Spruch:
Bereits ausgelaufene Modelle technischer Erzeugnisse dürfen auf einer Messe - auch im Rahmen einer "Aktion" - nur dann besonders preisgünstig angekundigt werden, wenn gleichzeitig auf das Erzeugungsjahr dieser Produkte hingewiesen wird
OGH 26. 6. 1984, 4 Ob 341/84 (OLG Graz 4 R 41/84; LGZ Graz 7 Cg 460/83)
Text
Die Beklagte handelt (ua.) mit Hobelmaschinen und Tischkreissägen. Bis Ende 1982 hatte sie das ausschließliche Recht zum Import und Vertrieb des Heimwerkerprogramms der Josef S Maschinenfabrik GesmbH & Co. in A (Bundesrepublik Deutschland) in Österreich; seit 1983 steht dieses Recht der Klägerin zu. Da die Beklagte aus der Zeit vor 1983 noch über ein Lager von zirka 120 Hobelmaschinen und 400 Tischkreissägen der Firma S verfügte, bot sie diese Geräte im September und Oktober 1983 auf der Wiener, der Innsbrucker und der Grazer Herbstmesse zum Kauf an. Sie bediente sich dabei (ua.) jeweils einer zirka 1 m x 0.8 m großen, roten Ankündigungstafel, auf welcher in schwarzen Großbuchstaben zu lesen war: "AKTION HOBELMASCHINE HM O S 10 000"-; HM 1 S 10.760,-; HM 2 S 12.330,-
Inkl. MWST." Alle hier angekundigten Maschinen waren vor 1982 erzeugt worden; die angeführten Preise liegen um zirka 25 vH unter den Listenpreisen für S-Hobelmaschinen des Erzeugungsjahres 1983. An den Messeständen der Beklagten wurde anfragenden Interessenten gegenüber darauf hingewiesen, daß es sich um alte Maschinen handle; Maschinen des Erzeugungsjahres 1983 könnten aber jederzeit geliefert werden.
Mit der Behauptung, daß diese Ankündigung gegen § 2 UWG verstoße, weil sie das Baujahr der Maschinen verschweige und damit den irrigen Anschein eines besonders günstigen Angebotes erwecke, beantragt die Klägerin, die Beklagte (ua.) schuldig zu erkennen, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit, sei es auf Messen, sei es bei sonstigen Gelegenheiten, mit der beanstandeten "Aktion" zu werben; außerdem verlangt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in zwei Tageszeitungen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Alle zum Verkauf angebotenen Maschinen seien fabriksneu gewesen; die Beklagte habe sie zu angemessenen Preisen angekundigt und auch sonst gegen kein gesetzliches Verbot verstoßen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Als "Aktion" werde üblicherweise der auf einen kurzen Zeitraum beschränkte, spontane Abverkauf einer Ware zu reduzierten Preisen bezeichnet. Eine solche "Aktion" könne verschiedene Gründe haben; der Käufer einer "Aktionsware" müsse jedoch immer davon ausgehen, daß die betreffende Veranstaltung im Zweifel nicht zu seinem Vorteil, sondern im Interesse des Verkäufers durchgeführt wird. Es liege daher an ihm, sich nach dem Grund jeder einzelnen "Aktion" zu erkundigen. Erst wenn ihm auf diese Frage eine unrichtige oder sonst irreführende Auskunft erteilt werde, liege der Tatbestand einer Irreführung vor. Die Beklagte habe zwar das Baujahr der angekundigten Maschinen verschwiegen und damit Kunden anzulocken versucht; sie habe dann aber im Verkaufsgespräch wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, daß es sich um ältere Modelle handelt, und sich damit keines Verstoßes gegen § 2 UWG schuldig gemacht.
Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit auf Messen eine Werbung mit der hier beanstandeten "Aktion" zu unterlassen, und gab insoweit auch dem Veröffentlichungsbegehren der Klägerin statt; das Mehrbegehren, der Beklagten eine derartige Werbung auch außerhalb von Messen zu untersagen, blieb abgewiesen. Zugleich sprach das Berufungsgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 15 000 S, nicht aber 300 000 S übersteige - was nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auch für den hier maßgebenden (gesamten) Streitgegenstand zutrifft, über den das Berufungsgericht entschieden hat (§ 502 Abs. 4 Z 2 ZPO) - und die Revision in diesem Umfang zulässig sei. Auch bei einem sogenannten "Aktionsangebot" könne das Verschweigen des Gründes der Preisreduktion im Einzelfall zur Irreführung des Publikums iS des § 2 UWG geeignet sein. Dies treffe jedenfalls dann zu, wenn eine solche "Aktion" auf einer Messeveranstaltung angekundigt wird. Während ein derartiges Angebot im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ua. auch aus Gründen der Überalterung der Ware so üblich geworden sei, daß dem Verschweigen dieses Umstandes nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung zukomme, erwarte das interessierte Publikum auf Messen oder ähnlichen Veranstaltungen keine veralteten oder ausgelaufenen Modelle, sondern einen Überblick über den letzten Stand der technischen Entwicklung. Wer also auf einer solchen Veranstaltung ausgelaufene Modelle früherer Jahrgänge zu herabgesetzten Preisen anbietet, ohne auf diesen wesentlichen Umstand hinzuweisen, erwecke den irrigen Anschein eines besonders günstigen Angebotes und verstoße damit gegen § 2 UWG.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist zulässig, weil sich der OGH mit der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von "Aktionsangeboten" ausgelaufener Modelle auf Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bisher noch nie zu befassen hatte und schon aus diesem Grund die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs. 4 Z 1 ZPO).
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht zwar keine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen, weil der Werbende grundsätzlich nicht auf die Nachteile seiner eigenen Ware hinzuweisen braucht. Eine solche Aufklärungspflicht kann sich aber im Einzelfall dann ergeben, wenn eine entsprechende Information des Geschäftsverkehrs nach den Umständen zu erwarten war. Das wird vor allem überall dort der Fall sein, wo einer bestimmten Tatsache nach der Verkehrsauffassung eine solche Bedeutung zukommt, daß die Nichterwähnung dieses Umstandes geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, so insbesondere dann, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (ÖBl. 1981, 21; ÖBl. 1982, 126; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 23; ebenso Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht[14], 997 ff. § 3 dUWG RN 48 ff.).
Davon ausgehend hat das Berufungsgericht die Eignung der hier beanstandeten Ankündigung zur Irreführung des Käuferpublikums mit Recht bejaht. Ob der technische Gebrauchswert der von der Beklagten angebotenen Hobelmaschinen demjenigen neuester Modelle entsprochen hatte, ist nicht entscheidend; es kommt vielmehr allein darauf an, ob der Umstand, daß es sich jeweils um neueste Modelle und nicht etwa um Restbestände aus einem früheren Verkaufsprogramm handelt, auch bei Waren dieser Art den Kaufentschluß eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise maßgeblich beeinflussen kann. Das ist aber zu bejahen, weil das Publikum in einem neuen Produkt vielfach das Ergebnis technischen Fortschritts sieht und es daher - nicht zuletzt unter dem massiven Einfluß von Werbemaßnahmen, in denen immer wieder das jeweils Neue ganz besonders hervorgehoben wird - von vornherein für besser und wertvoller hält als ein anderes Erzeugnis, das zwar vielleicht den gleichen technischen Gebrauchswert hat, aber aus einem früheren Erzeugungsjahr stammt. Beim Vertrieb technischer Erzeugnisse eines Unternehmens, das sein Verkaufsprogramm - wie hier die Beklagte - periodisch ändert, dürfen deshalb Restposten früherer Erzeugungsprogramme nicht auf eine solche Weise angeboten werden, daß dadurch der Eindruck erweckt wird, es handle sich um ein besonders günstiges Angebot aus dem jeweils aktuellen Verkaufsprogramm (ÖBl. 1981, 21; vgl. dazu auch Baumbach-Hefermehl aaO 998 RN 49).
Ob die Bezeichnung eines besonders preisgünstigen Angebotes als "Aktion" regelmäßig ausreicht, um einer solchen irrigen Annahme der angesprochenen Kaufinteressenten vorzubeugen und eine Irreführung über das Erzeugungsjahr der angebotenen Produkte auszuschließen, kann hier auf sich beruhen; Gegenstand der Revision ist allein die Frage, ob beim Angebot technischer Erzeugnisse auf einer Messe bereits ausgelaufene und daher "veraltete" Modelle im Rahmen einer solchen "Aktion" besonders preisgünstig angekundigt werden dürfen, ohne daß gleichzeitig auf das Erzeugungsjahr dieser Produkte hingewiesen wird. Das hat aber das Berufungsgericht zu Recht verneint, weil das Publikum gerade auf einer Messe oder auf einer ähnlichen Veranstaltung ein dem letzten Stand der technischen Entwicklung entsprechendes Angebot erwartet und daher - auch im Rahmen einer "Aktion" - mangels eines besonderen Hinweises des Verkäufers davon ausgehen wird, hier nur das jeweils "aktuelle", auf dem letzten Stand befindliche Erzeugungsprogramm zu finden.
Die gegenteiligen Ausführungen der Revision können nicht überzeugen. Die Beklagte kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen auf ihren Messeständen anfragende Interessenten im Zuge des Verkaufsgespräches ohnehin auf das ältere Baujahr der angebotenen Hobelmaschinen hingewiesen wurden; ein nicht unerheblicher Teil der durch die irreführende Ankündigung der Beklagten angelockten Kaufinteressenten wird sich nämlich auch nach der Aufklärung dieses Irrtums mit dem Angebot der Beklagten näher befassen und damit zum Vertragsabschluß eher geneigt sein als andere Personen, die in Kenntnis der wahren Sachlage den Messestand der Beklagten gar nicht erst aufsuchen (ähnlich bereits 4 Ob 410/83).
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