Spruch:
Auch bei einer Kollision zwischen dem Namensrecht, dem Firmenrecht oder dem Recht an der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens (§ 9 Abs. 1 UWG) einerseits und dem Markenrecht (§ 9 Abs. 3 UWG) andererseits entscheidet der Zeitvorrang (die Priorität)
Die Verwendung einer Marke oder eines Markenbestandteils als Firma (Firmenbestandteil) oder Unternehmensbezeichnung ist ein "markenmäßiger Zeichengebrauch" im Sinne des § 13 MSchG
OGH 5. Mai 1981, 4 Ob 339/81 (ÖBl. 1981, 162 (Schönherr))(OLG Wien 3 R 13/81; HG Wien 18 Cg 140/80)
Text
Die seit dem 19. Feber 1980 im Handelsregister Wien protokollierte Klägerin "EURO-TV-PRODUCTION Gesellschaft m. b. H." befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Magnetaufzeichnungen für Fernsehtechnik.
Geschäftsführer der Beklagten wie auch der Werner P GesmbH ist Werner P; zu seinen Gunsten ist beim Österreichischen Patentamt mit der (Anmeldungs-) Priorität vom 31. Jänner 1980 und dem Beginn der Schutzdauer am 5. Mai 1980 die Wortbildmarke Nr. 93 861 "EURO TV PRODUCTION" für die Klasse 35 (Werbung in Rundfunk, Fernsehen und Kinos (Film- und Magnetaufzeichnungen)) 38 (Fernsehprogramme (Film- und Magnetaufzeichnungen)), und 41 (Produktion und Herstellung von Fernsehprogrammen, Spielfilmen und Unterhaltungssendungen (Film- und Magnetaufzeichnungen)) eingetragen. Die Beklagte und die Werner P GesmbH haben ihren Sitz in Wien 18, S-Straße 38, und besitzen dort dieselben Telefonanschlüsse; an der Eingangstüre dieses Hauses war am 21. Oktober 1980 eine Tafel mit der Aufschrift: "EURO TV PRODUCTION" in der Form der Wortbildmarke Nr. 93 861 angebracht. Werner P hat der Beklagten gestattet, diese Marke zu benützen.
Am 21. Juni 1980 gab Walter L - ein Angestellter der Beklagten - in der Tageszeitung "Kurier", Spalte "Tiermarkt", nachstehendes Inserat auf: "EURO-TV-Produktion sucht für TV-Film sprechende Vögel. Montag bis Freitag. Telefon 47 53 23 oder 47 41 34, Herr Walther L."
Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch dieses Verhalten die Firma der Klägerin in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise mißbraucht habe, weil insbesondere das Türschild am Haus S- Straße 38 nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht als Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung, sondern als Hinweis auf ein dort ansässiges Unternehmen gleichen Namens angesehen werde, beantragt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, "im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung EURO-TV-PRODUCTION oder EURO-TV-PRODUKTION zu verwenden oder unter diesen Bezeichnungen aufzutreten, wenn dies nicht durch zeichengerechte Verwendung der für Werner P registrierten Wortbildmarke "EURO (TV) PRODUCTION (Reg. Nr. 93 861) zur bloßen Herkunftsbezeichnung von Waren oder Dienstleistungen der Beklagten geschieht."
Die Beklagte hat sich gegen den Sicherungsantrag ausgesprochen. Wegen des Zeitungsinserates vom 21. Juni 1980 habe die Klägerin zu 18 Cg 77/80 des Handelsgerichtes Wien eine inhaltsgleiche, in Rechtskraft erwachsene einstweilige Verfügung gegen Werner P und die Werner P GesmbH erwirkt; da dieses Unterlassungsgebot nach seiner Begründung auch gegen die nunmehrige Beklagte und insbesondere deren Geschäftsführer Werner P gelte, habe die Klägerin insoweit kein Rechtsschutzinteresse, "bzw. liege diesbezüglich entschiedene Sache vor." Mit der Tafel am Eingang des Hauses S-Straße 38 habe die Beklagte nur die Herkunft ihrer dort erbrachten Dienstleistungen gekennzeichnet.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Das beanstandete Zeitungsinserat erwecke den Eindruck, daß es von einer Firma EURO-TV-Produktion aufgegeben wurde, und könne daher Verwechslungen mit der Firma der Klägerin herbeiführen; gegenüber dieser Firma komme der Marke des Werner P keine Priorität zu, weil dieses Markenrecht erst mit seiner Eintragung am 5. Mai 1980 entstanden sei. Die am Eingang des Hauses S-Straße 38 angebrachte Tafel sei zwar eine genaue Wiedergabe der Wortbildmarke des Werner P; sie werde aber offensichtlich nicht zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen, sondern als Bezeichnung eines dort etablierten Unternehmens gebraucht und sei daher gleichfalls zur Herbeiführung von Verwechslungen mit der Firma der Klägerin geeignet. Da die zu 18 Cg 77/80 des Handelsgerichtes Wien gegen Werner P und die Werner P GesmbH erlassene einstweilige Verfügung nicht gegen die - an diesem Sicherungsverfahren nicht beteiligte - Beklagte wirke, sei der Unterlassungsanspruch der Klägerin bescheinigt.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Gemäß § 9 UWG entscheide beim Zusammentreffen mehrerer - auch verschiedenartiger - Schutzrechte der zeitliche Vorrang (die Priorität). Da die Firma einer GesmbH mit der Eintragung in das Handelsregister entstehe (§§ 2, 5 GmbHG), während das Recht der Priorität an einer Marke gemäß § 23 MSchG mit dem Tag ihrer ordnungsgemäßen Anmeldung erlangt werde, müsse die am 19. Feber 1980 registrierte und daher jüngere Firma der Klägerin der schon am 31. Jänner 1980 angemeldeten und demgemäß prioritätsälteren Wortbildmarke Nr. 93 861 weichen, wenn dieses Markenrecht nach den Bestimmungen des Markenschutzgesetzes zu Recht bestehe; diese - vom Gericht im Verfahren nach § 9 Abs. 3 UWG selbständig zu prüfende - Vorfrage sei aber nach Ansicht des Rekursgerichtes zu bejahen. Werner P habe seine Wortbildmarke der Beklagten zur Benützung überlassen; die prioritätsjüngere, mit dem Wortbestandteil dieser Marke wörtlich übereinstimmende Firma der Klägerin verletze daher ungeachtet dessen, daß sie den Vorschriften des Firmenrechtes entspreche und im Handelsregister eingetragen sei, die Markenrechte des Werner P bzw. der Beklagten. Da sich die Klägerin unter diesen Umständen ihrer Firma nicht "befugterweise" im Sinne des § 9 Abs. 1 UWG bediene, könne sie den Schutz dieser Gesetzesstelle nicht in Anspruch nehmen. Die Klägerin habe zwar die "zeichengerechte Verwendung" der Wortbildmarke "zur bloßen Herkunftsbezeichnung von Waren oder Dienstleistungen der Beklagten" von dem beantragten Unterlassungsgebot ausgenommen, doch umfasse die Verwendung einer Marke zur "Kennzeichnung" von Waren oder Dienstleistungen nach § 13 MSchG auch den Gebrauch des Zeichens auf Gefäßen und Umhüllungen sowie in Ankündigungen und Geschäftspapieren. Die Klägerin wolle das Markenrecht des Werner P einerseits unter das gesetzliche Ausmaß beschränken und andererseits ihrer Firma einen Schutz sichern, der ihr nicht zukomme; da die im Begehren genannten Schutzrechte nicht nebeneinander bestehen könnten, sei ihr Unterlassungsanspruch zur Gänze unbegrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des OGH (ÖBl. 1976, 29; ÖBl. 1976, 77; ÖBl. 1980, 159 u. a., zuletzt etwa 4 Ob 397/80; ebenso Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 53) zutreffend davon ausgegangen, daß auch bei einer Kollision zwischen dem Namensrecht, dem Firmenrecht oder dem Recht an der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens (Etablissementbezeichnung) einerseits und dem Markenrecht andererseits immer der Zeitvorrang (die Priorität) entscheidet. Ebenso wie sich das jüngere, erst durch die Registrierung begrundete Markenrecht eine Einschränkung durch das ältere und demgemäß stärkere Recht zur Führung eines Namens (einer Firma, einer Etablissementbezeichnung) gefallen lassen muß (ÖBl. 1980, 132; ÖBl. 1980, 134; ÖBl. 1981, 24), hat umgekehrt auch das Recht an einem der in § 9 Abs. 1 UWG genannten Unternehmenskennzeichen dem früher begrundeten und daher prioritätsälteren Markenrecht zu weichen. Im konkreten Fall kommt der Wortbildmarke des Werner P, welche schon am 31. Jänner 1980 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden war, der Zeitvorrang gegenüber der erst am 19. Feber 1980 protokollierten Firma der Klägerin zu; die gegenteilige Auffassung der Klägerin, welche hier unter Hinweis auf § 23 Abs. 2 MSchG (gemeint wohl: § 19 Abs. 1 in der Fassung der MSchGNovelle 1977) auf den Zeitpunkt der Registrierung und damit des Beginnes der Schutzdauer der Marke abstellen will, geht am klaren Wortlaut des § 23 Abs. 1 MSchG vorbei.
Diesem Zeitvorrang der Wortbildmarke Nr. 93 861 gegenüber ihrem Firmenrecht hat die Klägerin selbst dadurch Rechnung getragen, daß sie von dem Verbot der Bezeichnung "EURO-TV-PRODUCTION" oder "EURO-TV-PRODUKTION" die "zeichengerechte Verwendung" der Wortbildmarke des Werner P "zur bloßen Herkunftsbezeichnung von Waren oder Dienstleistungen der Beklagten" ausdrücklich ausgenommen wissen will. Da sie damit zugleich den Rechtsbestand der Wortbildmarke Nr. 93 861 - zumindest für das Provisorialverfahren - selbst anerkannt und die Registrierbarkeit dieses Zeichens auch sonst mit keinem Wort in Zweifel gezogen hat, braucht auf die ausführlichen Darlegungen des angefochtenen Beschlusses über die Schutzfähigkeit der Marke des Werner P ebensowenig eingegangen zu werden wie auf die von der Klägerin in ihrem Revisionsrekurs - erstmals - in dieser Richtung vorgetragenen Bedenken. Soweit die Klägerin aber auch weiterhin die Auffassung vertritt, daß weder die Zeitungsanzeige vom 21. Juni 1980 noch die Tafel am Eingang des Hauses S- Straße 38 als "zeichengerechter Gebrauch" im oben erwähnten Sinne angesehen werden könnten, ist ihr das Rekursgericht mit Recht nicht gefolgt. Als "Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung" und damit als "markenmäßiger Gebrauch" eines Zeichens ist nach der Begriffsbestimmung des § 13 MSchG (i. d. F. der MSchGNovelle 1969) nicht nur der Gebrauch des Zeichens an der Ware selbst oder an Gegenständen, an denen die Dienstleistung ausgeführt wurde oder ausgeführt werden soll oder die zur Erbringung von Dienstleistungen benützt werden, zu verstehen, sondern auch der Gebrauch auf Gefäßen oder Umhüllungen sowie in Ankündigungen und Geschäftspapieren. Der Klägerin ist nun ohne weiteres zuzugeben, daß die Beklagte den Wortbestandteil der österreichischen Marke Nr. 93 861 in dem beanstandeten Zeitungsinserat als namensmäßigen Hinweis auf ihr Unternehmen benützt und den gleichen Eindruck auch durch das mehrfach erwähnte Türschild erweckt hat; auch eine solche Verwendung der Marke als Firma (Firmenbestandteil) oder Unternehmensbezeichnung ist aber als "markenmäßiger" Zeichengebrauch anzusehen, weil sie zwar unmittelbar die Person des Unternehmensinhabers, mittelbar aber auch die Herkunft der aus diesem Unternehmen stammenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnet (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 15 Abs. 1, § 16 dWZG vgl. Baumbach - Hefermehl, Warenzeichenrecht[11], 554 § 15 WZG RZ 8, 555 f. RZ 12 und 13; Busse, WZG[5], 432 f. § 15 RZ 14). Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, die Beklagte habe die ihr von Werner P zur Benützung überlassene Wortbildmarke nicht "zeichengerecht" gebraucht, ist demnach nicht stichhältig.
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