Normen
ÄrzteG §9
ÄrzteG §9
Spruch:
Das Werbeverbot des § 9 ÄrzteG ist nicht auf inländische Ärzte beschränkt, sondern gilt für jede Werbung im Zusammenhang mit ärztlicher Tätigkeit im Gebiet der Republik Österreich
OGH 14. 6. 1983, 4 Ob 356/83 (OLG Wien 1 R 228/82; HG Wien 17 Cg 27/82)
Text
Der Beklagte wirbt durch Verteilen von Prospekten, aber auch durch Vermittlungstätigkeit im Rahmen seines "Informationsbüros" im 4. Wiener Gemeindebezirk für die Inanspruchnahme von Zahnbehandlungen in einem dem Kurzentrum M in Budapest eingegliederten Institut. Der von ihm zuletzt verwendete Werbeprospekt enthält neben einer allgemeinen Beschreibung des Kurzentrums M eine Preisliste ("Honorartarife für Zahnbehandlungen"), in welcher verschiedene zahnärztliche Leistungen - fixe Zahnersätze, abnehmbare Zahnersätze, Zahnbehandlungen - ua. auch in österreichischen Schilling ausgepreist sind. Unter den bei den Zahnersätzen angebotenen Materialien findet sich auch ein Hinweis auf das Produkt "Wiron", welches zur Herstellung von Metall- Keramik-Kronen und -brücken besonders geeignet sei. Die Behandlungskosten könnten nur an Ort und Stelle in Devisen bezahlt werden; von den österreichischen Krankenkassen würden jedoch die medizinischen Leistungen voll zurückerstattet und für Zahnersätze die üblichen Zuschüsse gewährt. Die angeführten Preise liegen weit unter den Honoraren, die für gleichartige Leistungen österreichischer Zahnärzte üblicherweise verlangt werden.
Die Werbung für Zahnbehandlungen im Kurzentrum M wird von den zuständigen Stellen in Ungarn finanziert. Der Beklagte arbeitet mit seinen ungarischen Vertragspartnern auf Provisionsbasis zusammen. Österreichische Patienten haben die Möglichkeit, mit oder ohne Aufnahme in das Kurzentrum M - zu welchem neben den medizinischen Abteilungen insbesondere auch ein Hotel der Luxusklasse gehört - nach vorangegangener Buchung über das Vermittlungsbüro des Beklagten Zahnbehandlungen und Prothetikarbeiten in einer gesonderten zahnmedizinischen Abteilung durchführen zu lassen, welcher ein gesamtmedizinischer Leiter und eine Chefärztin vorstehen.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte durch seine organisierte Werbe- und Vermittlungstätigkeit die unlautere, nicht nur gegen die Werbeverbote des § 9 ÄrzteG und des § 13 KrankenanstaltenG (KAG) verstoßende, sondern auch der allgemeinen Auffassung des Ärztestandes über die ethischen Grundlagen für die Ausübung der Heilkunde zuwiderlaufende Werbung des Kurzentrums M planmäßig und in Gewinnabsicht fördere (§ 1 UWG), begehrt die klagende Interessenvertretung die Verurteilung des Beklagen, es zu unterlassen: 1. Prospekte über die Zahnbehandlung von Patienten in der von der Volksrepublik Ungarn im Kurzentrum M in Budapest betriebenen Zahnabteilung in Österreich zu verbreiten, in denen a) die Honorare und Preise für die einzelnen fixen Zahnersätze sowie die einzelnen abnehmbaren Zahnersätze angeführt sind, b) jene Krankenkassenvergütungen angegeben werden, die ein Patient für Leistungen gemäß lit. a vom Träger der Sozialversicherung in Österreich im Rahmen der Krankenversicherung rückvergütet erhält, c) im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen eine Werbung für ärztliche Zahnbehandlung sowie für bestimmte medizinische Behandlungsmethoden betrieben wird; 2. Sich an einer Werbung der von der Volksrepublik Ungarn im Kurzentrum M in Budapest betriebenen Zahnabteilung mit einem Inhalt wie unter 1. beschrieben in Österreich zu beteiligen oder sonstwie daran mitzuwirken. Außerdem verlangt die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im "Kurier", in der "Neuen Kronen-Zeitung" und in der "Presse".
Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Die von der Klägerin als "Zahnabteilung" des Kurzentrums M in Budapest bezeichntete Einrichtung sei nach Aufbau, Organisation und Ausstattung ein vom ungarischen Staat betriebenes Zahnambulatorium und damit eine Krankenanstalt iS des § 2 KAG. Für eine Anwendung des § 9 ÄrzteG sei daher kein Raum; ein Verstoß gegen das - bewußt viel enger gefaßte - Werbeverbot des § 13 KAG könne aber dem beanstandeten Prospekt, welcher lediglich Auskünfte über die Preise bestimmter Zahnersätze enthalte, nicht entnommen werden. Die Kosten einer Zahnbehandlung im Kurzentrum M lägen zwar unter den üblichen Honoraren österreichischer Zahnärzte, sie deckten aber durchaus die Eigenkosten eines in Österreich ansässigen Zahnbehandlers.
Das Erstgericht erkannte iS des Klagebegehrens. Die Unterlassungsansprüche der Klägerin seien gemäß § 48 Abs. 2 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen. Die Parteien stunden miteinander im Wettbewerb, weil sie sich zur Erbringung gleichartiger Leistungen an denselben Kundenkreis wendeten. Die vom Beklagten in Wettbewerbsabsicht geförderte Werbung des - als Sanatorium mit eingegliedertem Zahnambulatorium zu qualifizierenden - Kurzentrums M verstoße gegen § 13 KAG, weil sie medizinische Behandlungen und Heilbehelfe unter Hinweis auf allfällige Rückvergütungsansprüche an die österreichischen Krankenkassen auspreise und dabei einzelne Heilbehelfe, wie etwa das Produkt "Wiron", besonders hervorhebe. Soweit aus den vom Beklagten vorgelegten Prospekten ähnliche Gesetzesverstöße vergleichbarer österreichischer Kuranstalten oder Sanatorien erkennbar seien, könnten sie das gesetz- und sittenwidrige Verhalten des Beklagten nicht rechtfertigen. Das auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsbegehren der Klägerin sei daher berechtigt.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Von den unbestrittenen, eingangs wiedergebenen Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils ausgehend, hielt das Berufungsgericht auch die Rechtsrüge des Beklagten für nicht stichhältig. Die ausdrückliche Nennung mehrerer konkreter Behandlungsmethoden für fixe und abnehmbare Zahnersätze, die Anpreisung des dazu besonders geeigneten, in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Materials "Wiron" und die Auspreisung der einzelnen Behandlungsarten unter gleichzeitiger Anführung der von den österreichischen Krankenversicherungsträgern geleisteten Rückvergütungen verstießen schon deshalb gegen den Schutzzweck des § 13 Abs. 1 KAG, weil dadurch bestimmte medizinische Leistungen und Heilbehelfe unter konkreter Nennung ihrer besonderen Preisgünstigkeit vermarktet würden. Durch die bewußte Förderung dieser gesetzwidrigen Werbung habe der Beklagte gegen § 1 UWG verstoßen. Im Interesse einer umfassenden Aufklärung der davon betroffenen Bevölkerung erscheine auch die Ermächtigung der Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in drei Tageszeitungen geboten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beklagte läßt die Beurteilung seines Verhaltens nach österreichischem Recht (§ 48 Abs. 2 IPRG) ausdrücklich unbekämpft. Er bestreitet aber auch weiterhin einen Verstoß gegen die Werbebeschränkungen des § 13 Abs. 1 KAG, weil in den von ihm verteilten Prospekten weder für bestimmte medizinische Behandlungsmethoden noch für die Anwendung bestimmter Arzneimittel oder bestimmter Heilbehelfe geworben werde; die Anführung allgemein geläufiger zahnärztlicher Behandlungsmethoden und Heilbehelfe sei nach der zitierten Bestimmung auch dann gestattet, wenn gleichzeitig ihre Preise genannt und die von den österreichischen Krankenversicherungsträgern geleisteten Rückvergütungen angeführt würden.
Die damit aufgeworfene, von den Vorinstanzen übereinstimmend bejahte Frage, ob die beanstandete Werbung für eine Zahnbehandlung im Kurzentrum M über das nach § 13 Abs. 1 KAG zulässige Ausmaß hinausgeht, kann jedoch diesmal auf sich beruhen, weil der beanstandete Prospekt - wie die Klägerin schon in erster Instanz richtig hervorgehoben hat - jedenfalls auch einen klaren Verstoß gegen das Werbeverbot des § 9 ÄrzteG (idF der Nov. BGBl. 1964/50) enthält. Nach dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle ist dem Arzt im Zusammenhang mit der Ausübung seines ärztlichen Berufes jede Art der Werbung für medizinische Behandlungsmethoden sowie für die Anwendung von Arzneimitteln oder Heilbehelfen verboten. Mit dieser Bestimmung, welche nach dem Wortlaut und dem Regelungszweck des Gesetzes nicht auf im Inland ansässige Ärzte beschränkt ist, sondern für das Gebiet der Republik Österreich jede Werbung im Zusammenhang mit der Ausübung ärztlicher Tätigkeit schlechthin untersagt, steht aber die beanstandete Werbung des Kurzentrums M in offenkundigem Widerspruch. Der ausdrückliche Hinweis auf die mit der Herstellung der hier angepriesenen fixen und abnehmbaren Zahnersätze notwendig verbundenen zahnärztlichen Leistungen, auf sonstige medizinische Leistungen (wie Extraktionen, Füllungen, Wurzelbehandlungen und Röntgenaufnahmen) sowie darauf, daß alle diese Behandlungen zu besonders günstigen Preisen - welche gleichzeitig im einzelnen angeführt werden - in der Zahnabteilung des Kurzentrums durchgeführt würden, welche von vier qualifizierten Ärzten unter der Leitung der Chefärztin geführt werde, ist nichts anderes als eine massive Werbung für die von den Ärzten des Zahnambulatoriums M bei der Ausübung ihrer Tätigkeit angewendeten Behandlungsmethoden und Heilbehelfe. Daß damit österreichische Patienten für eine Zahnbehandlung in Ungarn gewonnen werden sollen, der Prospekt also eine eindeutige Wettbewerbsabsicht verfolgt, bedarf angesichts seines Inhaltes keiner weiteren Begründung. Durch das Verteilen dieser Werbeschrift in Österreich hat der Beklagte die gesetzwidrige, weil gegen § 9 Abs. 1 ÄrzteG verstoßende Werbung des Zahnambulatoriums M bewußt gefördert und damit seinerseits den guten Sitten iS des § 1 UWG zuwidergehandelt. Er ist daher von den Vorinstanzen im Ergebnis mit Recht zur Unterlassung der beanstandeten Wettbewerbshandlungen verurteilt worden.
Der Beklagte ist aber auch insoweit nicht im Recht, als er sich gegen die Ermächtigung der Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in drei österreichischen Tageszeitungen wendet. Warum die in der Regel konservativen, finanziell gutgestellten Leser der "Presse" von den Aktivitäten des Beklagten sicherlich nicht erreicht würden, vermag die Revision nicht schlüssig zu begrunden. Entgegen der Meinung des Beklagten kann auch keineswegs gesagt werde, daß sich der Leserkreis des "Kuriers" und der "Neuen Kronen-Zeitung" so weitgehend überschneide, daß der Normzweck des § 25 Abs. 3 UWG schon durch die Veröffentlichung des Urteils in einer dieser beiden Tageszeitungen erreicht werden könnte. Zur Aufklärung des von den Werbemaßnahmen des Beklagten angesprochenen völlig unbestimmten Personenkreises ist vielmehr die der Klägerin von den Vorinstanzen zugebilligte Urteilsveröffentlichung in allen drei genannten Tageszeitungen geboten.
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