Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 20. 7. 1996 geborene Minderjährige ist eheliches Kind von Maria und Engelbert P*****. Die eheliche Lebensgemeinschaft seiner Eltern ist seit Mitte August 2002 aufgehoben. Beide Elternteile beantragten, ihnen die alleinige Obsorge zu übertragen; das Verfahren über die Obsorgerechtsanträge ist noch anhängig. Am 5. 9. 2002 vereinbarten die Eltern mit danach pflegschaftsgerichtlich genehmigtem Vergleich, dass sich das Kind für die Dauer des Obsorgezuteilungsverfahrens von Freitag 15.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr beim Vater und in der übrigen Zeit bei der Mutter aufhalten soll. Beide Eltern erklärten sich damit einverstanden, dass das Kind mit Rücksicht auf die Übersiedlung der Mutter in eine Wohnung am Pöstlingberg in die Volksschule Pöstlingberg eintritt und dort vorläufig zur Schule geht.
Im August 2002 hatte die Mutter in Vertretung des Kindes beantragt, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltszahlung für August 2002 von restlich 180 EUR und ab 1. September 2002 zu monatlich 280 EUR zu verpflichten. Im Oktober 2002 beantragte sie vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO in Höhe von monatlich 104,50 EUR. Das Bezirksgericht Linz verpflichtete den Vater diesem Antrag entsprechend zu einer vorläufigen Unterhaltsleistung ab 23. 10. 2002 (Beschluss vom 28. 10. 2002). Ein Unterhaltsbemessungsverfahren sei anhängig, Unterhaltsschuldner sei der Vater, somit jener Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht betreut werde. Ein Unterhaltstitel bestehe nicht und der Vater erbringe keine ausreichende Leistung. Dem vom Vater gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs gab das Landesgericht Linz als Rekursgericht nicht Folge. Aufgrund der zwischen den Eltern geschlossenen Vereinbarung sei die Mutter als überwiegend betreuender Elternteil anzusehen, sie erbringe Betreuungsleistungen von rund 70 %, der Vater nur etwa zu rund 30 %. Diese Entscheidung blieb, obgleich das Landesgericht Linz den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärt hatte, unangefochten.
Im November 2002 beantragte der Vater seinerseits in Vertretung des Kindes die Festsetzung der Unterhaltspflicht der Mutter mit 200 EUR monatlich ab 1. 11. 2001 und - ab demselben Zeitpunkt - die Verpflichtung der Mutter zur Leistung vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO in Höhe des Grundbetrags der Familienbeihilfe von 105,40 EUR monatlich. Das Kind werde vom Vater von Freitag 15.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr betreut, der Vater habe auch die volle Obsorge inne. Damit leiste die Mutter ihre Unterhaltsverpflichtung nicht zur Gänze durch Pflege und Erziehung, sie sei daher auch geldunterhaltspflichtig. Sie verdiene etwa 1.000 EUR 14 x jährlich.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zu einer vorläufigen Unterhaltszahlung ab 5. 11. 2002 von EUR 70; das Mehrbegehren des Vaters wies es ab. Das Kind werde überwiegend, nämlich zu etwa zwei Dritteln, von der Mutter betreut, diese sei daher mit einem Drittel geldunterhaltspflichtig. Daraus ergebe sich ein Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Mutter von maximal 70 EUR zusätzlich zur erbrachten Betreuungsleistung.
Das Rekursgericht wies den Antrag des Kindes, die Mutter zur vorläufigen Unterhaltszahlung zu verpflichten, zur Gänze ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob ein Elternteil, der überwiegend betreue, zu vorläufigen Unterhaltsbeiträgen nach § 382a EO verpflichtet werden könne. Der Antrag eines Minderjährigen auf Gewährung vorläufigen Unterhalts durch einen Elternteil, in dessen Haushalt der Minderjährige nicht betreut werde, sei zu bewilligen, wenn der Elternteil dem Kind nicht bereits aus einem vollstreckbaren Unterhaltstitels zum Unterhalt verpflichtet sei und ein Verfahren zur Bemessung des Unterhalts gegen den Elternteil anhängig sei oder zugleich anhängig gemacht werde. § 382a EO solle minderjährigen Kindern, von denen in den meisten Fällen anzunehmen sei, dass sie vermögenslos und einkommenslos und daher auf den gesetzlichen Unterhalt zur Sicherung ihrer materiellen Existenz angewiesen seien, ein vereinfachtes Verfahren zur raschen Erledigung eines gewissen, an die Familienbeihilfe gekoppelten Mindestbetrags ermöglichen. Sinn dieser Bestimmung sei es demnach, der Existenzgefährdung von auf Unterhaltszahlungen angewiesenen minderjährigen Kindern entgegenzuwirken. Die durch § 382a EO ermöglichte rasche Vorgangsweise gegen den Unterhaltsschuldner habe nicht den Zweck, diesen zu pönalisieren, sondern die finanzielle Existenzgrundlage für das Kind zu sichern. Aus dem Vorbringen des Vaters in seinem Antragsschriftsatz ergebe sich eine Betreuungsleistung der Mutter im Verhältnis von 70 : 30 in Relation zur Betreuungsleistung des Vaters und damit eine überwiegende Betreuungsleistung der Mutter. Im Hinblick auf die erforderliche finanzielle Grundsicherung sei die vorangegangene Entscheidung (die dem Vater eine vorläufige Unterhaltsleistung auferlegt hatte) davon ausgegangen, dass auch bei einer untergeordneten - wenn auch über das durchschnittliche Besuchsrecht hinausgehenden - Betreuung des Kindes durch den Unterhaltsschuldner ein vorläufiger Unterhaltsbeitrag zulässig sei. Befinde sich ein Kind aber von Sonntag 18.00 Uhr bis Freitag 15.00 Uhr durchgehend in der Betreuung der Mutter, könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Kind im Haushalt der Mutter nicht betreut würde. Im Übrigen hätten die Eltern zumindest für die Dauer des Obsorgeverfahrens eine Vereinbarung getroffen, nach der der Haushalt der Mutter im Sinn des § 177 Abs 2 ABGB als Heim erster Ordnung festgesetzt wurde. Zu dieser, durch das KindRÄG 2001 novellierten Gesetzesstelle werde in den Erläuterungen ausgeführt, dass der den Haushalt des hauptsächlichen Aufenthalts führende Elternteil weiterhin als derjenige anzusehen sei, der seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes im Sinn des § 140 Abs 2 ABGB erfülle. Aus diesen Erwägungen komme eine Verpflichtung der überwiegend betreuenden Mutter zur Leistung vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO nicht in Betracht. Auf eine allfällige Geldunterhaltspflicht im Hauptverfahren habe diese Entscheidung jedoch keinen Einfluss.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Kindes vertreten durch den Vater ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, die in § 382a EO geregelte finanzielle Grundsicherung des Kindes sei auch für jenen Zeitraum sicherzustellen, in dem das Kind nicht von der Mutter betreut werde, hier seien dies etwa 2/7 der Woche. Die Entscheidung des Rekursgerichts widerspreche dem Grundsatz gleicher Verpflichtungen und Rechte der Eltern. Es sei nicht im Sinn des Gesetzes, einem Elternteil (hier dem Vater) 100 % des Geldunterhalts und 30 % des Naturalunterhalts für Pflege, Betreuung und Erziehung, dem anderen Elternteil aber nur 70 % des Betreuungsunterhalts leisten zu lassen.
Dem ist zu entgegnen:
Das Rekursgericht hat zutreffend auf den Zweck des § 382a EO hingewiesen, der darin besteht, minderjährigen Kindern, von denen in den meisten Fällen anzunehmen ist, dass sie vermögenslos und einkommenslos und daher auf den gesetzlichen Unterhalt zur Sicherung ihrer materiellen Existenz angewiesen sind, ein vereinfachtes Verfahren zur raschen Erledigung eines gewissen, an die Familienbeihilfe gekoppelten Mindestbetrags zu ermöglichen. Um die gewünschte Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen, ordnet § 382a Abs 4 EO an, dass das Vorbringen des Minderjährigen zu den Antragsvoraussetzungen als bescheinigt anzusehen ist. Das gilt insbesondere für seine Unterhaltsberechtigung und die für die Bewilligung vorläufigen Unterhalts erforderliche Unterhaltsverletzung (soweit sich aus den Pflegschaftsakten nichts anderes ergibt).
Vorläufiger Unterhalt kann nur gegenüber jenem Elternteil beansprucht werden, mit dem der Unterhaltsberechtigte nicht im gemeinsamen Haushalt lebt (Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner EO § 382a Rz 2 mwN). Daraus kann aber - wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst erkannte (2 Ob 293/03g) - nicht abgeleitet werden, dass bereits ein teilweises Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO ausschließt (2 Ob 293/03g), die Mutter hier daher keinesfalls verpflichtet werden könnte. Für die Zuerkennung vorläufigen Unterhalts ist jedoch entscheidend, ob nach den maßgeblichen Behauptungen des Minderjährigen der in Anspruch genommene Elternteil seine Unterhaltspflicht verletzt (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 837; E. Kodek in Angst EO § 382a Rz 7; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 382 EO Rz 2; 2 Ob 293/03g).
Im vorliegenden Fall kann - vom Inhalt des Pflegschaftsaktes und den Behauptungen des Antragstellers ausgehend - von einer Verletzung der Unterhaltspflicht der Mutter keine Rede sein. Die Eltern haben für die Dauer des Obsorgestreits vereinbart, dass sich das Kind von Freitag 15.00 Uhr bis Sonntag 18.00 beim Vater und in der übrigen Zeit bei der Mutter aufhalten und die im Sprengel des Wohnsitzes der Mutter gelegene Volksschule besuchen soll. Sie haben damit im Sinn des § 177 Abs 2 ABGB festgelegt, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten wird. Aus dieser Vereinbarung ergibt sich, dass sich das Kind etwa 70 % der Zeit in Betreuung der Mutter und etwa 30 % in jener des Vaters befindet. Unter Hinweis auf die Materialien zum KindRÄG 2001 (EB RV 296 BlgNR 21. GP, 66), wonach der den Haushalt des hauptsächlichen Aufenthalts führende Elternteil weiterhin als derjenige anzusehen ist, der seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes im Sinn des § 140 Abs 2 ABGB erfüllt, hat der Oberste Gerichtshof in seiner jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 293/03g erkannt, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind gemäß § 177 Abs 2 ABGB hauptsächlich aufhält, dadurch nach § 140 Abs 2 Satz 1 ABGB grundsätzlich seinen Unterhaltsbeitrag durch Betreuung des Kindes in seinem Haushalt leistet. Diese Auffassung wird aufrechterhalten. Im vorliegenden Fall leistet daher die Mutter ihren Unterhaltsbeitrag durch Betreuung des Kindes. Eine Unterhaltsverletzung ist nicht zu erkennen. Sie ist daher zur Leistung vorläufigen Unterhalts nicht verpflichtet.
Davon abgesehen wurde die vom Gesetzgeber angestrebte finanzielle Grundsicherung des Kindes für die Dauer des Unterhaltsbemessungsverfahrens bereits durch die vom Vater unbekämpft gelassene Vorentscheidung, die ihn zum vorläufigen Unterhalt im Umfang des § 382a EO verpflichtet hatte, erreicht. Der nunmehrige Antrag, auch die Mutter zum vorläufigen Unterhalt zu verpflichten, strebt in Wahrheit nicht die Grundsicherung des Kindes, sondern einen finanziellen Ausgleich der vom Vater erbrachten Betreuungsleistung an.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit sich die Unterhaltspflicht des "Nicht-Hauptaufenthaltselternteils" gegenüber dem Kind durch dessen Betreuung vermindert, gelten nach ständiger Rechtsprechung die gleichen Regeln wie für die Betreuung durch den nicht mit der Obsorge betrauten geldunterhaltspflichtigen Elternteil bei Ausübung des Besuchsrechts (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ §§ 177 bis 177b Rz 10 mwN). Danach ist bei der Reduzierung des Geldunterhalts nicht von den Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen auszugehen, sondern nur das zu berücksichtigen, was sich der andere Elternteil erspart (Hopf, Die Rechtsstellung des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nach dem KindRÄG 2001 in Hopf/Ferrari, Reform des Kindschaftsrechtes 78; RV 296 BlgNR 21. GP 66; 2 Ob 293/03g; 6 Ob 182/02m). Dieser vom Rechtsmittelwerber auch aus Gründen der Gleichbehandlung der Eltern angestrebte Ausgleich kann erst im Zusammenhang mit der Bemessung des Geldunterhaltsanspruches erfolgen.
Mangels Verletzung ihrer Unterhaltspflicht kann der Mutter, bei der sich das Kind aufgrund der im Sinn des § 177 Abs 2 ABGB getroffenen Vereinbarung hauptsächlich aufhält, nicht zur Leistung vorläufigen Unterhalts verpflichtet werden.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs des Kindes vertreten durch seinen Vater wird nicht Folge gegeben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)