OGH 4Ob40/73

OGH4Ob40/7315.5.1973

SZ 46/49

Normen

ABGB §1438
EO §293 Abs3
Unterhaltschutzgesetz §5
ABGB §1438
EO §293 Abs3
Unterhaltschutzgesetz §5

 

Spruch:

Durch § 5 USchG wird die Aufrechnung gegen einen nicht bloß fingierten, sondern vereinbarten, nicht unter der Höhe des ortsüblichen liegender Arbeitsentgeltanspruch auch dann, wenn Exekution zur Hereinbringung von Unterhaltsforderungen geführt wird, nicht unzulässig

Die Forderung nach Rückzahlung eines Lohnvorschusses ist durch die Bestimmungen des § 293 Abs. 3 EO begünstigt, weil sie zu den Forderungen gehört, zu deren Hereinbringung auch das sonst der Exekution entzogene und nicht abtretbare Existenzminimum angegriffen werden kann, wobei nur solche Rechte dritter Personen gewahrt bleiben müssen, die bereits zur Zeit der Vereinbarung über die Hereinbringung des Lohnvorschusses bestanden

OGH 15. Mai 1973, 4 Ob 40/73 (KG Wels 17 Cg 16/72; ArbG Bad Ischl Cr 43/72)

Text

Die klagende Partei wurde zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von 5166 S und des laufenden Unterhaltes von monatlich 700 S ab 1. März 1972 die Pfändung und Überweisung des Arbeitseinkommens des Verpflichteten, Herbert G, als Mechaniker der beklagten Partei bewilligt. Das Existenzminimum wurde nach § 6 LPfG mit 1480 S monatlich bestimmt. Das Zahlungsverbot wurde der beklagten Partei als Drittschuldnerin am 2. März 1972 zugestellt. Am selben Tag erhielt sie ein Schreiben der klagenden Partei, daß sie sich mit wöchentlichen Abzügen von 300 S zufriedengebe.

Die klagende Partei behauptete, daß die beklagte Partei auf Grund der Lohnpfändung vom März bis Juli 1972 insgesamt 5100 S hätte abziehen und an sie überweisen müssen. Tatsächlich seien aber nur insgesamt 1656 S bezahlt worden, so daß noch ein Betrag von 3444 S ausständig sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Begehrens auf Zahlung dieses Betrages, weil sie dem Verpflichteten Herbert G schon vor der Exekutionsbewilligung einen Gehaltsvorschuß von 20.000 S mit der Vereinbarung gewährt habe, daß der Vorschuß in monatlichen Raten von 2000 S vom Arbeitsverdienst des Verpflichteten abgezogen werde. Es hätte daher eine Überweisung von Arbeitsentgelt auf Grund der Pfändung an die klagende Partei nicht vorgenommen werden können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß Herbert G ab 1. Feber 1972 bei der beklagten Partei als Mechaniker mit einem Monatsnettolohn von 3273 S beschäftigt war. Im Feber 1972 habe er einen größeren Betrag zur Anschaffung einer Wohnungseinrichtung benötigt und daher die beklagte Partei um einen Lohnvorschuß von 20.000 S ersucht. Die beklagte Partei habe diesen Vorschuß gewährt. Hinsichtlich der Rückzahlung sei vereinbart worden, daß monatlich ein Betrag von 2000 S vom Lohn des Herbert G abgezogen werde; bis 5. Oktober 1972 seien auf diese Weise 14.000 S zurückgezahlt worden. Als Herbert G um den Lohnvorschuß ersucht habe, sei ihm bekannt gewesen, daß er an rückständigem Unterhalt 3400 S schulde. Die von der klagenden Partei erwirkte Exekutionsbewilligung sei dem Verpflichteten und der beklagten Partei als Drittschuldnerin am 2. März 1972 zugestellt worden. Die beklagte Partei habe in der Drittschuldneräußerung darauf hingewiesen, daß G einen Lohnvorschuß von 20.000 S erhalten habe, der durch Einbehaltung eines Betrages von 2000 S monatlich zurückgezahlt werde; sie sei bereit, nach Rückzahlung des Vorschusses ihren Zahlungsverpflichtungen als Drittschuldnerin nachzukommen.

Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß eine Aufrechnung der Rückzahlungsraten für den Gehaltsvorschuß mit dem Lohn des Verpflichteten nur bis zum Zeitpunkt der Pfändung des Arbeitseinkommens zulässig gewesen sei. Soweit die Forderung des Drittschuldners gegen den Verpflichteten bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen sei, könne der Drittschuldner mit dieser Forderung nicht mehr aufrechnen. Die Vereinbarung über den Lohnvorschuß und dessen Rückzahlung sei auch sittenwidrig gewesen, weil Herbert G zur Zeit des Abschlusses der Vereinbarung gewußt habe, daß ein größerer Unterhaltsrückstand bestehe. Da die beklagte Partei in der Lage gewesen wäre, vom Arbeitseinkommen des Verpflichteten den eingeklagten Betrag abzuziehen, sei dem Klagebegehren stattzugeben.

Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es ging davon aus, daß angenommen werden müsse, nach der Absicht der Parteien sei bereits bei Gewährung des Lohnvorschusses die Aufrechnung der monatlichen Rückzahlungsbeträge von 2000 S mit dem vom Verpflichteten verdienten Lohn vereinbart worden, so daß nicht erst nach Fälligkeit der einzelnen Beträge eine Aufrechnungserklärung des Dienstgebers erforderlich sein sollte. Da die klagende Partei gegen die beklagte Partei nicht eine Unterhaltsforderung, sondern eine Lohnforderung des Verpflichteten Herbert G geltend mache, müsse auch im vorliegenden Fall der Grundsatz gelten, daß der Drittschuldner dem betreibenden Gläubiger alle Einwendungen entgegensetzen könne, die er gegen den Verpflichteten hätte. Die beklagte Partei könne daher der klagenden Partei gegenüber die bereits vor der Pfändung der Lohnforderung des Herbert G mit diesem getroffene Rückzahlungsvereinbarung wirksam geltend machen. Da nicht einmal behauptet worden sei, daß auch die beklagte Partei zur Zeit der Vereinbarung über die Rückzahlung des Lohnvorschusses vom Bestand der Unterhaltsschuld des Herbert G gewußt habe oder daß gar die Vereinbarung zu dem Zweck geschlossen worden sei, die Unterhaltsberechtigten zu benachteiligen, könne der beklagten Partei auch nicht eine Ungültigkeit dieser Vereinbarung entgegengehalten werden. Da unter Berücksichtigung dieser Vereinbarung die beklagte Partei keine Abzüge vom Lohn des Herbert G zugunsten der klagenden Partei vorzunehmen gehabt habe, sei das Klagebegehren abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entscheidend ist, ob die Ansicht richtig ist, daß sich die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei auf die Vereinbarung mit dem Verpflichteten über die Rückzahlung des gewährten Lohnvorschusses berufen kann. Dazu macht die Revision im wesentlichen geltend, daß generelle Kompensationsvereinbarungen bei Gewährung von Gehaltsvorschüssen einem betreibenden Gläubiger nach der Pfandung der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, nicht mehr entgegengehalten werden können. Diese Auffassung wurde allerdings in der älteren Rechtsprechung vertreten. Nunmehr ist aber Lehre und Rechtsprechung der Auffassung, daß gegen eine gepfändete Forderung eine Gegenforderung aufgerechnet werden kann, wenn diese bereits zur Zeit der Zustellung des Zahlungsverbotes bestand und aufrechenbar war. Maßgebend für diese Auffassung ist die Erwägung, daß der Drittschuldner gegenüber einem Überweisungsgläubiger dieselben Einwendungsmöglichkeiten haben muß, die er gegenüber dem Verpflichteten hätte. Die Überweisung einer Forderung im Exekutionswege unterscheidet sich von einer vertraglichen Abtretung nur durch den Rechtsgrund, nicht aber in der Wirkung (Gschnitzer - Klang[2]IV, 512f., Heller - Berger - Stix Komm. EO[4], 2084, EvBl. 1969/165, SZ 42/14). In der Entscheidung SZ 42/14 wird hervorgehoben, daß die Entscheidung ArbSlg. 6.288 auf dem Rechtssatz aufgebaut gewesen sei, die Wirkungen der Aufrechnung - träten nicht von selbst, ohne Geltendmachung durch die sich gegenüberstehenden Personen, ein; die Sachlage sei aber anders, wenn die Aufrechnung schon (vor der Pfändung der Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll) geltend gemacht worden sei. Dies trifft im vorliegenden Fall zu, weil ausdrücklich festgestellt wurde, daß nach der Absicht der Parteien bei der Vereinbarung über die Gewährung und Rückzahlung des Lohnvorschusses davon ausgegangen werden müsse, daß bereits damit die Aufrechnung der Forderung des Dienstgebers auf einen monatlichen Betrag von 2000 S mit der jeweiligen Lohnforderung des Dienstnehmers geltend gemacht worden sei und nicht erforderlich sein sollte, daß zu den einzelnen Fälligkeitsterminen neuerlich eine Aufrechnungserklärung durch den Dienstgeber abgegeben werde.

Dem Gläubiger der gepfändeten Forderung können aber auch solche Gegenforderungen entgegengesetzt werden, die dem Drittschuldner zwar schon vor der Begründung des Pfandrechtes zustanden, aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig wurden. Wesentlich ist das Bestehen der Gegenforderung im Zeitpunkt der Pfändung der Forderung, nicht aber, wann die Gegenforderung fällig wurde (Gschnitzer - Klang[2] VI, 513, 6 Ob 381/66, vgl. auch ÖRZ 1961, 103). Aus welchem Grund dem Dienstgeber die Gegenforderung zustand, ist grundsätzlich nicht entscheidend. Die dargelegten Grundsätze müssen daher auch für den Fall gelten, daß der Dienstgeber eine Gegenforderung deswegen hat, weil der Dienstnehmer zur Rückzahlung eines gewährten Lohnvorschusses verpflichtet ist. Im übrigen hat das Berufungsgericht schon darauf verwiesen, daß die Forderung nach Rückzahlung eines Lohnvorschusses durch die Bestimmung des § 293 Abs. 3 EO begünstigt erscheint, weil sie zu den Forderungen gehört, zu deren Hereinbringung auch das sonst der Exekution entzogene und nicht abtretbare Existenzminimum angegriffen werden kann, wobei nur solche Rechte dritter Personen gewahrt bleiben müssen, die bereits zur Zeit der Vereinbarung über die Hereinbringung des Lohnvorschusses bestanden (vgl. RV zur E-Novelle 1922 bei Kropiunig ÖJZ 1967, 543). Dies schließt allerdings nicht aus, daß die zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer getroffene Vereinbarung im Einzelfall wegen eines Verstoßes gegen § 879 ABGB, einem Gläubiger gegenüber unwirksam sein kann; ohne Feststellung von dafür maßgeblichen Tatumständen im Einzelfall kann aber eine Ungültigkeit einer solchen Vereinbarung nicht angenommen werden. Im vorliegenden Fall wurde eine Ungültigkeit der Vereinbarung vom Berufungsgericht mit Recht verneint, weil weder behauptet noch festgestellt wurde, daß auch der Dienstgeber zur Zeit der Vereinbarung mit dem Verpflichteten von dessen Unterhaltsschuld wußte.

Auch der Umstand, daß die klagende Partei zur Hereinbringung einer Unterhaltsforderung Exekution führte, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes. Der beklagten Partei als Drittschuldnerin gegenüber macht die klagende Partei nicht eine Unterhaltsforderung, sondern die ihr zur Hereinbringung ihrer Unterhaltsforderung überwiesene Lohnforderung des Dienstnehmers gegenüber der beklagten Partei geltend. Zum Hinweis auf § 3 UschG in der Entscheidung ArbSlg. 6.097 ist zu berücksichtigen, daß diese Bestimmung (jetzt § 5 UschG 1960, BGBl. 59) die Berufung auf eine Vorauszahlung des Entgeltes oder eine Aufrechnung von bestehenden Gegenforderungen nur dann ausschließt, wenn das Arbeitsentgelt gepfändet wird, das bei Dienstleistungen gegenüber den dort angeführten Personen fingiert wird, weil tatsächlich kein oder nur ein so geringes Entgelt vereinbart wurde, daß dieses unter dem ortsüblichen Entgelt liegt. Ein Verbot der Aufrechnung von Gegenforderungen mit einem tatsächlich vereinbarten Arbeitsentgelt, dessen Höhe nicht unter dem ortsüblichen Entgelt liegt, besteht auch dann nicht, wenn die Exekution zur Hereinbringung von Unterhaltsforderungen geführt wird. Kropiunig (ÖJZ 1967, 545) wollte daraus sogar ableiten, daß auch bei einem fingierten Arbeitseinkommen trotz der Bestimmung des § 5 USchG die Aufrechnung zulässig sei, Heller - Berger - Stix Komm. verweisen demgegenüber mit Recht auf den eindeutigen Inhalt der gesetzlichen Bestimmung, heben aber deren geringe Anwendungsmöglichkeit hervor. Für den vorliegenden Fall ist aber wesentlich, daß die Aufrechnung gegen ein vereinbartes und nicht bloß fingiertes Arbeitsentgelt auch dann für zulässig erachtet wird, wenn die Gegenforderung zur Zeit der Pfändung des Arbeitseinkommens schon bestand, aber noch nicht fällig war. Dadurch ergibt sich im vorliegenden Fall, daß für die Klägerin in der Zeit, auf die sich die Drittschuldnerklage bezieht (17 Wochen vom März bis Juli 1972), kein pfändbares Arbeitseinkommen des Verpflichteten verblieb, weil von dessen Einkommen von 3273 S netto ein Betrag von 2000 S für die dem Dienstgeber zustehende Gegenforderung, hinsichtlich deren bereit vor der Pfändung die Aufrechnung vereinbart war, abzuziehen war, sodaß nur noch ein Betrag von 1273 S verblieb. Dieser erreichte nicht die Höhe des dem Verpflichteten nach Inhalt der Exekutionsbewilligung zu belassenden Arbeitseinkommens.

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