Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des mit Klage geltend gemachten Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort untersagt, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der Tageszeitung "S*****" den Verkauf einer Kaffeemaschine Rowenta Filterautomat und eines SABA Stereo-Walkman-Cassettenspielers mit Stereo-Ohrhörern und Gürtelclip im Wert von rund S 500 zum Preis von S 50 bei Bestellung eines Jahresabonnements der genannten Tageszeitung anzukündigen."
Die beklagte Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen selbst zu tragen; die klagende Partei hat diese Kosten vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
In der - im Wege des Postwurfs versandten - Ausgabe der "S*****" vom 11. April 1997 kündigte die Beklagte auf Seite 27 an, daß der Erwerber eines Jahresabonnements der Zeitung ein "Kombiangebot", bestehend aus einer Kaffeemaschine der Marke Rowenta und einem Stereo-Walkman-Cassettenspieler der Marke SABA um den Gesamtpreis von S 50 erwerben könne.
Die Beklagte hatte sowohl mit der Rudolf L***** GmbH als auch mit der Firma E***** in S***** eine Vereinbarung geschlossen, wonach sie diesen Unternehmern verschiedene Waren abkaufe, diese hingegen etwa in Höhe des Fakturenwerts der Waren Anzeigen in der S***** einschalten ließen. Von der Firma E***** bezog die Beklagte einen Video-Recorder samt Kassetten zum Nettobetrag von S 6.290 und verschiedene andere Waren, darunter 10 SABA-Walkman zu S 125 netto. Die Beklagte verrechnete ihrerseits der Firma E***** für Einschaltungen in der S***** im Zeitraum vom 30.November 1996 bis 30. Juni 1997 insgesamt S 34.718 zuzüglich 10 % Anzeigenabgabe und 20 % Mehrwertsteuer. Die von der Firma E***** bezogenen Waren wurden mit den Inseratenentgelten gegenverrechnet. Die eigenen Kosten der Beklagten für die Einschaltungen der Firma E***** belaufen sich für die anteiligen Druckkosten plus Farbzuschlag und Porto zuzüglich eines 20 %igen Aufschlags für die Verwaltungstätigkeit auf S 980 je Inserat. Die Eigenkosten für die ersten vier Inserate belaufen sich auf S 3.990,-, für fünf Inserate auf S 4.900. Die zehn SABA Walkman um S 1.250 machen 3,84 % des von der Firma E***** bezogenen Warenwertes von netto S 32.540 aus. Zieht man von den Gesamtanschaffungskosten der SABA Walkman von netto S 1.250 3,84 % des "Deckungsbeitrages" (= Nettogesamtwert abzüglich Eigenkosten der Beklagten) auf der Grundlage von vier Inseratenrechnungen ab, ergibt sich ein verbleibender Betrag von S 375,56 oder ein kalkulierter Preis pro Walkman von S 37,46, bei Berücksichtigung der fünf Inseratenrechnungen ergibt sich nach dieser Berechnungsmethode ein Stückpreis von S 10,50 pro Walkman.
Von der Rudolf L***** GmbH kaufte die Beklagte Waren im Nettogesamtwert von S 14.518,84; darin befinden sich Kaffeeautomaten im Nettowert von S 4.966,67 (= 34,21 % der Fakturensumme). Der Stückpreis je Kaffeeautomat betrug netto S 248,33. Der Rudolf L***** GmbH verrechnete die Beklagte für Einschaltungen netto S 18.000. Die Eigenkosten der Beklagten für Druck, Farbzuschlag, Porto und 20 %igen Verwaltungsaufschlag betrugen S 10.593, so daß sich für ein von der Rudolf Leiner eingeschaltetes Inserat ein "Deckungsbeitrag" von S
7.407 errechnet. Aus der Differenz zwischen dem Nettogesamtpreis für die 20 Kaffeeautomaten von S 4.966 und 34,21 % (Anteil der Kaffeeautomaten an der gesamten Nettorechnungssumme) des Deckungsbeitrages ergibt sich ein kalkulierter Preis je Kaffeeautomat in der Höhe von S 121,64. Der Bruttoeinkaufspreis für das "Kombiangebot" betrug ohne Berücksichtigung der geschilderten Kalkulation aus Gegengeschäften S 447,99.
Bei der M***** S***** GmbH kostete im April 1997 ein Rowenta Filterautomat S 259 brutto, bei der M***** V***** GmbH kostete ein SABA Walkman mit Cassettenspieler im selben Monat S 249 brutto.
Mit der Behauptung, daß der Preis von S 50 ein bloßes Scheinentgelt sei, weil ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenwaren und dem dafür geforderten Entgelt vorliege, beantragt der klagende Wettbewerbsverband zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der Tageszeitung "S*****" den Verkauf einer Kaffeemaschine Rowenta Filterautomat und eines SABA Stereo Walkman-Cassettenspielers mit Stereo-Ohrhörern und Gürtelclip im Wert von rund S 500 zum Preis von S 50 bei Bestellung eines Jahresabonnements der Tageszeitung "S*****" anzukündigen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe den Preis von S 50 unter Berücksichtigung der Gegengeschäfte ordnungsgemäß kalkuliert. Gehe man demnach davon aus, daß der Beklagten die beiden Gegenstände im Einkauf rund S 140 gekostet haben, dann liege bei einem Abgabepreis von 35 % noch kein Scheinpreis vor, weil die Ware auch unter dem Einstandspreis abgegeben werden dürfe, solange kein krasses Mißverhältnis vorliege.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ob ein Scheinentgelt im Sinn des § 9 a UWG vorliege, bestimme sich vor allem danach, ob die Nebenware ordnungsgemäß kalkuliert worden sei und damit der für sie ausgeworfene Preis auch materiell ein echtes Entgelt bilde. Daß dieses Entgelt im Einzelfall unter dem üblichen Endverbraucherpreis liege oder nicht einmal die Kosten der Anschaffung des betreffenden Gegenstandes decke, schließe eine ordnungsgemäße, nach den Umständen des Falls auch wirtschaftlich vertretbare Kalkulation und damit die Annahme eines echten Preises keineswegs immer aus. Erst ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware und dem für sie geforderten Entgelt werde regelmäßig die widerlegbare Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten Scheinvergütung begründen. Unter Berücksichtigung der Gegengeschäfte ergebe sich für die beiden Waren des Kombiangebotes ein kalkulierter Stückpreis von S 159,10 oder S 132,14. Bei einem Vergleich dieser Preise mit dem Verkaufspreis von S 50 ergebe sich, daß keine Scheinvergütung zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit vorliege.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Scheinpreis könnte im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Entgelt von S 50 für sonst nur um etwa S 450 erhältliche Waren ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware und dem für sie geforderten Entgelt angenommen werden. Die Beklagte habe aber den ihr offenstehenden Gegenbeweis erbracht, daß dieses "Mißverhältnis" aufgrund ihrer Gegengeschäfte und deren Einbeziehung in eine ordnungsgemäße Kalkulation so weit relativiert werde, daß nicht mehr angenommen werden könne, der geforderte Preis diene nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit. Unter Einbeziehung dieser wirtschaftlich durchaus vertretbaren Kalkulation liege der verlangte Preis für das Kombiangebot deutlich über 30 % der Anschaffungskosten, welche der Beklagten entstanden sind. Damit liege die Preisgestaltung für das Kombiangebot in einem Bereich, bei welchem der Oberste Gerichtshof den von der klagenden Partei zu erbringenden Beweis einer Scheinvergütung nicht mehr als erbracht angesehen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, weil die angefochtene Entscheidung nicht mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des Begriffes "Scheinentgelt" im Sinn des § 9 a Abs 1 UWG in Einklang steht; er ist auch berechtigt.
Nach § 9 a Abs 1 Z 1 UWG kann (ua) auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt. Das gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.
Zu der gleichlautenden Bestimmung des § 1 Abs 2 ZugG hat der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß sich die Frage, ob ein "Scheinentgelt" vorliegt, vor allem danach bestimme, ob die Nebenware (Nebenleistung) ordnungsgemäß kalkuliert worden und damit der für sie ausgeworfene "Preis" auch materiell ein echtes Entgelt ist. Daß dieses Entgelt im Einzelfall möglicherweise unter dem üblichen Endverbraucherpreis liegt, ja vielleicht sogar nicht einmal die Kosten der Anschaffung des betreffenden Gegenstandes deckt, schließt eine ordnungsgemäße, nach den Umständen des Falles auch wirtschaftlich vertretbare Kalkulation und damit die Annahme eines "echten" Preises keineswegs immer aus; erst ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware (Nebenleistung) und dem für sie geforderten "Entgelt" wird regelmäßig die - widerlegbare - Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten "Scheinvergütung" begründen (ÖBl 1984, 68 - Club X - Zeitung - Sonderangebot mwN aus dem Schrifttum; ÖBl 1987, 132 - Maria-Theresien-Luster). Die Beweislast für das Vorliegen einer bloßen "Scheinvergütung" trägt dabei regelmäßig der Kläger (ÖBl 1984, 68 - Club X Zeitung - Sonderangebot).
Daß die umworbenen Kunden irrig meinen, die billige Nebenware(-leistung) sei eine unentgeltliche Zugabe, macht sie noch nicht dazu (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19, 1442 Rz 49 zu § 1 ZugabeVO mwN aus der Rechtsprechung des BGH). Ob ein Scheinentgelt vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem Eindruck des Verkehrs, sondern nach der realen Kalkulation des Anbieters (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19, aaO; Köhler/Piper, UWG 988, Rz 10 zu § 1 ZugabeVO je mwN aus der Rechtsprechung). Von einem "Scheinpreis" kann jedenfalls nicht mehr gesprochen werden, wenn dieser wenigstens die Einstandskosten des Verkäufers deckt (Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht2, 53). Je krasser das Mißverhältnis des Entgelts zum Marktpreis ist, desto stärker ist dies ein Indiz für ein Scheinentgelt (BGH GRUR 1966, 214 - Einführungsangebot; Köhler/Piper aaO). Die kritische Grenze ist erreicht, wenn das Entgelt die Selbstkosten auch nicht annähernd deckt, die Nebenleistung also offensichtlich subventioniert wird (Köhler/Piper aaO). Freilich kann der Anbieter den Anschein eines Scheinentgeltes widerlegen, wenn er wirtschaftlich vertretbare Gründe für die Geringfügigkeit des Entgelts - wie etwa die Neueinführung oder Räumung der zugewendeten Ware - darlegt (BGH GRUR 1966, 214 - Einführungsangebot).
Im Fall der Entscheidung ÖBl 1983, 18 - Zeitungs-Testaktion verneinte der Oberste Gerichtshof das Vorliegen eines Scheinpreises für ein "Kombi-Quirl-Set", das im Großhandel S 505 kostete, neben einem Zeitungsabonnement aber um S 195 abgegeben wurde. Das Verhältnis des ermäßigten Kaufpreises zu dem festgestellten Großhandelspreis rechtfertige nicht die Annahme eines Scheinpreises; das habe nicht einmal der Kläger selbst behauptet.
In der Entscheidung ÖBl 1984, 68 - Club X-Zeitung-Sonderangebot führte der Oberste Gerichtshof aus, daß der Kläger zwar von einem auffallenden Mißverhältnis zwischen dem Wert der als Zugabe angebotenen Kaffeemaschine und dem geforderten "Kostenbeitrag" von S 99 gesprochen habe, diesen Wert aber nie konkret beziffert habe. Damit sei ein Zugabenverstoß nicht einmal schlüssig behauptet worden. Ein sittenwidriges "Vorspannangebot" sei gleichfalls zu verneinen, wenn bei der Werbung für eine Tageszeitung die Möglichkeit geboten werde, bei Bestellung eines Jahresabonnements um S 1.308 einen Kaffeeautomaten, der im Handel S 540 koste, um einen Kostenbeitrag von S 99 zu erwerben.
Die Preisdifferenz von S 990 für einen Luster und dem beim Kauf eines Schlafzimmers den Kunden hiefür verrechneten Betrag von S 99 bewertete der Oberste Gerichtshof hingegen als krasses Mißverhältnis; eine solche Preisdifferenz sei im Rahmen einer ordnungsgemäßen, wirtschaftlich vertretbaren Kalkulation bei einem nicht kurzfristigen Modetendenzen unterliegenden langlebigen Wirtschaftsgute, wie einem Maria-Theresien-Luster nicht denkbar (ÖBl 1987, 132 - Maria-Theresien-Luster).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt an, dann ist dem Kläger darin beizupflichten, daß die Beklagte für die als Nebenware zum Jahresabonnement der Zeitung angebotenen Waren bloß einen Scheinpreis verlange:
Für Verbraucher - an welche sich ja die Beklagte mit ihrer Werbung richtet - sind die beiden Waren nach den Feststellungen in preisgünstigen Geschäften um etwas mehr als S 500 erhältlich (S 259 plus S 249). Selbst wenn man die festgestellten Preise als die üblichen Marktpreise ansehen wollte, betrüge der von der Beklagten verlangte Preis von S 50 weniger als 10 %. Das bedeutet ein krasses Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware und dem dafür geforderten Entgelt.
Entgegen der Meinung der Vorinstanzen konnte die Beklagte mit der von ihr dargelegten Kalkulation die Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten Scheinvergütung nicht entkräften:
Selbst wenn man von den Zahlen der Beklagten ausgeht, liegt das beanstandete Entgelt beträchtlich unter ihren Einstandskosten. Danach hätte sie für jeden Kaffeeautomat S 121,64 und für einen SABA Walkman - je nach Berücksichtigung von vier oder fünf Inseraten - S 37,46 oder S 10,50 gezahlt; für beide Waren zusammen hatte sie demnach - nach ihrer Berechnungsweise - zwischen rund S 132 und etwa S 160 zu zahlen. Der von ihr verlangte Preis liegt somit nicht nur weit unter dem Marktwert, sondern auch um rund 2/3 unter dem Einstandspreis. Der vom Rekursgericht angestellte Vergleich mit der Entscheidung ÖBl 1984, 68 - Club X-Zeitungs-Sonderangebot ist demnach unzutreffend, weil dort einem Verkaufspreis von S 540 der Abgabepreis von S 99 gegenübergestellt wurde; im vorliegenden Fall hat aber das Rekursgericht den Abgabepreis von S 50 mit den - unter Einbeziehung von Gegengeschäften berechneten - Anschaffungskosten verglichen.
Da schon auf der Grundlage der sich aus den Berechnungen der Beklagten ergebenden Einstandskosten der Preis von S 50 als Scheinpreis zu beurteilen ist, braucht nicht mehr näher auf die Frage eingegangen zu werden, ob diese Kalkulation "ordnungsgemäß" ist, obwohl einer Kalkulation - wie der Kläger zutreffend ausführt - grundsätzlich auch die anteiligen Fixkosten (für Personal und verschiedene Unternehmenseinrichtungen) zuzuschlagen sind und die Beklagte sonst aus Einschaltungen auch einen Gewinn erzielt.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs des Klägers stattzugeben und in Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen die einstweilige Verfügung zu erlassen.
Der Ausspruch über die dem Kläger erwachsenen Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 52 ZPO, für das Rechtsmittel noch iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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