sachlichkeit hält, jede unnötige Bloßstellung von Mitbewerbern vermeidet und frei von persönlichen Angriffen auf die Konkurrenz bleibt, ist zulässig (ÖBl.1974, 82 mit weiteren Nachweisen; ÖBl.1975, 108; ÖBl.1978, 146 ua). Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Hersteller einer nach einem bestimmten System erzeugten Ware die Erzeugnisse seiner Mitbewerber als minderwertig und rückständig bezeichnet und sie dadurch lächerlich macht (ÖBl.1981, 75 mit weiteren Nachweisen).

Gerade das ist aber hier der Fall: Wie schon das Rekursgericht richtig hervorgehoben hat, enthält der Werbespot der Beklagten einen deutlich erkennbaren, unsachlichen Angriff auf alle nicht nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebrauten Biere. In Verbindung mit den Äußerungen der beteiligten Personen ("Dieses Bier hätte ich sowieso nicht getrunken,...."; "Ab heute nur mehr EGGER") läßt vor allem der absichtliche Stoß des Obers gegen den Arm des Piccolos in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die aggressive Tendenz der beanstandeten Werbung und die mit ihr verbundene Absicht der Beklagten erkennen, die Erzeugnisse der Mitbewerber in einer jeder Nachprüfung durch die beteiligten Verkehrskreise entzogenen Art und Weise pauschal herabzusetzen. Eine solche Vorgangsweise ist aber nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl.1975, 146 mit weiteren Nachweisen; ÖBl.1980, 95 ua; ebenso Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 , 683 f § 1 dUWG RN 342) mit den Grundsätzen lauteren Wettbewerbs nicht zu vereinbaren. Soweit aber die Beklagte auch in dritter Instanz daran festhält, der in Rede stehende Werbespot enthalte keine objektive Wertung bestimmter Waren, sondern nur die subjekitve Vorliebe eines einzigen Wirtshausgastes für das nach dem "Reinheitsgebot von 1516" gebraute Bier, ist hier mit dem Rekursgericht zu erwidern, daß die Aufnahme solcher Handlungen oder Äußerungen "Dritter" in einen erkennbar der Werbung für ein bestimmtes Produkt dienenden Film von den angesprochenen Verkehrskreisen selbstverständlich nur im Sinne einer Identifizierung des Werbenden mit diesen Meinungskundgebungen und damit als eine ihm zurechenbare Wertung der entsprechenden Produkte angesehen werden kann. Was für die gegenteilige Auffassung der Beklagten mit dem Hinweis auf "Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht

S 554" (zu ergänzen: 13.Aufl. § 1 dUWG RN 155; ebenso in der

14. Aufl. 575 f) gewonnen sein soll, ist nicht recht verständlich; die dort behandelte Problematik des Erweckens sachfremder Kaufimpulse durch einen "Appell an das Unbewußte" (Wünsche, Triebe, Prestige) hat mit der hier zu beurteilenden, durch eine aggressive Bezugnahme auf die Mitbewerber gekennzeichneten Fernsehwerbung überhaupt nichts zu tun.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf §§ 40, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs2 EO, jene über die Kosten der Rekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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