Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.556,50 bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Witwe des Komponisten Alban B, Helene C, geborene D, verstarb am 30.8.1976. Alleinerbin ihres Nachlasses ist die Alban-Berg-Stiftung. Mit Testamentsnachtrag vom 6.8.1974 änderte Helene B den Punkt IV,4 des Testaments vom 23.7.1969 dahin, daß nicht Hans E die Tagebücher ihrer Mutter Anna D als Legat erhalten solle. Vielmehr heißt es im Punkt II des Nachtrages:
"Die unter Absatz IV Zif. 4 angeführten Tagebücher meiner Mama Anna D sind 3 Jahre nach meinem Ableben unter Verschluß in der Nationalbibliothek zu halten. Nach Ablauf dieser Zeit gehören sie der Nationalbibliothek und können dann veröffentlicht werden." Am 10.3.1982 wurde das versiegelte Paket mit den Tagebüchern der Anna D im Beisein des Direktors der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und des Präsidenten der Alban-Berg-Stiftung geöffnet. Mit dem an den Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek gerichteten Schreiben vom 29.3.1982 erhob die Klägerin unter Berufung auf § 16 Abs. 1 und 2 UrhG "Einspruch gegen jegliche Veröffentlichung der D Tagebücher" vor Ablauf der gesetzlich zulässigen
Höchstfrist, das ist bis einschließlich des Jahres 2001. Mit dem im Einvernehmen mit der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek an das Kuratorium der Alban-Berg-Stiftung ergangenen Schreiben vom 26.4.1982 anerkannte der Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek namens der Musiksammlung diesen Einspruch gegen jegliche Veröffentlichung und erklärte, die Musiksammlung werde sich bis zum Jahr 2001 an diesen Einspruch halten. In ihrem Schreiben vom 17.9.1984 teilte die Klägerin dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit, daß sie sich als Rechtsnachfolgerin der Verfasserin der Tagebücher ausdrücklich jeder Aufhebung der Sperre der Tagebücher durch die Österreichische Nationalbibliothek widersetze. Mit Schreiben vom 12.3.1985 teilte das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung der Alban-Berg-Stiftung mit, daß die Sperre der Tagebücher der Anna D ab 22.4.1985 aufgehoben werde.
Zur Sicherung ihres klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruches beantragte die Klägerin der beklagten Partei mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, jede öffentliche Mitteilung des Inhaltes der in Händen der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek befindlichen Tagebücher der Mutter der am 30.8.1976 verstorbenen Helene B, Anna D, sowie deren Verwendung in allgemein zugänglichen Bibliotheken, insbesondere der Österreichischen Nationalbibliothek zu unterlassen. Unter Bezugnahme auf ein mit der Klage vorgelegtes Rechtsgutachten des Hon. Prof. DDr. Robert Dittrich, welcher zu dem Ergebnis gelangte, daß es sich bei den Tagebüchern der Anna D um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handle, vertrat die Klägerin die Ansicht, in dem Schlüsselsatz der letztwilligen Verfügung "und können dann veröffentlicht werden" sei keine urheberrechtliche Verfügung zu erblicken. Diese Worte wendeten sich ihrer Ansicht nach nicht an den Sacheigentümer (die beklagte Partei) sondern an den Urheberrechtsinhaber (die klagende Partei). Das Schreiben des Direktors der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek vom 26.4.1982 stelle ein Anerkenntnis dar.
Das Erstgericht erließ ohne Anhörung der beklagten Partei die beantragte einstweilige Verfügung. Es gelangte ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt zu dem Ergebnis, die Erblasserin Helene B habe über das Sacheigentum und über das Urheberrecht an den Tagebüchern zugunsten verschiedener Rechtsträger verfügt. Es könne nicht angenommen werden, daß sie der Österreichischen Nationalbibliothek das Recht, über eine Veröffentlichung der Tagebücher zu verfügen, habe zukommen lassen wollen. Ansonsten hätte sie der Alban-Berg-Stiftung nicht das Urheberrecht, sondern einen bloßen Vergütungsanspruch zukommen lassen. Die in dem Testamentsnachtrag gebrauchten Worte "und können dann veröffentlicht werden" seien so zu verstehen, daß sie sich nicht an den Sacheigentümer, sondern an den Urheberrechtsinhaber wenden. Da die Tagebücher urheberrechtlich nicht als veröffentlicht anzusehen seien, stehe der Klägerin gemäß § 14 Abs. 3 UrhG das Recht zu, die öffentliche Mitteilung des Inhaltes der Tagebücher zu unterbinden. Dieses Untersagungsrecht umfasse die Verwendung der Tagebücher in allgemein zugänglichen Bibliotheken, weil die dort übliche Benützung Öffentlichkeit begründe. Der Einspruch der Klägerin sei überdies vom Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek mit seinem Schreiben vom 26.4.1982 anerkannt worden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es nahm auf Grund des vorgelegten Privatgutachtens folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:
Das zu beurteilende Tagebuch ist in einer Sprache abgefaßt, die sich von der typischen Alltagssprache abhebt, aber sicher nicht so individuell ist, wie die zitierten Sätze von Franz F und Hugo von G. So heißt es z.B. über die Vereinbarung eines Rendezvous:
"Also morgen?
Gut morgen!
Ich ging. Nun traf ich meine Vorbereitungen. Milch, Gebäck, alles was ich brauchte, schaffte ich in mein Schlafzimmer. An einem Seitentisch ... (unleserliches Wort) kochte ich selbst mit Spiritus den Kaffee".
Die zitierten Literaturstellen, auf welche Bezug genommen wurde, lauten:
"Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Die Köchin der Frau H, seiner Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen 8 Uhr früh das Frühstück brachte, kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen" (Franz F).
"Furchtbar krümmte sich der Sperber, den die Buben ans Scheunentor genagelt hatten, der hereinbrechenden Nacht entgegen" (Hugo von G).
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, eine Schöpfung sei dann "eigentümlich", wenn sie den Stempel der persönlichen Eigenart des Schöpfers trage oder sich zumindest durch eine persönliche Note, die ihr die geistige Arbeit des Schöpfers verliehen habe, von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebe. Je nach der Art des Werkes könne der Schwerpunkt der geistigen Leistung auf Eingebungen der Phantasie, auf der Entwicklung und Logik der Gedankenführung oder auf der Darstellung, der Auswahl oder der Anordnung liegen. Der Begriff "Eigentümlichkeit" umfasse alles, was der Schöpfer eines Werkes aus seinen individuellen Anlagen und Fähigkeiten zum bereits Vorgefundenen dazugegeben habe. Zu den geschützten Elementen eines Sprachwerkes gehörten die auf der Phantasie des Dichters beruhende Fabel, die Konzeption (Gedankenreihen und Vorstellungsabläufe) und der Wortlaut. Individualität feststellen sei kein ästhetisches, künstlerisches oder wissenschaftliches Werturteil, sondern ein Vergleichen mit den Bestehenden und mit dem, was sein könnte. Vertraulichen Aufzeichnungen in Tagebüchern komme in der Praxis regelmäßig kein Urheberrechtsschutz zu, weil sie meist keine eigentümlichen geistigen Schöpfungen auf dem Gebiet der Literatur, sondern einfachen Mitteilungen seien. Daß solche Mitteilungen unter Umständen von großem literarischen, wissenschaftlichen oder biographischen Interesse seien, lasse keinen urheberrechlichen Schutz für sie entstehen. Wo jedoch literarische Werke bloß in Brief- oder Tagebuchform gekleidet seien oder wo im geistigen Gedankenaustausch eigenpersönliche Sprachwerksgestaltungen geschaffen worden seien, genießen diese - abgesehen von einem allfälligen Schutz gemäß § 77 UrhG - vollen Urheberrechtsschutz als Werke der Literatur. Es reiche jedoch zur Begründung der Werkqualität nicht aus, daß sich die Tagebücher in ihrer sprachlichen Gestaltung von der typischen Alltagssprache abheben, weil dieser Umstand für sich allein Individualität nicht zu begründen vermöge. Bei der Prüfung könne das Niveau der sprachlichen Gestaltung nicht allein maßgeblich sein. Ob ein Text in seiner sprachlichen Gestaltung dem Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten entspreche oder ob er etwa auf dem gehobenen sprachlichen Niveau "gebildeter Kreise" bzw. auf jenem der einschlägigen Gesellschaftsschicht des Verfassers liege, werde für die Beurteilung der Individualität nicht ausschlaggebend sein. In all diesen Fällen bilde nämlich die Höhe der sprachlichen Gestaltung bloß ein Gattungsmerkmal, welches als (einziges) Kriterium der Individualität, also der Einmaligkeit des literarischen Erzeugnisses versagen müsse. Daß die Tagebücher aber auf Grund der Sprachgestaltung allein bereits individuelle Züge aufwiesen, sei den Feststellungen nicht zu entnehmen. Die Sprache, in der sie abgefaßt seien, werde mit je einer Textstelle von Franz F und von Hugo von G verglichen und dazu ausgeführt, sie sei sicher nicht so individuell wie jene in der die beiden Zitate gehalten seien. Damit sei eine positive Aussage zur Individualität der Tagebücher noch gar nicht getroffen. Abgesehen davon erfordere die Beurteilung der Individualität einen Vergleich des zu prüfenden literarischen Erzeugnisses "mit dem Bestehenden" aber auch "mit dem, was sein könnte", was wohl die Begutachtung durch einen literaturwissenschaftlichen Sachverständigen notwendig machen werde. Die Klägerin habe jene Umstände, welche das Gericht in die Lage versetzen könnten, einen derartigen Vergleich anzustellen, nicht glaubhaft gemacht, wobei Zweifel bestünden, ob dies mit den Mitteln des Provisorialverfahrens überhaupt möglich wäre. Sie sei daher der ihr obliegenden Bescheinigungspflicht nicht nachgekommen, so daß den Tagebüchern die Qualität einer eigentümlichen Schöpfung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens nicht zukomme. Da der Veröffentlichung der Tagebücher mangels Bescheinigung ihrer Individualität und damit ihres Werkcharakters kein Urheberrecht aber auch kein sonstiges Schutzrecht entgegenstehe, sei der Eigentümer des Originals bzw. der Abschriften dieser persönlichen Aufzeichnungen Anna DS aus seinem Eigentumsrecht heraus berechtigt, sie zu veröffentlichen. Das Eigentumsrecht der REPUBLIK ÖSTERREICH an diesen Tagebüchern sei unbestritten. Es sei auch auf Grund des Briefwechsels der Klägerin mit dem Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek keine die Beklagte bindende Vereinbarung zustande gekommen. Der Eigentumserwerb der Beklagten sei vor dem Inkrafttreten des Forschungsorganisationsgesetzes BGBl. 341/1981 (I) erfolgt, mit dessen § 28 der Österreichischen Nationalbibliothek Rechtspersönlichkeit insofern eingeräumt worden sei, als sie nun unter anderem berechtigt sei, durch unentgeltliche Rechtsgeschäfte Vermögen und Rechte zu erwerben und hievon im eigenen Namen zur Erfüllung ihrer Zwecke Gebrauch zu machen. Demnach sei die REPUBLIK ÖSTERREICH und nicht die Österreichische Nationalbibliothek Eigentümerin der Tagebücher. Die Führung der Agenden der Österreichischen Nationalbibliothek zähle zur Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes. Zur Vertretung des Bundes in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung und somit auch bei Abgabe von Erklärungen, wie sie dem Schreiben des Direktors der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek vom 26.4.1982 zu entnehmen seien, sei mangels einer anderen Regelung gemäß Art. 17 B-VG derjenige Ressortminister zuständig, dessen Ressortbereich in der Angelegenheit berührt werde. Eine Erklärung des zuständigen Ressortministers liege dazu nicht vor. Aber auch auf einen Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand könne sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Die Abgabe der Erklärung hätte nämlich gemäß Teil 2 der Anlage zu § 2 D Zif. 7 des BundesministerienG 1973, BGBl. 389, der Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen bedurft. Eine solche Zustimmung habe die Klägerin nicht einmal behauptet. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Veröffentlichung der Tagebücher der Anna D sei daher insgesamt nicht bescheinigt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit den Anträgen, den Beschluß des Erstgerichtes - allenfalls unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung - wiederherzustellen oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Die beklagte Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrkurs ist nicht gerechtfertigt.
Soweit die Klägerin zunächst bezweifelt, daß die REPUBLIK ÖSTERREICH das Sacheigentum an den Tagebüchern erworben hat, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Helene B hat mit dem Testamentsnachtrag vom 23.7.1969 die Tagebücher ihrer Mutter der Nationalbibliothek vermacht. Diese besaß allerdings weder im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin und auch nicht im Zeitpunkt des Endes der verfügten 3-jährigen Verschlußpflicht (30.8.1979) eine eigene Rechtspersönlichkeit. Eine beschränkte Rechtspersönlichkeit erlangte sie erst durch § 28 Abs. 2 I. Bis zur Erlassung dieses Gesetzes gab es außer der Regelung der Eigentumsfrage an der ehemaligen Hofbibliothek durch § 6 des heute einen Teil der Bundesverfassung bildenden Gesetzes vom 3.4.1919 J Nr. 209, verschiedenen dienstrechtlichen Vorschriften und dem § 21 PresseG, BGBl. 218/1922, keine Regelung auf Gesetzesstufe, welche die Österreichische Nationalbibliothek betraf (vgl. RV 214 BlgNr. XV GP 18). Die Österreichische Nationalbibliothek konnte daher an den Tagebüchern kein Eigentum erwerben. Die Bestimmung der letztwilligen Verfügung kann aber zwangslos nur so ausgelegt werden, daß die Erblasserin das Eigentum an den Tagebüchern jener Person überlassen wollte, die Rechtsträgerin der Österreichischen Nationalbibliothek war und daher den Verbleib der Tagebücher in der Nationalbibliothek gewährleisten konnte, also der REPUBLIK ÖSTERRREICH, deren Eigentum an den Tagebüchern somit ausreichend bescheinigt ist. Das Schreiben des Direktors der Musiksammlung vom 26.4.1982 steht dem nicht entgegen. Denn das I enthält keine Bestimmung, daß mit seinem Inkrafttreten das Eigentum an den vorhandenen Beständen von der REPUBLIK ÖSTERREICH auf die Österreichische Nationalbibliothek übergeht. Nur für die Zukunft wurde der Österreichsichen Nationalbibliothek das Recht eingeräumt, durch unentgeltliche Rechtsgeschäfte Vermögen und Rechte zu erwerben und hievon im eigenen Namen zur Erfüllung ihrer Zwecke Gebrauch zu machen. Unter diesen Voraussetzungen stellt das Schreiben vom 26.4.1982 aber auch kein die REPUBLIK ÖSTERREICH bindendes Anerkenntnis dar. Es ist davon auszugehen, daß die REPUBLIK ÖSTERREICH im Zeitpunkt dieses Schreibens nach wie vor Eigentümerin der Tagebücher war. Eine für die REPUBLIK ÖSTERREICH bindende Wirkung konnte das Schreiben daher nur entfalten, wenn der Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek, mit dessen Einvernehmen das Schreiben an die Klägerin gerichtet wurde, zur Abgabe derartiger Erklärungen berechtigt war. Das war jedoch nicht der Fall. Aus dem I ergibt sich eine solche Berechtigung nicht. Denn gemäß § 28 Abs. 3 Zif. 6 I umfassen die Aufgaben der Österreichischen Nationalbibliothek zwar insbesondere die Erhaltung sowie die Aufschließung und Bereitstellung der gemäß Zif. 1 bis 5 erworbenen Bestände für Zwecke der Wissenschaft und Forschung, sowie für die Öffentlichkeit, doch wurde im § 29 Abs. 1 I dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung die Erlassung einer Bibliotheksordnung vorbehalten, die sowohl die organisatorische Gliederung der Österreichischen Nationalbibliothek als auch Richtlinien für die Benützung enthalten sollte. Auch wurde im Gesetz die Stellung des Leiters der Österreichischen Nationalbibliothek nicht näher umschrieben, sondern nur dessen Zuständigkeit zur näheren Regelung über die Benützung und über Öffnungszeiten in Form einer Benützungsordnung festgelegt. Eine nähere Umschreibung der Rechte des Generaldirektors enthält erst die auf Grund des § 29 Abs. 1 I vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung erlassene Bibliotheksordnung vom 8.6.1984. Abgesehen davon, daß deren Bestimmungen auf das mehr als 2 Jahre vor ihrem Inkrafttreten ergangene Schreiben nicht angewendet werden können, ergibt sich auch aus der Bibliotheksordnung kein Recht des Generaldirektors zur Abgabe von Erklärungen namens der K ÖSTERREICH, womit sie sich gegenüber Dritten verpflichtet, die Benützung der Bestände über die Bestimmungen des § 4 der Bibliotheksordnung hinaus einzuschränken. Daß nämlich eine rechtliche Beschränkung der Bereitstellung der Tagebücher zur Benützung im Sinne des § 4 Abs. 3 der Bibliotheksordnung nicht bestand, wird noch ausgeführt werden. Die Klägerin konnte daher mit Rücksicht auf das Eigentum der REPUBLIK ÖSTERREICH nach der Gesetzeslage nicht davon ausgehen, daß der Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek zur Abgabe einer derartigen verbindlichen Erklärung berechtigt war. Die Zuständigkeit zur Abgabe solcher Erklärungen ergab sich vielmehr aus dem Bundesministeriengesetz 1973 BGBl. 389. Nach der Anlage zu § 2 Teil 2 D Zif. 7 dieses Gesetzes (nunmehr nach der Novelle BGBl. 1983/617 die Anlage zu § 2 Teil 2 E Zif. 7) ist das Bundesministerium für Finanzen für Angelegenheiten des Bundesvermögens, soweit sie nicht in die Zuständigkeit eines anderen Ministeriums fallen, zuständig. Dazu gehören insbesondere Verfügungen über Bundesvermögen und die Verwaltung des Bundesvermögens, soweit sie nicht in die Zuständigkeit eines anderen Bundesminsteriums fällt. In Frage käme hier nur das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, in dessen Wirkungsbereich gemäß Anlage zu § 2 Teil 2 E (seit der Novelle BGBl. 1983/617: "O") insbesondere Angelegenheiten des wissenschaftlichen Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesens gehören. Einer Klärung der Frage, welches der beiden Bundesministerien für die Abgabe einer derartigen Erklärung zuständig gewesen wäre, bedarf es jedoch nicht, weil nicht behauptet wurde, daß einer der beiden Bundesminister eine solche Erklärung abgegeben hätte. Es wurde auch nicht behauptet, daß etwa im Sinn des § 7 Abs. 5 BMG eine von der sonstigen Geschäftseinteilung abweichende Organisation für die Besorgung der Geschäfte in derartigen Angelegenheiten des Bundes als Träger von Privatrechten vorgesehen gewesen sei und in diesem Sinne dem Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek die Besorgung derartiger Geschäfte übertragen worden wäre. Die im Einvernehmen mit dem Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek abgegebene Erklärung vom 26.4.1982 ist daher nach dem bescheinigten Sachverhalt für die beklagte Partei nicht bindend, weil diesem weder durch Gesetz noch durch Ermächtigung seitens der zuständigen Organe eine entsprechende Vertretungsmacht eingeräumt war. Der Fall unterscheidet sich von dem in der Entscheidung SZ 52/80 behandelten dadurch, daß damals der Umfang der Vertretungsmacht des handelnden Operndirektors im maßgeblichen Erlaß widersprüchlich geregelt war, während hier überhaupt jede gesetzliche Regelung der Befugnisse des Generaldirektors fehlte. Daher griff hier die Zuständigkeit nach dem Ministeriengesetz ein.
Somit ist zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch auf die Bestimmungen des Urheberrechts stützen kann.
Auch dies ist nach dem bescheinigten Sachverhalt zu verneinen. Daß die Klägerin als Stiftung ihr Begehren nicht auf den Briefschutz des § 77 UrhG stützen kann, hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt. Diesbezüglich wird im Revisionsrekurs nichts vorgebracht, sodaß auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden kann. Die Klägerin könnte daher ihren Anspruch nur mit Erfolg geltend machen, wenn sie Trägerin der allenfalls bestehenden Urheberrechte ist und es sich bei den Tagebüchern um ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinn des § 1 UrhG handeln würde. Da letzteres - wie noch ausgeführt wird - nicht bescheinigt ist, braucht die Frage, ob die Klägerin Trägerin von Urheberrechten an den Tagebüchern sein könnte, nicht geprüft zu werden.
Gemäß § 1 UrhG sind Werke im Sinne des Gesetzes eigentümliche geistige Schöpfungen, unter anderem auch auf dem Gebiet der Literatur. Zu den Werken der Literatur zählen gemäß § 2 Zif. 1 UrhG auch Sprachwerke aller Art. Darunter können sicherlich auch Tagebücher fallen. Voraussetzung dafür, daß ein Werk im Sinne des § 1 UrhG vorliegt, ist aber, daß eine eigentümliche geistige Schöpfung vorliegt. Ob eine Schöfpung urheberrechtlichen Schutz genießt, ist eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage (ÖBl. 1985, 24; ÖBl. 1982, 164 uva.). Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein Erzeugnis des menschlichen Geistes dann eine eigentümliche geistige Schöpfung, wenn es das Ergebnis schöpferischer Geistestätigkeit ist, das seine Eigenheit, die es von anderen Werken unterscheidet, aus der Persönlichkeit seines Schöpfers empfangen hat. Diese Persönlichkeit muß in ihm so zum Ausdruck kommen, daß sie dem Werk den Stempel der Einmaligkeit und der Zugehörigkeit zu seinem Schöpfer aufprägt, also eine aus dem innersten Wesen des geistigen Schaffens fließende Formung vorliegt. Der Grad des ästhetischen oder künstlerischen Wertes einer solchen Schöpfung hat außer Betracht zu bleiben. Maßgebend ist allein die auf der Persönlichkeit seines Schöpfers beruhende Individualität des Werkes (ÖBl. 1985, 27 mzwN). Die individuelle eigentümliche Leistung muß sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben. Die Individualität setzt voraus, daß beim Werkschaffen persönliche Züge zur Geltung kommen. Durch die sprachliche Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung unterscheiden sich etwa Vorträge und Reden von Äußerungen im Rahmen einer Unterhaltung, sowie literarische Abhandlungen von alltäglichen Briefen und ähnlichem (Ulmer Urheber- und Verlagsrecht 3 133 und 137; Vinck in Fromm-Nordemann Urheberrecht 5 82; v. Gamm UrhG 184; Troller Immaterialgüterrecht 3 I 379; ÖBl. 1982, 164). Auch Tagebücher sind daher nur dann "Werke" im Sinne des § 1 UrhG, wenn sie diese Voraussetzungen erfüllen. Unbesehen kann auch dem Tagebuch eines bekannten Autors nicht Werkcharakter zugebilligt werden (Vinck aaO; vgl. auch Hubmann Urheber- und Verlagsrecht 5 287). Während Dittrich in seinem Aufsatz "Der Schutz der Persönlichkeit nach österreichischem Urheberrecht" ÖJZ 1970, 533 unter Hinweis auf Peter (Das österreichische Urheberrecht 221) die Auffassung vertrat, in der Praxis stehe vertraulichen Aufzeichnungen (im Sinne des § 77 UrhG) in der Regel kein Urheberrechtsschutz zu, weil sie meist keine eigentümlichen geistigen Schöpfungen auf dem Gebiet der Literatur, sondern einfache Mitteilungen seien und auch der Umstand, daß sie von großem literarischen, wissenschaftlichen oder biographischen Interesse seien, keinen Urheberrechtsschutz für sie entstehen lasse (Seite 535, FN 41) meinte er andererseits (Der urheberrechtliche Werkbegriff und die moderne Kunst ÖJZ 1970, 365), die Rechtsprechung werde gut daran tun, an den Begriff "eigentümlichen geistigen Schöpfung" keinen allzu strengen Maßstab anzulegen. In jüngster Zeit vertrat Dittrich - übereinstimmend mit seinen Ausführungen im vorgelegten Privatgutachten - darüberhinaus unter Zitierung der vom Rekursgericht wiedergegebenen Sätze von Franz F und von Hugo von G, die Auffassung, bei einer wenig individuellen Alltagssprache werde man irgendwo zwischen 3 und 30 Worten, eher in der Gegend der letzteren Ziffer, das Begriffsmerkmal der "Eigentümlichkeit" erreichen, weil eben verschiedene Personen sich typischerweise unterschiedlich ausgedrückt hätten (Zum Urheberrechtsschutz von Übersetzungen, UFITA Band 100/1985, 139 insbesondere 147). Dieselbe Auffassung vertrat unter Zitierung derselben Literaturstellen bereits Kummer (Das urheberrechtlich schützbare Werk 31 und 82).
Letzteren Ansichten kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden.
Es ist zwar richtig, daß auch kürzere Formulierungen von eigentümlicher Prägung schutzfähig im Sinne des § 1 UrhG sein können. Mit Recht weist jedoch Troller (aaO 362 f.) unter Zitierung einer Entscheidung des Züricher Obergerichtes darauf hin, daß die von Kummer als wesentliches Merkmal des urheberrechtlich schützbaren Werkes eingeführte "statistische Einmaligkeit" nicht losgelöst von der Individualität des Werkes als Schutzmerkmal heranzuziehen sei. Wenn daher auch der Inhalt eines Briefes oder eines Tagebuches statistisch einmalig ist, weil es nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, daß etwa eine Folge von 70 Wörtern unabhängig voneinander durch 2 verschiedene Verfasser geschrieben werden kann, so kann einem solchen Text doch nur dann urheberrechtlicher Schutz zukommen, wenn er individuelle, originelle Züge enthält. Schließlich hat Kummer in diesem Zusammenhang auch die Auffassung vertreten, daß dann, wenn es sich nicht augenscheinlich um ein Werk der Literatur handelt, der Autor zu erkennen geben müsse, daß er seine Hervorbringung als Werk verstanden wissen wolle (aaO 75 f.). Der erkennende Senat vertritt daher die Auffassung, daß in jedem einzelnen Fall anhand des vorliegenden Textes und nicht nach statistischen Grundsätzen zu prüfen ist, ob ein Sprachwerk eine eigentümliche geistige Schöpfung ist.
Wendet man die von der Rechtsprechung entwickelten, oben wiedergegebenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann kann auf Grund des bisher zur Bescheinigung des Anspruches vorgelegten Ausschnittes aus den Tagebüchern nicht gesagt werden, daß es sich um ein Werk im Sinne des § 1 UrhG handelt. Die Verfasserin schildert darin durchaus in Alltagssprache die Vorbereitungen, die sie zu einem Empfang eines Besuchers, mit dem sie sich offenbar verabredet hatte, traf. Der einzige Unterschied zur üblichen Schilderung mag in der aus 4 Worten bestehenden Einleitung "Also morgen? Gut morgen!" bestehen. Diese Einleitung allein reicht aber nicht aus, um daraus bereits den Schluß zu ziehen, bei den Tagebüchern handle es sich um eine eigentümliche, geistige Schöpfung. Der Anspruch der Klägerin ist daher nicht bescheinigt. Es bedurfte somit keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Erblasserin Inhaberin allfälliger Urheberrechte an den Tagebüchern war und diese daher an die Klägerin übertragen konnte und ob das Eigentumsrecht am Unikat gemäß § 16 Abs. 3 UrhG dazu berechtigt, dieses in öffentlichen Bibliotheken allgemein zugänglich zu machen und in welchem Verhältnis die Bestimmungen der §§ 14 Abs. 3 UrhG und 16 Abs. 3 UrhG zueinander stehen.
Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, 78, 402 Abs. 2 EO.
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