Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Ö***** AG (im folgenden Emissionsbank) stand mit der T***** AG (im folgenden AG) seit deren Gründung im Jahr 1985 in ständiger Geschäftsbeziehung; sie hatte schon die Aktieneinführung übernommen. Zur Durchführung einer von der Hauptversammlung der AG im Jahr 1986 vorgesehenen Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat (Beschluß des Aufsichtsrates vom 14. 10. 1988), das Grundkapital der Aktiengesellschaft um 40,000.000 S auf 120,000.000 S durch Ausgabe von 40.000 auf Inhaber lautender Aktien im Nominale von 1.000 S zu einem Ausgabekurs von 210 % zu erhöhen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten führte die Aktienemission durch, wobei sie - den Beschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat der AG entsprechend - die neuen Aktien mit der Verpflichtung zu übernehmen hatte, sie nach Zeichnung den Aktionären zu Originalbedingungen anzubieten. Die der Emission zugrundeliegenden Prospekte wurden von Mitarbeitern der Wertpapierabteilung der Emissionsbank in Zusammenarbeit mit einem Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft erstellt, wobei das dafür erforderliche Datenmaterial von der Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellt wurde. Eine - auch nur stichprobenweise vorgenommene - Überprüfung dieses Datenmaterials durch die Emissionsbank oder deren Beauftragte unterblieb. Emissionsprospekt und ein weiterer dem Ersturteil gleichfalls angeschlossener Farbprospekt "Gut ang'legt" schufen eine positive Anlagestimmung. Sie charakterisierten die Aktiengesellschaft als durch und durch seriöse qualitätsbewußte und aufstrebende Firma und erweckten den Eindruck eines blühenden Unternehmens. Die in den Prospekten dargestellte wirtschaftliche Situation der Aktiengesellschaft war aber - wie sich anläßlich der Prüfung des Jahresabschlusses zum 30. 9. 1988 herausstellte - objektiv unrichtig. Den Anlegern wurde ein Aufwärtstrend suggeriert, der nicht den Tatsachen entsprach. Am 17. 7. 1991 wurde über das Vermögen der Aktiengesellschaft der Konkurs eröffnet.
Der Kläger hatte am 30. 11. 1988 einen Auftrag zum Ankauf von 24 Aktien zu einem Ausgabekurs von 50.400 S erteilt. Er hatte sich nach Studium des Projekts zum Ankauf entschlossen, weil er aufgrund des darin angeführten Datenmaterials den Eindruck einer blühenden Firma gewonnen hatte, wobei er insbesondere auf das ordentliche Ergebnis vor Steuern und das Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital achtete. Er nahm die für den Ankauf junger Aktien mögliche Steuerbegünstigung in Anspruch und erzielte einen Steuervorteil von 16.000 S, den er nach Konkurseröffnung über das Vermögen der AG infolge Wertlosigkeit der Aktien nicht mehr zurückzahlen mußte.
Der Kläger begehrt Ersatz des bezahlten Ausgabekurses von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Emissionsbank und macht deren Prospekthaftung geltend. Die Emissionsbank habe die Vermögenssituation der AG in ihrem Prospekt unrichtig dargestellt und die angespannte wirtschaftliche Situation verschwiegen. So habe der Prospekt für das Geschäftsjahr 1987/88 erwartete (tatsächlich aber unrichtige) Ergebnisse ausgewiesen, obwohl die tatsächlichen, bei weitem schlechteren Ergebnisse dieses Wirtschaftsjahres zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bereits vorgelegen seien. Die Emissionsbank wäre verpflichtet gewesen, die zur Verfügung gestellten Unterlagen auf ihre Richtigkeit und nicht bloß auf ihre Plausibilität zu prüfen. Dabei hätte sie umgehend erkennen können und müssen, daß die Lager der AG viel zu hoch bewertet und Vorausfakturierungen vorgenommen worden seien. Die AG habe offensichtlich mit falschen Zahlen gearbeitet, die die Beklagte nicht auf ihre Richtigkeit geprüft habe.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Der Prospekt habe den Wissensstand der Emissionsbank über die wirtschaftlichen Verhältnisse der AG korrekt wiedergegeben und sei mit der erforderlichen Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erstellt worden, die Bank habe nichts verschwiegen. Das damalige Vorstandsmitglied der Emissionsbank Dr. Drennig sei als Privatperson tätig und nicht von der Bank entsendet worden. Seine Verschwiegenheitspflicht habe es ihm verwehrt, Informationen aus Aufsichtsratsitzungen an die Emissionsbank weiterzugeben. Im übrigen treffe den Kläger ein Mitverschulden. Die schlechte wirtschaftliche Situation der AG sei bereits im Frühjahr 1989 bekannt geworden. Der Aktienkurs sei bis 13. 9. 1989 auf 2.100 S gestiegen, sodaß der Kläger in der Lage gewesen wäre, die Aktien im Jahr 1989 ohne Verlust zu verkaufen. Es treffe ihn daher ein Mitverschulden an einem allfälligen Schaden bzw eine Verletzung der Schadensminderungspflicht. Im übrigen habe der Kläger steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten beim Erwerb der Aktien genutzt, er müsse sich die entsprechende Begünstigung anrechnen lassen.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zum Ersatz von 37.800 S (das sind 3/4 des eingeklagten Vertrauensschadens) und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte in Ergänzung zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, der Prospekt suggeriere dem Anleger einen nicht den Tatsachen entsprechenden Aufwärtstrend und stelle die wirtschaftliche Situation der Aktiengesellschaft in mehreren Punkten unrichtig dar. So sei der für 1985/86 ausgewiesene Jahresgewinn von 2,51 Mio S nur durch unrechtmäßige Inanspruchnahme der Investitionsprämie zustandegekommen, sodaß im Folgejahr 2,7 Mio S hätten zurückgezahlt werden müssen. Der Prospekt vermittle jedoch den Eindruck, die AG habe schon im ersten Geschäftsjahr Gewinne erwirtschaftet. Der Prospekt weise auch nicht auf das Ansteigen der Bankkredite von 34,000.000 S zum 30. 9. 1987 auf 72,000.000 S zum 30. 9. 1988 hin. Um einen geplanten Jahresgewinn von 5,18 Mio S ausweisen zu können (der die gewünschte Dividende von 6 % ermöglicht hätte), habe die AG die Bestandsveränderungen 1987/88 retrograd berechnet. Dabei habe sich zunächst am 6. 9. 1988 eine Bestandsveränderung von 11,5 Mio S ergeben. Die AG habe diesen der Emissionsbank zunächst mitgeteilten Betrag am 27. 9. 1988 auf 15,5 Mio S erhöht. Die für die Projekterstellung zuständigen Mitarbeiter der Bank hätten die neue Zahl übernommen, ohne den Grund der Veränderung zu erfragen. Überdies entsprächen die Auftragseingänge von Jänner bis April 1988 in keiner Weise den im Prospekt angeführten Umsatzerwartungen. Es sei schon in diesen Zeiträumen zu massiven Auftragseinbrüchen gekommen, die auf Stornos bereits bestellter und zur Lieferung fertiger Ware, den rapiden Abfall neu hereinkommender Bestellungen und das Stagnieren von Abrufen zurückzuführen gewesen seien. Für den markanten Rückgang der Bestellungen seien überdies finanzielle Schwierigkeiten eines Großkunden verantwortlich. Aufgrund dieser massiven Auftragseinbrüche habe die AG ihre Umsatzerwartungen für 1987/88 schon im März 1988 von 413,000.000 S auf 385,000.000 S reduzieren müssen, womit sich auch das erwartete ordentliche Betriebsergebnis vor Steuern von 17,5 Mio S auf 14,8 Mio S reduziert habe. Daß auch diese Erwartungen nicht eingehalten werden konnten, sei den Verantwortlichen der AG schon im Juni 1988 klar geworden. Der Vorstand habe sowohl in der 13. als auch in der 14. Sitzung des Aufsichtsrates (diese fanden am 16. 6. und 14. 10. 1988 statt) über diese wirtschaftliche Entwicklung berichtet. An beiden Sitzungen habe das für Kreditvergaben der Emissionsbank zuständige Vorstandsmitglied der Emissionsbank Dr. Drennig teilgenommen. Das Protokoll der 13. Aufsichtsratssitzung vom 16. 6. 1988 und der infolge der Auftragseinbrüche revidierte Umsatzplan sei auch den für die Projekterstellung zuständigen Mitarbeitern der Bank vorgelegen, sodaß diese über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der AG unterrichtet gewesen seien. Sie hätten darüber auch mit dem Vorstand der AG Gespräche geführt. In einer (internen) Unternehmensanalyse der Bank finde sich überdies ein Hinweis auf die Umsatzeinbrüche, hingegen fehle jeglicher Hinweis im Emissionsprospekt.
Da der Vorstand der AG im Hinblick auf diese Geschäftsentwicklung fürchtete, der neuerliche Gang an die Börse könnte gefährdet sein, habe er diese Entwicklung zu verschleiern versucht. Er habe im Geschäftsjahr 1987/88 bei drei Großkunden Vorausfakturierungen in einem Umfang von rund 21,000.000 S in der Weise vorgenommen, daß bei den Großkunden der voraussichtliche Bedarf erhoben, die Ware im Lager separiert und die Fakturen ausgestellt worden seien. Dabei seien die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung nicht eingehalten worden. Für die mit der Prospekterstellung befaßten Mitarbeiter der Emissionsbank seien die Vorausfakturierungen (ohne aufwendige und intensive Prüfung) nicht erkennbar geworden. Die Emissionsbank habe sich das von der AG stammende Zahlenmaterial nur auf seine Plausibilität erklären lassen, Überprüfungen auf seine inhaltliche Richtigkeit hätten nicht (auch nicht stichprobenweise) stattgefunden. Die Emissionsbank habe sich auch nicht mit dem Anstieg des Barkreditvolumens von 34,000.000 S zum 30. 9. 1987 auf 72,000.000 S zum 30. 9. 1988 sowie mit der damit im Zusammenhang stehenden Frage auseinandergesetzt, ob diesem Anstieg Aktiven gegenüberstehen. Obwohl die letzte geprüfte Bilanz beinahe ein Jahr zurückgelegen sei, habe sie auch den Wirtschaftsprüfer nicht kontaktiert. Der Wirtschaftsprüfer habe Anfang November 1988 mit den Arbeiten zur Prüfung des Jahresabschlusses 1987/88 begonnen und sei dabei auf die Vorausfakturierungen gestoßen. Er habe die Erteilung des Bestätigungsvermerks von ihrer Eliminierung und einer massiven Abwertung des Warenlagers abhängig gemacht. Im Bereich des Warenlagers habe sich ein Abwertungsbedarf von 14,5 Mio S ergeben. Hätten sich die mit der Prospekterstellung befaßten Mitarbeiter der Emissionsbank nicht auf die vorgelegten Zahlen verlassen, sondern selbst eine entsprechende Prüfung durchgeführt oder einen externen Prüfer beigezogen, wäre ihnen der Abwertungsbedarf aufgefallen. Der vom Wirtschaftsprüfer schließlich bestätigte Jahresabschluß 1987/88 habe anstelle des prognostizierten Jahresgewinns von 15,8 Mio S einen Jahresverlust von 1,74 Mio S ausgewiesen.
Ein Aktionärsbrief vom 20. 4. 1989 habe den Kläger über das zu erwartende negative Ergebnis informiert. Am 2. 5. 1989 sei in der Zeitschrift "Profil" von einem "Börsenskandal" der AG die Rede gewesen. Im Juni 1989 habe der "Kurier" von einer neuen Krise bei der AG sowie davon berichtet, daß mehrere Kapitalanleger Klagen angekündigt hätten. Die "Tiroler Tageszeitung", die vom Kläger regelmäßig gelesen werde, habe am 27. 6. 1989 die Talfahrt der AG erläutert. Ein ähnlicher Bericht habe sich auch im "Wiener Börsenkurier" vom 6. 7. 1989 befunden. Die Aktienkurse seien von 2.120 S bzw 2.180 S im Dezember 1988 auf 1,720 S im Februar 1989 und von 1.900 S im März 1989 auf 1,660 S bis 1.780 S von Mai bis August 1989 gefallen, seien dann auf 2.200 S zum 1. September 1989 gestiegen und schließlich von Oktober bis Dezember 1989 von 1.860 S auf 1.430 S und von Jänner bzw Februar 1991 bis April 1991 auf unter 1.000 S gefallen. Nach einem Anstieg auf 1.120 S im Mai 1991 habe der Kurs zuletzt am 5. 7. 1991 885 S betragen. Der Kläger habe die Kursentwicklung nicht verfolgt, er sei davon ausgegangen, daß er die steuerbegünstigt angeschafften Aktien jedenfalls zehn Jahre behalten müsse. Die Möglichkeit einer Ersatzanschaffung anderer steuerbegünstigter Wertpapiere (um die Steuerbegünstigung nicht zu verlieren) sei ihm bekannt gewesen. Er habe die Kursentwicklung der Aktien auf ein kleines Tief des Unternehmens und ein Zurückgehen des Aktienmarktes im allgemeinen zurückgeführt.
Rechtlich bejahte das Erstgericht die Verantwortlichkeit der Emissionsbank als Prospektherausgeberin für unvollständige und unrichtige Angaben. Sie hafte für den dem Kläger entstandenen Vertrauensschaden, wobei der von ihm erzielte Steuervorteil nicht in Abzug zu bringen sei. Der Beklagten sei demgegenüber weder der Beweis gelungen, daß der Prospekt die wirtschaftliche Entwicklung korrekt wiedergegeben habe, noch daß die Verantwortlichen den Prospekt mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt und geprüft hätten. Den Kläger treffe jedoch insoweit ein mit einem Viertel zu bewertendes Mitverschulden, als er sich trotz massiver Presseberichte nicht um den Kursverlauf der Aktien gekümmert habe. Hätte er sich entsprechend informiert, wäre es ihm möglich gewesen, die Aktien zu verkaufen und den Schaden geringer zu halten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers im Ergebnis keine Folge, der Berufung der Beklagten gab es teilweise Folge und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 34.400 S (das ist der gesamte Vertrauensschaden abzüglich der durch den Aktienkauf erlangten Steuervorteile). Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob der Aktienanleger im Rahmen der Schadensminderungspflicht verpflichtet sei, die Aktien bei sinkendem Kurs zu veräußern, noch nicht Stellung genommen habe.
Das Berufungsgericht bejahte eine Prospekthaftung der Emissionsbank. Der Anleger müsse sich grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen, wobei die emittierende Bank für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen habe. Es stehe fest, daß der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten herausgegebene Prospekt objektiv unrichtig gewesen sei; die darin verschwiegene wirtschaftliche Situation der AG zum Zeitpunkt der Aktienemission sei auch kausal für die Insolvenz des Unternehmens gewesen. Demgegenüber habe die Beklagte nicht bewiesen, daß ihre Rechtsvorgängerin die zumutbare Sorgfalt bei Erstellung des Prospekts aufgewendet habe. Wende man den durch § 8 Abs 2 KMG normierten Sorgfaltsmaßstab auch auf den vorliegenden Fall an, hätte die Emissionsbank aufgrund der von der AG beizustellenden Unterlagen mit berufsmäßiger Sorgfalt prüfen müssen, ob der Prospekt die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse richtig wiedergibt. Dabei hätte sie die Unterlagen durch Stichproben auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen müssen. Abgesehen davon, daß sie schon eine stichprobenartige Überprüfung unterlassen habe, hätte die Emissionsbank angesichts des sich hier aufdrängenden Verdachtes der mangelnden Richtigkeit und Vollständigkeit der Unterlagen weitere Kontrolltätigkeiten vornehmen müssen. Demgegenüber habe sie die von der AG bekanntgegebene Bestandsveränderung ohne weitere Nachforschungen über den Grund der Veränderung akzeptiert und sich auch mit dem Ansteigen des Barkreditvolumens auf 72,000.000 S genausowenig auseinandergesetzt wie mit der damit unmittelbar zusammenhängenden Frage, ob diesem Anstieg auch ein Anstieg der Aktiven gegenüberstand. Trotz Kenntnis des für 1987/88 revidierten Umsatzplanes habe sie auch nicht verfolgt, ob dieser eingehalten werden konnte. Diese Umstände hätten die Bank zu einer umfassenden Kontrolle veranlassen müssen, durch die auch die von der AG vorgenommenen Vorausfakturierungen zutage getreten wären. Die Beklagte habe für den dem Kläger entstandenen Vertrauensschaden abzüglich des durch den Aktienankauf lukrierten Steuervorteiles einzustehen.
Den Kläger treffe hingegen kein Mitverschulden. Er sei nicht ausreichend fachkundig, um eine Unrichtigkeit im Prospekt erkennen zu können. Die Beklagte habe auch keinen Zeitpunkt anführen können, zu dem der Kläger die Aktien in Erfüllung einer Rettungspflicht hätte veräußern müssen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Anlageentscheidung des Klägers erfolgte vor Inkrafttreten der in § 11 KMG (BGBl 1991/625 idgF) vorgesehenen Schadenersatzregelung, wie auch vor Inkrafttreten der in § 80 BörseG 1989 (BGBl 1989/555) geregelten Prospekthaftung. Es ist daher zu prüfen, ob eine Haftung der Beklagten nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zum Tragen kommt (vgl Koziol, Die Konkurrenz zwischen allgemeinem Zivilrecht, KMG und Börsegesetz bei der Prospekthaftung, ÖBA 1992, 886; derselbe in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 6/37 ff). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß Prospekthaftungsansprüche dann bestehen, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluß. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Kapitalanleger im allgemeinen keine eigene Informationsmöglichkeit haben und weitgehend darauf angewiesen sind, sich anhand des Emissionsprospekts über das zu finanzierende Vorhaben zu unterrichten. Der Prospekt bildet demgemäß im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risken verbundenen Beteiligungsbeschluß. Aus diesem Grund muß sich der potentielle Anleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen. Aus der Bedeutung, die dem Emissionsprospekt zukommt, folgt, daß auch alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen haben, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen - Vertrauenstatbestand schaffen. Dazu gehören insbesondere auch solche Personen und Unternehmen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte herausgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen. Aufgrund ihrer Stellung und Eigenschaft wird persönliche Zuverlässigkeit erwartet. Die angesprochenen Interessenten dürfen daher davon ausgehen, daß die für den Prospekt Verantwortlichen diesen mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft haben und daß dieser sie über alle Umstände aufklärte, die für den Entschluß, sich als Anleger zu beteiligen, von wesentlicher Bedeutung sind (RdW 1997, 397; RdW 1992/12; vgl ecolex 1990, 688 mwN; SZ 70/179; RIS-Justiz RS0107352; Werner/Machunsky, Rechte und Ansprüche geschädigter Kapitalanleger3, 178 ff [181mwN FN 97]).
Nach diesen Grundsätzen, an denen auch der erkennende Senat festhält, hat die Emissionsbank für eine sachlich richtige und vollständige Information im Prospekt einzustehen, soweit diese für den Entschluß des Anlegers, eine Beteiligung zu erwerben, von Bedeutung ist. Prospekthaftungsansprüche bestehen daher auch dann, wenn die wirtschaftliche Situation der Beteiligungsgesellschaft unzutreffend dargestellt bzw wesentliche Tatsachen verschwiegen werden. Voraussetzung einer Prospekthaftung ist allerdings angesichts ihres schadenersatzrechtlichen Charakters, daß der in Anspruch Genommene die Unrichtigkeit der Prospektangaben kennt oder kennen mußte (SZ 70/179; RIS-Justiz RS0108625 Koziol aaO Rz 6/65), wobei die Beweislast für die Schuldlosigkeit den Schädiger trifft (Koziol aaO ÖBA 1992, 887 mwN).
Dazu führt die Beklagte aus, die Emissionsbank habe keine Kenntnis der für die Unrichtigkeit der Prospektangaben maßgeblichen Vorausfakturierungen gehabt, sie hätte diese Kenntnis auch nicht durch die vom Berufungsgericht geforderte stichprobenweise Überprüfung der ihr zur Verfügung gestellten Unterlagen, sondern nur durch umfangreiche Prüfungsarbeiten erlangen können. Sie übersieht dabei, daß sich für die Bank (unabhängig von den im Zeitpunkt der Prospekterstellung noch nicht bekannten Vorausfakturierungen) schon damals der Verdacht mangelnder Vollständigkeit und Richtigkeit der zur Prospekterstellung zur Verfügung gestellten Unterlagen aufdrängen mußte, die sie zu einer umfassenden Prüfung hätte veranlassen müssen:
Zum einen lagen den für die Prospekterstellung zuständigen Mitarbeitern der Bank sowohl das Protokoll der 13. Aufsichtsratssitzung vom 16. 6. 1988 vor, in welcher der Vorstand über die massiven Auftragseinbrüche und deren Ursachen sowie darüber berichtete, daß das bis dahin erwartete Betriebsergebnis erheblich reduziert werden müsse; zum anderen lag ihnen auch der entsprechend revidierte Umsatzplan vor. Dessenungeachtet übernahmen sie in dem im November 1988 anläßlich der Zeichnung veröffentlichten Prospekt die längst nicht mehr aktuellen Umsatzerwartungen der Gesellschaft und stellten damit das zu erwartende wirtschaftliche Ergebnis wesentlich besser dar, als es ihrem - in einer Unternehmensanalyse der Bank auch wiedergegebenen - Wissensstand entsprach. Dieses Wissen ist der Bank als Prospektverfasserin zuzurechnen. Damit muß aber von ihrer Kenntnis der Unrichtigkeit dieser - für den Beteiligungssentschluß zweifellos maßgeblichen - Prospektan- gaben über zu erwartende Umsätze ausgegangen werden. Kannte die Emissionsbank aber die Unrichtigkeit bzw Unvollständigkeit maßgeblicher Prospektangaben, hätte sie den Anleger bei sonstiger Verpflichtung zum Schadenersatz darauf aufmerksam machen müssen.
Davon abgesehen wurde die Emissionsbank ihrer Garantenstellung auch dadurch nicht gerecht, daß sie die ohne weitere Begründung mitgeteilte Bestandsveränderung von 11,5 Mio S am 6. 9. 1988 auf 15,5 Mio S am 27. 9. 1988 im Prospekt berücksichtigte, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, den Grund der Erhöhung zu erfragen, geschweige denn zu prüfen. Gleiches gilt für das nicht weiter geprüfte erhebliche Ansteigen der Barkredite von 34,000.000 S auf 72,000.000 S innerhalb eines Jahres, das - obwohl für den Beteiligungsentschluß nicht unerheblich - im Prospekt keinen Niederschlag fand. Es mag schon sein, daß das Ansteigen des Barkreditvolumens für sich allein noch nichts über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens aussagt, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Aktiven der Gesellschaft gleichzeitig ansteigen. Ein sorgfältiger Prospektverantwortlicher hätte das massive Ansteigen des Barkreditvolumens zum Anlaß nehmen müssen, diesen Umstand zu überprüfen, um sicherzustellen, daß sich die im Prospekt angeführte Eigenkapitalquote nicht erheblich verschlechtert.
Die Auffassung der Vorinstanzen, die Emissionsbank hätte sich unter den hier aufgezeigten Umständen nicht mit einer Plausibilitätsprüfung zufriedengeben dürfen, sondern hätte die im Prospekt dargestellten Unternehmensdaten einer umfangreichen Kontrolle unterziehen müssen, ist angesichts des hier auf der Hand liegenden Verdachts mangelnder Vollständigkeit und Richtigkeit der von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht zu beanstanden. Daß eine von der Beklagten durchgeführte umfassende Kontrolle sowohl Vorausfakturierungen wie Abwertungsbedarf des Warenlagers ergeben hätte, ist nicht zweifelhaft.
Daß der Kläger durch die von der Beklagten zu vertretenden falschen und unvollständigen Prospektangaben zur Zeichnung der Aktien veranlaßt wurde, steht fest und wird von der Revision auch nicht in Abrede gestellt. Auf die Frage, ob jene Fakten, die im Prospekt unrichtig dargestellt wurden, kausal für die spätere Insolvenz waren, kommt es nicht an. Der Kläger hat den Beweis dafür erbracht, daß die im Prospekt (unrichtig) dargestellte wirtschaftliche Situation ausschlaggebend für den Aktienkauf war. Die Kausalität zwischen den unrichtigen Prospektangaben und seinem Anlageentschluß ist damit gegeben. Auch der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen den unrichtigen Prospektangaben und dem dann tatsächlich durch Konkurseröffnung später eingetretenen Schaden ist zu bejahen, soll doch die Verpflichtung zur sachlich richtigen und vollständigen Prospektinformation auch jene Schäden verhindern, die der Erwerber einer Kapitalanlage durch eine allfällige spätere Insolvenz der Gesellschaft erleidet.
Der Beklagte hat für den vom Kläger erlittenen Vertrauensschaden einzustehen (SZ 68/242). Schon das Berufungsgericht hat die durch den Aktienankauf erlangten Steuervorteile vom Ersatzbetrag in Abzug gebracht; insoweit ist die Abweisung eines Klageteilbetrages in Rechtskraft erwachsen.
Die Revision vertritt die Auffassung, der Kläger sei der ihn treffenden Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen; er sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Kursverlauf der Aktien zu verfolgen und hätte die Möglichkeit gehabt, diese nach ständigem Sinken des Kurses zu verkaufen. Dadurch wäre der Schade geringer oder ganz verhindert worden.
Zur Schadensminderungspflicht von Anlegern hat der Oberste Gerichtshof im Falle einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft (Kommanditist war eine Treuhänderin, die die Beteiligung im eigenen Namen aber auf Rechnung des Zeichners hielt) ausgesprochen, daß der geschädigte Zeichner verpflichtet sei, die Beteiligungsverhältnisse so kostengünstig und so schnell wie möglich zu beenden (SZ 68/242). Er stellte damals anläßlich der Entscheidung über einen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes grundsätzliche Erwägungen an, ohne noch die bei der Beurteilung der Schadensminderungspflicht regelmäßig heranzuziehenden Umstände des besonderen Falles berücksichtigen zu können. Die Pflicht des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten (das ist die "Rettungspflicht" oder "Rettungsobliegenheit") wird in § 1304 ABGB begründet. Der Geschädigte hat alles vorzukehren, um eine unnötige Vergrößerung des Schadens hintanzuhalten, er darf auch die Folgen oder Beschädigungen nicht durch Unterlassen des erforderlichen zumutbaren Verhaltens vergrößern oder verlängern. Vergrößert sich der Schade durch Handlungen oder Unterlassungen, die vom Willen des Geschädigten abhängen, und deren Vermeidung ihm möglich und zumutbar ist, darf dies nicht zu Lasten des Schädigers gehen (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 37, 38 zu § 1304). Es kommt daher maßgeblich auf die Zumutbarkeit der im Rahmen der Rettungspflicht geforderten Maßnahme an. Auch kann nur eine schuldhafte Verletzung der Rettungspflicht dem Geschädigten zum Nachteil gereichen, wobei allerdings schon leichte Fahrlässigkeit genügt (Reischauer aaO Rz 38).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Vertrauen auf die im Emissionsprospekt dargestellten besonders günstigen Wirtschaftsdaten der Aktiengesellschaft Aktien gekauft und eine Steuerbegünstigung in Anspruch genommen, zu deren Rückersatz er im Falle eines Wiederverkaufes der Aktien innerhalb von 10 Jahren verpflichtet wäre.
Als längerfristige Anlageform verspricht die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft eine Rendite, für die zwei Faktoren maßgeblich sind: der Kursgewinn und die Dividende. Während sich die Dividende als jährliche Gewinnausschüttung nach dem auf Vorschlag des Vorstandes zu fassenden Hauptversammlungsbeschluß richtet, sind für die Kursentwicklung einer Aktie nicht nur der generelle Börsentrend, die allgemeine Wirtschaftslage und die Zinsentwicklung sowie die konkreten anläßlich der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse bekanntgewordenen Daten der Gesellschaft, insbesondere deren Buchwert, sondern auch andere rationale und irrationale Gründe (so auch wie auch immer verbreitete Gerüchte) maßgeblich. Welche dieser Faktoren für die Kursentwicklung im Einzelfall maßgeblich sind, kann der einzelne - nicht professionelle - Anleger nie genau überblicken. Die Kursentwicklung läßt daher auch keine sicheren Schlüsse des einzelnen Anlegers auf Unternehmenswert und objektiven Wert seiner Beteiligung zu.
Dem Kläger als nicht professionellem Anleger war es daher nicht möglich, die im Jahr 1989 festgestellten Kursschwankungen (die durch die unterschiedlichsten Faktoren bewirkt sein konnten) richtig zu deuten. Wenngleich diese Kursschwankungen durch Berichte der Presse über eine "Talfahrt der AG" begleitet wurden, mußte er daraus noch nicht mit einem Verlust seiner Anlage rechnen, zumal sich die Schwankungen bis zuletzt noch immer im Bereich zwischen Nennwert und Ausgabekurs der Aktien bewegten und keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß die Gesellschaft tatsächlich insolvent werden könnte. Es war dem Kläger daher noch nicht zumutbar, eine Rettungsmöglichkeit durch Veräußerung seiner Beteiligung in Angriff zu nehmen. Dies auch schon deshalb, weil der Kläger die Aktien steuerbegünstigt erworben hatte und im Falle einer Veräußerung innerhalb von 10 Jahren mit dem Rückersatz der Steuerbegünstigung rechnen mußte. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß er die Steuerbegünstigung durch Ankauf anderer Wertpapiere hätte erhalten können, zumal mit der Veräußerung seiner Aktien und dem Ankauf anderer Wertpapiere nicht unerhebliche Spesen für ihn verbunden gewesen wären, deren Aufwand ihm angesichts des hier vorliegenden Sachverhalts nicht zugemutet werden konnte.
Der Kläger hat damit nicht gegen eine ihn treffende Schadensminderungspflicht verstoßen.
Der unberechtigten Revision wird ein Erfolg versagt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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