OGH 4Ob37/99s

OGH4Ob37/99s23.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Pimmer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Jörg H*****, vertreten durch Böhmdorfer-Gheneff OEG, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Oscar B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 400.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 18. Dezember 1998, GZ 3 R 138/98f-10, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Darstellung eines Menschen in der gedrungenen Form eines Schweinskopfes mit Schweinsohren ausgesprochen, daß das Wesen der (mit der Satire eng verwandten) Karikatur in der bildlichen und/oder wörtlichen Verzerrung und Übertreibung der Wirklichkeit zum Zweck der Geißelung oder Rüge von Mißständen besteht. Traditionell sind Karikaturen und Satiren in ihrer äußeren Darbietung meist frech, frivol oder auch schamlos, somit häufig beleidigend oder herabsetzend. Um sie im Konflikt mit Rechtsverletzungen gegen andere Rechtsgüter zu beurteilen, bedarf es zunächst ihrer Entzerrung und damit der Gewinnung des "Aussagekerns", welcher in erster Linie auf seine Verletzungseignung zu untersuchen ist. Erst dann ist auch die satirische oder karikaturistische Einkleidung der Aussage darauf hin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen des dieser Kunstform "Erlaubten" gehalten oder andere Rechtsgüter, wie etwa die Ehre des Karikierten, verletzt hat. Dabei sind an die Beurteilung der Form (der Verfremdung, der Verzerrung) iS der Kunstfreiheit nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen, so daß erst die Verletzung des Kerns der menschlichen Ehre, der Menschenwürde oder des gesamten öffentlichen Ansehens einer Person der äußeren Form "Satire oder Karikatur" jedenfalls Grenzen setzt, nicht aber schon jede, wenn auch sonst (außerhalb der Beurteilung der Kunstfreiheit) beleidigende Bezeichnung oder Darstellung (MR 1992, 19 = ÖBl 1992, 49 - Schweinchen-Karikatur).

In der unveröffentlichten Entscheidung 6 Ob 48/97w wurden diese Grundsätze auch auf die Beurteilung einer in Form von Comic-strips gehaltenen Wahlwerbe-Broschüre jener Partei angewendet, deren Bundesparteiobmann der Kläger ist. In dieser Broschüre wurde einer Geschäftsführerin der Bundesorganisation einer österreichischen Partei und Nationalratsabgeordneten sowie dem damaligen Spitzenkandidaten dieser Partei für die Wahlen zum Europäischen Parlament der Ausspruch in den Mund gelegt, "wenn wir zwa net jeden Tag zehn Tausender verdienen, gemma wieder ham". Der Oberste Gerichtshof hat einen auf die Verletzung der Ehre gestützten Sicherungsantrag der dargestellten Personen mit der Begründung abgewiesen, ein verständiger Leser der Wahlbroschüre werde die darin enthaltenen Aussagen als stark übertreibend auffassen und erkennen, daß die Kläger lediglich als Spitzenrepräsentanten ihrer Partei stellvertretend für die Haltung ihrer Partei in Fragen des Privilegienabbaues, der gegeißelt werden solle, abgebildet seien, ohne daß ihnen persönlich geldgieriges Verhalten unterstellt werde. Der Durchschnittsbetrachter könne eine Reduktion der extrem übertreibenden Darstellung auf den politischen Aussagekern durchaus vornehmen, ohne daraus unabhängig von politischen Wertungen auch den Vorwurf eines persönlich unehrenhaften Verhaltens ihrer Repräsentanten abzuleiten. Der erkennende Senat hat auch schon ausgesprochen, daß eine Karikatur in aller Regel eine weniger ungünstige Wirkung für den Abgebildete hat als die Veröffentlichung eines (Nackt-)Fotos dieser Person, kann doch die Karikatur nie den Eindruck entstehen lassen, es handle sich um eine realistische Darstellung (MR 1997, 28 = ÖBl 1997, 140 - Nacktfotomontage).

Die Beurteilung der beanstandeten Karikatur sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 1330 ABGB als auch des § 78 UrhG durch das Rekursgericht hält sich im Rahmen dieser Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Das Rekursgericht hat als Aussagekern der Darstellung ermittelt, der Kläger als Obmann und damit Repräsentant seiner Partei stehe an der Rampe der politischen Bühne und präsentiere das Ergebnis eines politischen Ereignisses, nämlich der Absetzung eines gesamten Landesparteivorstandes. Die bildliche Ausgestaltung durch Abbildung des Klägers, der (vor einer Guillotine stehend) einen Korb mit abgeschlagenen Köpfen trägt, entspreche dem umgangssprachlichen Ausdruck "Köpfe rollen" iS von Entmachtung und versinnbildliche die Raschheit und Heftigkeit des Vollzuges eines in Österreich in dieser Form einzigartigen politischen Ereignisses; sie sei zwar verzerrend und übertreibend, doch liege dies im Wesen der gewählten Darstellungsform der Karikatur, ohne daß damit dem Abgebildeten persönlich unehrenhaftes Verhalten unterstellt werde. Eine die Rechtssicherheit gefährdende krasse Fehlbeurteilung kann in dieser Auslegung nicht erblickt werden.

Der Kläger vertritt zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels den Standpunkt, seine Darstellung als Henker könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn darin ausschließlich der Wahrheit entsprechende Aussagen zum Ausdruck kämen; die beanstandete Karikatur verbreite aber deshalb einen unrichtigen Sachverhalt, weil er an der kritisierten Beschlußfassung nicht persönlich beteiligt gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Kläger als Bundesparteiobmann und damit Spitzenrepräsentant seiner Partei deren politische Entscheidungen auch dann mitzuverantworten und nach außen zu vertreten hat, wenn die zuständigen Gremien ihre Beschlüsse in seiner Abwesenheit gefaßt haben sollten. Daß er von der beabsichtigen Beschlußfassung keine Kenntnis gehabt habe, hat er nicht einmal behauptet.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war deshalb mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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