Normen
Patentgesetz 1950 §108 Abs3
Patentgesetz 1950 §108 Abs3
Spruch:
Zur Berechnung der Bereicherung im Sinne des § 108 Abs. 3 PatG. 1950.
Entscheidung vom 3. November 1959, 4 Ob 354/59.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Zweit- bis Viertbeklagten sind Gesellschafter der erstbeklagten Partei. Im Rechtsstreit vor dem Handelsgericht Wien 9 Cg 23/54 wurden die vier beklagten Parteien schuldig erkannt, das ein Doppelklappbett betreffende österreichische Patent des Klägers anzuerkennen. Eingriffe in dieses Patent durch gewerbsmäßige Herstellung und Inverkehrsetzung von im Spruch des Urteils nach den Patentansprüchen näher beschriebenen Doppelklappbotten zu unterlassen und über die in Verkehr gesetzten Betten Abrechnung zu legen.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zunächst die Zahlung von 135.000 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1953, weil die Beklagten 270 Betten, deren Herstellung und Inverkehrsetzung einen Eingriff in die Patentrechte des Klägers darstellten, verkauft und sich bei jedem Bett um mindestens 500 S auf Kosten des Klägers bereichert hätten. Außer Streit steht, daß die Beklagten insgesamt 260 Doppelklappbetten verkauft haben, deren Konstruktion in das Patent des Klägers eingriff, daß der Verkaufspreis pro Doppelbett durchschnittlich 1290 S und der Reingewinn pro Doppelbett 200 S betragen hat. Unbestritten ist auch, daß die Beklagten kein Verschulden am Patenteingriff trifft.
Das Erstgericht sprach dem Kläger mit dem Urteil vom 4. Juli 1957 den Betrag von 9828 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1953 zu. Die erstbeklagte Partei habe, da sie das Patent rechtmäßigerweise nur auf Grund eines Lizenzvertrages mit dem Kläger gegen Zahlung einer Lizenzgebühr hätte verwenden dürfen, die Lizenzgebühr erspart und sei um diese Gebühr bereichert. Als fiktive Lizenzgebühr seien 3% des Gesamtverkaufspreises in der Höhe von 327.600 S, somit der Betrag von 9828 S, angemessen.
Dieses Urteil ist, soweit es einen Teilbetrag des Klagebegehrens in der Höhe von 85.000 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1953 abwies, in Rechtskraft erwachsen. Im übrigen wurde das Urteil über Berufung beider Teile mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 26. November 1957 ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Das Berufungsgericht sprach aus, daß im Rahmen des geltend gemachten Anspruches als Bereicherung jener Reingewinn anzusehen sei, der durch den Verkauf der geradezu wegen der patentverletzenden Eigenschaften von den Kunden der erstbeklagten Partei erstandenen Betten erzielt worden sei.
Im Zuge des neuerlichen Verfahrens vor der ersten Instanz nahm das Erstgericht unter Anwendung des § 109 PatG. 1950 als erwiesen an, daß ein Drittel der 260 von der erstbeklagten Partei verkauften Doppelklappbetten, also 86 Stück, wegen des in der patentverletzenden Vorrichtung gelegenen Vorteiles von den Kunden gekauft wurden. Von diesen 86 Betten hätten die beklagten Parteien nach der für das Erstgericht bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes den ganzen Reingewinn von je 200 S pro Bett als Bereicherung herauszugeben. Dem Kläger wurde daher mit Urteil vom 21. Juni 1958 ein Betrag von 17.200 S samt 4% Zinsen seit 1. März 1953 zugesprochen, sein Mehrbegehren aber abgewiesen. Dieses Urteil wurde von beiden Teilen mit Berufung bekämpft; der Kläger begehrte, daß ihm ein Betrag von 50.000 S samt 4% Zinsen seit 1. März 1953 zugesprochen werde, die beklagten Parteien, daß die Klage zur Gänze abgewiesen werde. Die Abweisung des Zinsenbegehrens für die Zeit vom 1. Jänner bis 28. Februar 1953 ist daher in Rechtskraft erwachsen.
Mit Urteil vom 24. Juli 1959 gab das Berufungsgericht keiner der Berufungen Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab den dagegen von beiden Parteien ergriffenen Revisionen Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 108 Abs. 3 PatG. 1950 kann der in seinen Patentrechten Verletzte die Herausgabe der erfolgten Bereicherung fordern, wenn den Beklagten kein Verschulden an dem Patenteingriff trifft. Das Patentgesetz selbst enthält aber keine Bestimmung, was unter Bereicherung im Sinne des § 108 Abs. 3 PatG. 1950 zu verstehen und wie diese zu berechnen ist. Auch das übrige bürgerliche Recht enthält keine allgemeine Definition des Rechtsbegriffes der Bereicherung und keine Vorschrift über deren Berechnung.
Das Erstgericht hat im seinem ersten Urteil eine Bereicherung der beklagten Parteien in der Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr angenommen. Diese Art der Berechnung entspricht nicht dem geltenden Recht. Wenn der Gesetzgeber dem durch einen unverschuldeten Patenteingriff Verletzten eine angemessene Gebühr für die Benützung des Patentes (Lizenzgebühr) hätte zubilligen wollen, so hätte er dies zweifellos ebenso klar zum Ausdruck gebracht wie z. B. im § 86 UrhG., nach welcher Gesetzesstelle derjenige, der zwar unbefugt, aber ohne Verschulden die dort aufgezählten Rechte des Urhebers verletzt, dem Verletzten, dessen Einwilligung einzuholen gewesen wäre, ein angemessenes Entgelt zu zahlen hat. Auch darf nicht übersehen werden, daß der Vermögensvorteil des Verletzers (z. B. bei Fehlkalkulation, Absatzschwierigkeiten u. a.) auch kleiner, bei günstigen Umständen aber auch wesentlich größer sein kann als die fiktive Lizenzgebühr. Die angemessene Lizenzgebühr kann daher für sich allein kein Maßstab zur Berechnung der Bereicherung nach § 108 Abs. 3 PatG. 1950 sein.
Das Berufungsgericht hat hingegen in seinem Aufhebungsbeschluß vom 26. November 1957 richtig erkannt, daß der Kläger den ganzen Reingewinn der beklagten Parteien nicht schlechthin als Bereicherung fordern kann. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes geht es aber auch nicht an, den dem Kläger gebührenden Anteil am Reingewinn dadurch zu ermitteln, daß auf die Zahl der Käufer abgestellt wird, die die strittigen Doppelklappbetten nur wegen der Eigenschaften gekauft haben, die von den Patentansprüchen des Klägers erfaßt sind. Die Motive der Käufer sind zwar insofern Elemente der Kausalkette, als es ohne den Entschluß der Käufer, die patentverletzenden Doppelbetten zu kaufen, zu keiner Bereicherung der beklagten Parteien kommen kann. Allein diese Motive sind kein Maßstab zur Ermittlung des Umfanges der Bereicherung, was insbesondere deutlich wird, wenn man an reine Versandgeschäfte auf Grund von Katalogen oder Preislisten denkt, denen ein Hinweis auf patentverletzende Eigenschaften der angebotenen Waren nicht zu entnehmen ist.
In der Rechtslehre ist der Begriff der Bereicherung und insbesondere die Art der Ermittlung der Bereicherung sehr umstritten. Swoboda lehrt (in Klang 1. Aufl. IV 444 f.), daß Voraussetzung jeder Bereicherung eine Vermögensverschiebung vom Vermögen des einen in das Vermögen des anderen sei, die keinen Rechtsgrund zur Grundlage habe. Zweck der Bereicherung sei, die Wiederherstellung des früheren Zustandes auf beiden Seiten zu bewirken (Swoboda a. a. O. S. 449). Es dürfe daher der Zusammenhang zwischen Schaden und Bereicherung, die sogenannte Doppelseitigkeit des Bereicherungsanspruches, nicht übersehen werden. Die Herausgabe des vollen erzielten Gewinnes gebühre daher nicht in jedem Fall, es sei vielmehr nur das zum Schaden des anderen Erlangte zurückzugeben (Swoboda a. a. O. S. 450). Sei der Vermögensvorteil des Bereicherten größer als der Schaden des Verletzten, so habe der Verkürzte nur Anspruch auf jenen Teil der Bereicherung, der hinreiche, den Schaden wieder gutzumachen (Swoboda a. a. O. S. 451).
Ehrenzweig (2. Aufl. II/1 S. 734) lehnt die Lehre von der Doppelseitigkeit des Bereicherungsanspruches mit Argumenten ab, die zumindest für den Fall des Bereicherungsanspruches nach § 108 Abs. 3 PatG. 1950 nicht zutreffen.
Wilburg (in Klang 2. Aufl. VI 471) lehnt gleichfalls die Rechtsansicht Swobodas ab, meint aber (S. 476), daß in allen Fällen, in denen Wiederherstellung in Natur, nicht verlangt werden könne, ein angemessenes Entgelt zu vergüten und dieses Entgelt, wenn zum verschafften Nutzen auch der Bereicherte beigetragen habe, nach dem Verhältnis der Beiträge zu bestimmen sei.
Zu § 108 PatG. im besonderen hat schon Bettelheim (Das Recht des Erfinders in Österreich, S. 312) darauf hingewiesen, daß die wörtliche Interpretation dieser Gesetzesstelle, die Höhe des dem Verletzten gebührenden Ersatzes nach den Vorteilen des Verletzers zu bestimmen, zu unbilligen Ergebnissen führen könne und daher offenbar über die Absicht des Gesetzgebers hinausgehe. Auch er will daher den Bereicherungsanspruch nach § 108 Abs. 3 PatG. durch den nachweislichen Schaden des Verletzten einerseits und durch den infolge des Patenteingriffes erzielten Gewinn des Verletzers andererseits beschränken. Ähnliche Gedankengänge vertritt auch Engin - Deniz in GR. 1959 S. 61. Schließlich hat noch Munk (Das österreichische Patentgesetz, S. 397) die Meinung vertreten, daß nur derjenige Teil des erzielten Nettogewinnes als durch den Eingriff produzierte Bereicherung anzusehen sei, welcher ohne Verletzung des Patentes nicht zu erlangen gewesen wäre.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 1001/52, folgend der Lehre Swobodas über die Doppelseitigkeit des Bereicherungsanspruches, ausgesprochen, das die Vermögensvermehrung auf der Seite des Bereicherungsempfängers und die Vermögensverminderung auf der Seite des Verletzten gegenüberzustellen sind und daß die kleinere der beiden Differenzen den Inhalt des Bereicherungsanspruches bildet. Der Oberste Gerichtshof hält auch weiterhin an dieser Rechtsansicht fest. Würde der Bereicherungsanspruch des Verletzten nicht durch die Höhe seines Nachteiles (Vermögensverminderung) begrenzt werden, würde derjenige, der ein Patent schuldlos verletzt, unter Umständen schlechter gestellt sein als derjenige, der es schuldhaft verletzt, weil letzterer stets nur bis zur Höhe des Schadens des Verletzten, nicht aber für mehr haftet. Ohne Begrenzung des Bereicherungsanspruches durch die Höhe der Vermögensverminderung auf der Seite des Verletzten könnte unter Umständen auch der Fall eintreten, daß der Verletzte zufolge des geltend gemachten Bereicherungsanspruches mehr erlangt, als er an Nachteil erlitten hat, womit der Verletzte selbst ohne Rechtsgrund bereichert würde. Daß der Bereicherungsanspruch andererseits durch den Vermögensvorteil des Verletzers zu beschränken ist, ergibt sich schon aus dem Sinn des Wortes Bereicherung, die jedenfalls nicht größer sein kann als der erlangte Vorteil.
Im gegenständlichen Fall steht außer Streit, daß die beklagte Partei 260 Doppelklappbetten mit patentverletzenden Eigenschaften verkauft und pro Bett 200 S rein verdient hat. Ihr Vermögensvorteil beträgt daher 260 X 200 S = 52.000 S. Dieser Betrag ist im Sinne der obigen Rechtsausführungen jedenfalls die Obergrenze des Bereicherungsanspruches des Klägers.
Auf diesen Reingewinn der beklagten Parteien hat aber der Kläger entgegen seiner Meinung gemäß den obigen Rechtsausführungen nicht schlechthin Anspruch, sondern nur insoweit, als er tatsächlich einen Nachteil (Vermögensverminderung) erlitten hat. Als solchen Nachteil wird man zunächst den Entgang einer angemessenen Lizenzgebühr annehmen können, wie umgekehrt die ersparte Lizenzgebühr auf der Seite der beklagten Parteien einen Vermögensvorteil und sohin eine Bereicherung darstellt (vgl. auch Ehrenzweig a. a. O. S. 723). Daß der Kläger auch einen über die angemessene Lizenzgebühr hinausgehenden Vermögensnachteil erlitten habe, hat er bisher weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Sein Beweisantrag auf Parteienvernehmung in der mündlichen Streitverhandlung vom 26. Juni 1957 hat nicht seinen Nachteil, sondern den (außer Streit, gestellten) Gewinn der beklagten Parteien zum Beweisgegenstand. Die Feststellung des Erstgerichtes über die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr im ersten Urteil wurde bekämpft. Diese Feststellung ist auch durch den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes beseitigt worden, so daß es derzeit an einer Urteilsgrundlage fehlt. Der Kläger selbst bezeichnet in seiner Berufung gegen das erste Urteil des Prozeßgerichtes eine Lizenzgebühr von 5% des Verkaufspreises der Betten, somit den Betrag von 16.380 S, als angemessen.
Das Erstgericht wird daher neuerlich zur Frage der angemessenen Lizenzgebühr Stellung nehmen müssen. Auf diese hat der Kläger, weil sie im gegebenen Fall selbst nach den Behauptungen des Klagers unter dem außer Streit gestellten Reingewinn der beklagten Parteien liegt, jedenfalls Anspruch. Sollte er eine höhere Vermögensverminderung (Nachteil) erweisen können, wird ihm diese insgesamt bis zur Höhe des Reingewinnes der Beklagten zuzusprechen sein.
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