Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses und die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses selbst zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Beklagte ist Inhaber eines Getränkehandelsunternehmens mit dem Standort in Wien. Er bringt u.a. ein von "Sailerbräu" in Marktoberdorf (BRD) erzeugtes alkoholfreies Hopfen- und Malzgetränk unter dem Markennamen "Weizenthaler" in Österreich in den Verkehr. Bereits Anfang März 1986 hatte der Beklagte dieses Produkt unter der Ankündigung als "spritzig-leichtes Schankbier" in Verkehr gebracht. Sowohl auf den Etiketten als auch in den Prospekten und auf Verpackungsmaterial wurde dieses Getränk als "Bier" bzw. "Schankbier" bezeichnet, allerdings jeweils mit dem auffällig hervorgehobenen Zusatz "A***".
Bier ist nach dem Österr. Lebensmittelbuch, 3.Auflage, Kapitel B 13 Abs 15, ein durch Gärung erzeugtes Getränk, wobei Alkohol ein wesentlicher Bestandteil ist. Schankbier ist Bier mit Stammwürze zwischen 10 und 12 Grad und einem durchschnittlichen Alkoholgehalt von 3,5 %.
Mit Schreiben vom 10.3.1986 machte der klagende Österr. Verband der Markenartikel-Industrie den Beklagten auf diese Bestimmung aufmerksam und forderte ihn auf, sein wettbewerbswidriges Verhalten zu unterlassen. Der Beklagte antwortete darauf, daß es sich bei der beanstandeten Flasche um eine Musterflasche handle, die für Einkäufer bestimmt sei, während die in den Handel gelangenden Flaschen so aussehen würden wie auf einem Musterkarton, den er allerdings der klagenden Partei trotz Aufforderung nie zukommen ließ. Der Beklagte verkaufte auch noch am 1.7.1986 das alkoholfreie Getränk "Weizenthaler" mit der weiteren Bezeichnung "spritzig-leichtes Schankbier" und mit dem auffällig hervorgehobenen Zusatz "A***".
Die klagende Partei beantragte zur Sicherung ihres mit der Klage geltend gemachten, gleichlautenden Unterlassungsanspruchs, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, beim Inverkehrbringen des alkoholfreien Getränks "Weizenthaler" jeglichen Hinweis auf Bier, insbes. den Hinweis "spritzig-leichtes Schankbier", zu unterlassen. Die Handlungsweise des Beklagten verstoße gegen §§ 1 und 2 UWG.
Der Beklagte sprach sich gegen den Sicherungsantrag aus, und zwar ausschließlich mit der Behauptung, auf dem Etikett stehe nicht "Schankbier", sondern "Hopfen- und Malzgetränk".
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es vertrat auf Grund des von ihm als bescheinigt angenommenen, eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes die Auffassung, die Bezeichnung des Getränks als "alkoholfreies Bier" sei unzulässig und darüber hinaus auch eine Irreführung über die Beschaffenheit des angebotenen Produktes.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge, wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Es könne als gerichtsbekannt gelten, daß sogenanntes "alkoholfreies Bier" schon seit längerer Zeit auf den Weltmärkten gehandelt werde und als solches beim Käuferpublikum eine bestimmte - wenn auch nicht ins einzelne zu beschreibende - Erwartung auslöse. Dem Österr. Lebensmittelbuch komme der Charakter
eines - widerlegbaren - qualifizierten Sachverständigengutachtens, nicht aber einer Rechtsvorschrift zu. Auch wenn daher in ihm unter "Bier" (oder auch "Schankbier") die verweisende Verbrauchererwartung durch die an der Erstellung des Österr. Lebensmittelbuchs mitwirkenden Personen dahin zum Ausdruck gebracht werde, bei "Bier" handle es sich essentiell um ein alkoholisches Getränk, so könne doch diese Verbrauchererwartung durch ganz klare aufklärende gegenteilige Hinweise (hier auf die Alkoholfreiheit von "Bier") widerlegt bzw. entkräftet werden. Niemand werde annehmen, bei dem vom Beklagten vertriebenen Produkt "Weizenthaler" handle es sich um kodexgerechtes "Bier" oder "Schankbier", weil der signifikante Hinweis auf die Alkoholfreiheit dieses Getränkes dem entgegenstehe. Es sei daher eine Irreführung des Verkehrs darüber ausgeschlossen, daß es sich bei dem vom Beklagten vertriebenen Produkt um kodexgerechtes und daher alkoholhältiges Bier oder Schankbier handle. Die klagende Partei sei auch jegliche Bescheinigung dafür schuldig geblieben, daß das vom Beklagten vertriebene Produkt nicht die Ingredienzien und die Konsistenz des im Kodex geregelten Schankbiers - ausgenommen Alkohol - enthalte.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Gemäß § 51 LMG 1975 obliegt dem Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz die Herausgabe des Österr. Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus). Es dient der Verlautbarung von Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden, Beurteilungsgrundsätzen sowie von Richtlinien für das Inverkehrbringen von diesem Bundesgesetz unterliegenden Waren. Gemäß § 79 Abs 3 LMG gelten die bisher erfolgten Veröffentlichungen des Österr. Lebensmittelbuches als Verlautbarungen im Sinne des § 51 dieses Bundesgesetzes.
"Bier" ist nach dem Österr. Lebensmittelbuch, 3.Auflage, Kapitel B 13 Abs 15, "ein durch Gärung erzeugtes Getränk, wobei der Alkohol einen wesentlichen Bestandteil darstellt. Der Mindestalkoholgehalt beträgt 0,5 Vol %. Daher ist auch die Bezeichnung 'alkoholfreies Bier' oder gleichsinnig für Getränke unzulässig". Gemäß Kapitel B 13 Abs 33 lit j sind als verfälscht zu beurteilen "nach Art von Bier hergestellte Getränke mit einem Alkoholgehalt unter 0,5 Vol %, die als 'Bier' 'Alkoholfreies Bier' oder gleichsinnig bezeichnet sind".
Es ist zwar richtig, daß das Österr. Lebensmittelbuch keine Verordnung, sondern ein von der Kodexkommission vorbereitetes und vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz herausgegebenes, qualifiziertes Sachverständigengutachten ist (ÖBl 1985, 156; ÖBl 1975, 64) und damit eine Widerlegung der darin enthaltenen Grundsätze zulässig wäre. Der Beklagte hat aber in erster Instanz eine Gegenbescheinigung gar nicht angetreten, sondern nur behauptet, er benütze die beanstandete Bezeichnung nicht. Wenn das Rekursgericht meint, eine Täuschung der Verbraucher sei durch den Zusatz "Alkoholfrei" ausgeschlossen, weshalb kein Verstoß gegen § 2 UWG vorliege, so mag dies zutreffen; das Rekursgericht übersieht jedoch, daß es sich bei den angeführten Bestimmungen des Österr. Lebensmittelbuches auch um die Wiedergabe der in den beteiligten Branchen vertretenen Auffassungen über die Bezeichnung derartiger Getränke handelt und somit eine diesbezüglich bestehende allgemeine Branchenübung bescheinigt ist. Es ist nun zwar richtig, daß nicht jeder Verstoß gegen eine Branchenübung bereits unlauter ist (JBl 1954, 440; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 RN 563 f zu § 1 UWG). Der Beklagte hat aber gegen die einheitliche Vorgangsweise im Getränkehandel, wonach die Bezeichnung "alkoholfreies Bier" unzulässig ist, wobei dies durch die Aufnahme dieser Bestimmung in das Österr. Lebensmittelbuch in besonderer Weise dokumentiert wurde, verstoßen. Diese Bestimmungen des Österr. Lebensmittelbuches mußte der Beklagte schon auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit kennen, und er wurde überdies von der klagenden Partei ausdrücklich darauf hingewisen; dessen ungeachtet hat er weiterhin sein Getränk als "alkoholfreies Schankbier" vertrieben. Damit hat er sich jedoch bewußt über die einheitliche, durch die Aufnahme in das Österr. Lebensmittelbuch besonders hervorgehobene Branchenübung hinweggesetzt, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Branchenangehörigen zu erlangen. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß ein alkoholfreies Hopfen- und Malzgetränk unter der Bezeichnung "alkoholfreies Bier" weit werbewirksamer vertrieben werden kann als unter der Bezeichnung "Hopfen- und Malzgetränk". Es ist daher für das Provisorialverfahren ausreichend bescheinigt, daß das Verhalten des Beklagten gegen die anständigen Gebräuche auf dem Gebiet des Handels verstieß und somit sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG war.
In Stattgebung des Revisionsrekurses der klagenden Partei war daher der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Ausspruch über die Kosten des Beklagten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, 78, 402 EO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses auf § 393 Abs 1 EO.
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