Spruch:
Die außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 26 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist ein Gesetzesverstoß dann im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig, wenn er schuldhaft und in der Absicht begangen wird, einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (SZ 68/168 = ÖBl 1996, 88 - Knoblauch-Kapseln mwN; MR 1997, 113 - SN-Presseförderung uva); er ist dann nicht sittenwidrig, wenn die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der verletzten Norm durch das Gesetz soweit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann (SZ 56/2 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1986, 121 - ORF-Reiseclub; MR 1997, 113 - SN-Presseförderung uva).
Daß die Veröffentlichung der beanstandeten Telefonsex-Inserate nicht gegen das Pornographiegesetz verstößt, entspricht der - von den Vorinstanzen richtig zitierten - Rechtsprechung der Strafsenate des Obersten Gerichtshofes.
Aber auch die Rechtsansicht der Beklagten, sie habe nicht gegen § 17 Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 LGBl Nr 4 verstoßen und daher nicht die Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 lit b Z 6 und lit c desselben Gesetzes begangen, ist mit guten Gründen vertretbar:
Das von der Beklagten vertriebene Medium bringt keine "Darstellung oder Vermittlung sexueller Handlungen" (§ 17 Abs 1 TirJugendSchG). In Frage kommt nur der weitere in § 17 Abs 1 TirJugendSchG enthaltene Tatbestand, daß nämlich "Dienstleistungen (zB Telefonsex), die.....durch die Darstellung oder Vermittlung sexueller Handlungen die körperliche, geistige, sittliche, charakterliche oder soziale Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen gefährden können", diesen "zugänglich gemacht" werden (Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 lit c dritter Fall TirJugendSchG). Der Tatbestand des § 17 Abs 2 und des § 21 Abs 1 Z 6 TirJugendSchG scheidet hier schon nach seinem Wortlaut aus, hat doch die Beklagte keinesfalls selbst erwerbsmäßig Dienstleistungen im Sinne des § 17 Abs 1 TirJugendSchG angeboten oder vorgeführt.
Mit ihrer Ansicht, sie mache mit der Veröffentlichung der Inserate nicht die Dienstleistung des Telefonsex für Kinder und Jugendliche zugänglich, kann sich die Beklagte darauf berufen, daß der Zugang zu dieser Dienstleistung durch die Benützung des Telefons erreicht wird und (noch) nicht durch das Veröffentlichen eines Inserates mit der entsprechenden Telefonnummer. Daß irgendeine Behörde gegen den Betreiber des Telefonnetzes eingeschritten wäre, ist nicht bekannt; offenbar erscheinen die vom Telefonnetzbetreiber ergriffenen Maßnahmen zum Schutz jüngerer Personen vor dem Telefonsex als ausreichend. Überdies sendet die Beklagte ihre Zeitung nicht unmittelbar an Kinder und Jugendliche, sondern an Haushalte, und damit an Erwachsene als deren Vorstände. Wollte man im Hinblick auf die - vom Medieninhaber nicht zu verhindernde - Möglichkeit, daß Kinder oder Jugendliche eine solche Zeitschrift lesen, auch dem Medieninhaber das Zugänglichmachen der darin enthaltenen Mitteilungen anlasten, dann müßte - jedenfalls im Geltungsbereich des Tiroler Jugendschutzgesetzes oder inhaltsgleicher anderer Normen - jedem Vertreiber von Büchern, Zeitschriften u.dgl mit einem allenfalls die sittliche Entwicklung junger Menschen gefährdenden Inhalt der Vertrieb verboten werden, kann doch der Vertreiber niemals sicher sein, daß seine Waren nicht auch in die Hand von Kindern oder Jugendlichen geraten.
Die Rechtsauffassung der Beklagten ist daher mit guten Gründen vertretbar.
Ein Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb könnte der Beklagten nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie sich über ein Gesetz in Wettbewerbsabsicht hinwegsetzt. Der - in der Klage aufgezeigte - Umstand allein, daß sich die Beklagte durch die Veröffentlichung der beanstandeten Inserate Einnahmen verschafft, reicht für die Begründung der Sittenwidrigkeit nicht hin.
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