Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 669,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol hatte für die Winterschlußverkäufe im Bundesland Tirol - mit Ausnahme einiger Wintersportorte - für den Handel mit Textil-, Wirk-, Woll- und Strickwaren, textilen Kurzwaren und Lederbekleidung einschließlich der Erzeugerbetriebe dieser Waren die Zeit vom 25.1. bis einschließlich 15.2.1986 festgesetzt. Sie hatte diesen Termin in ihrem an die Kammermitglieder kostenlos abgegebenen Mitteilunsblatt "tgw" ("Tirols gewerbliche Wirtschaft") vom 7.12.1985 (Beilage G) und in der "Österreichischen Textilzeitung" - der Wochenzeitschrift des Bundesgremiums des Textilhandels - vom 5.12.1985 (Beilage D) veröffentlicht. Eine Verlautbarung im "Boten für Tirol" - der für amtliche Kundmachungen bestimmten Landeszeitung - war hingegen voerst unterblieben, weil das betreffende Poststück in Verlust geraten war; erst am 24.1.1986, dem Tag vor Beginn des Schlußverkaufes, wurde diese Veröffentlichung im "Boten für Tirol" nachgeholt.
Die beklagte GmbH betreibt unter der Etablissementbezeichnung "Moda" im Standport Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 34, den Einzelhandel mit Textilien. Sie warb am 8.1.1986 in der "Tiroler Tageszeitung" für eine Reihe von Waren mit "statt"-Preisen, wobei die höheren, kleingedruckten Preise mit roten Schrägbalken durchgestrichen und die niedrigeren, größer gedruckten Preise ebenso durch roten Druck hervorgehoben waren wie das Wort "A***!!" (Beilage C). Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der klagende Verband, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, a) in Vorwegnahme des von der zuständigen Kammer der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 5 Abs 1 AusvG
festgesetzten Saisonschlußverkaufstermines 4 Wochen vor der
festgesetzten Saisonschlußverkaufsfrist besondere Preisherabsetzungen, Preisgegenüberstellungen, Sonderaktionen udgl. bekanntzumachen oder mitzuteilen, sowie b) eine Preisgegenüberstellung zwischen einem höheren, mit "statt" bezeichneten oder "sonstwieimmer entwerteten" Preis und einem eigenen niedrigeren Verkaufspreis anzukündigen, wenn nicht in derselben Ankündigung gleich wirksam, unübersehbar und unmißverständlich ausgesagt wird, von welcher Art der höhere, entwertete Preis ist.
Die beanstandete Werbung erwecke den Eindruck eines nach § 5 Abs 3 AusvG verbotenen "vorweggenommenen" Saisonschlußverkaufes und verstoße damit auch gegen § 1 UWG. Sie sei darüber hinaus zur Irreführung im Sinne des § 2 UWG geeignet, weil sie den Durchschnittskonsumenten über die Natur der durchgestrichenen Preise im unklaren lasse.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Mit der beanstandeten Ankündigung in der "Tiroler Tageszeitung" habe die Beklagte innerhalb der vierwöchigen Sperrfrist des § 5 Abs 3 AusvG einen termingebundenen Abschnittsschlußverkauf im Sinne der § 1, Abs 2, § 5 Abs 1 AusvG in unzulässiger Weise vorweggenommen und damit zu Zwecken des Wettbewerbs gegen die guten Sitten verstoßen (§ 1 UWG). Auf die Zulässigkeit der Ankündigung einer Preisgegenüberstellung durch Anführung von "statt"-Preisen müsse unter diesen Umständen ebensowenig eingegangen werden wie auf die Frage der gehörigen Kundmachung des Saisonschlußverkaufszeitraumes. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die von der örtlich zuständigen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft festgesetzten Saisonschlußverkaufszeiträume seien gemäß § 5 Abs 1 AusvG in der "für amtliche Kundmachungen bestimmten Landeszeitung" zu verlautbaren. Im vorliegenden Fall sei die betreffende Verordnung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol erst am 24.1.1986 im "Boten für Tirol" veröffentlicht worden und damit - ungeachtet ihrer vorangegangenen Verlautbarung in zwei Kammerblättern - erst mit diesem Tag wirksam geworden. Da ihr keine rückwirkende Anordnung einer Sperrfrist entnommen werden könne, sei ein am 8.1.1986 begangener Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs 3 AusvG zu verneinen. Da der beanstandeten Anzeige überdies eindeutig zu entnehmen sei, daß es sich bei den durchgestrichenen "statt"-Preisen um die von der Beklagten selbst bisher verlangten Preise handle, die auch nach dem Ende der "Aktionswoche" wieder gelten würden, sei ihre Eignung zur Irreführung des Publikums im Sinne des § 2 UWG gleichfalls zu verneinen.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung der ersten Instanz.
Die Beklagte beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die mit der gehörigen "Verlautbarung" einer Verordnung der Handelskammer nach § 5 Abs 1 AusvG zusammenhängenden Rechtsfragen bisher noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen wurden und über diesen Rechtsstreit hinaus von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung sind (§ 502 Abs 4 Z 1, § 528 Abs 2 ZPO); er ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 5 Abs 3 AusvG sind Bekanntmachungen und Mitteilungen über Verkaufsveranstaltungen, die im Hinblick auf besondere Preisherabsetzungen, Preisgegenüberstellungen, Sonderaktionen odgl' an bestimmte Zeiträume gebundene Saisonschlußverkäufe, Saisonräumungsverkäufe, Inventurverkäufe odgl. vorwegnehmen, "für den Zeitraum von 4 Wochen vor den gemäß Abs 1 festgesetzten Zeiträumen verboten". Da die hier normierte vierwöchige Sperrfrist somit vom Beginn des jeweiligen Abschnittsschlußverkaufes zurückzurechnen ist, kann das Verbot, für diesen Zeitraum bestimmte Verkaufsveranstaltungen anzukündigen, schon begrifflich erst mit der in § 5 Abs 1 AusvG vorgeschriebenen Verlautbarung des hiefür festgesetzten Zeitraums durch die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft wirksam werden; erst durch sie wird ja der Beginn der Verkaufsveranstaltung und damit jener Zeitpunkt fixiert, von dem bei der Berechnung der vorangehenden Sperrfrist auszugehen ist. Daraus folgt, daß immer dann, wenn die Handelskammer den Termin eines Abschnittsschlußverkaufes weniger als vier Wochen vor dem Beginn dieser Veranstaltung verlautbart, die Sperrfrist entsprechend verkürzt wird und das in § 5 Abs 3 AusvG normierte Verbot bestimmter Ankündigungen nur für den verbleibenden Zeitraum bis zum Beginn der Verkaufsveranstaltung wirksam werden kann. Im vorliegenden Fall ist das Inserat der beklagten Partei am 8.1.1986 veröffentlicht worden; nach dem bisher Gesagten ist somit zu prüfen, ob die Verordnung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, mit welcher der Beginn des Winterschlußverkaufes im Geschäftszweig der Beklagten für den 25.1.1986 festgesetzt wurde, am zuerst genannten Tag (8.1.1986) bereits ordnungsgemäß kundgemacht worden war. Das ist aber im Sinne der zutreffenden Rechtsausführungen des angefochtenen Beschlusses zu verneinen:
Wie schon das Rekursgericht richtig ausgeführt hat, enthält das Bundes-Verfassungsgesetz keine ausdrückliche Vorschrift darüber, wie Verordnungen kundzumachen sind. Daß dies auf "gehörige" oder "gesetzmäßige" Art und Weise zu geschehen hat, ergibt sich aus Art.89 Abs 1 undArt.139 Abs 3 lit c B-VG in der Fassung der Novelle 1975 BGBl.302. Herrschende Lehre und Judikatur haben stets eine Kundmachungspflicht angenommen; besteht diesbezüglich eine einfachgesetzliche Regelung dann ist sie einzuhalten (siehe dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts 5 , 185; im gleichen Sinn Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht 3 , 254). Da § 5 Abs 1 AusvG die örtlich zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft verpflichtet, die für Saisonschlußverkäufe, Saisonräumungsverkäufe, Inventurverkäufe udgl. festgesetzten Zeiträume "in der für amtliche Kundmachungen bestimmten Landeszeitung zu verlautbaren" - was im gegebenen Zusammenhang nur als Anordnung einer bestimmten Form der "Kundmachung" dieser Verordnug verstanden werden kann - , war der für den Winterschlußverkauf 1986 im Bundesland Tirol festgesetzte Zeitraum erst mit der Veröffentlichung im "Boten Tirol" am 24.1.1986 ordnungsgemäß kundgemacht. Daß er zuvor schon im Dezember 1985 in der "Tiroler gewerblichen Wirtschaft" und in der "Österreichischen Textilzeitung" bekanntgegeben worden war, ist hier entgegen der Meinung des Klägers ohne rechtliche Bedeutung: Es trifft zwar zu, daß der Verfassungsgerichtshof einen generellen Rechtsetzungsakt einer Verwaltungsbehörde auch bei "nicht gehöriger Kundmachung" schon dann zum Bestandteil der Rechtsordnung werden läßt, wenn im Einzelfall ein "Mindestmaß an Publizität" gegeben ist (VfSlg.9247 ua; vgl. auch Walter-Mayer aaO 186; Adamovich-Funk aaO); aus Art.89 Abs 1 B-VG in der Fassung der Novelle 1975 BGBl 302 folgt jedoch zwingend, daß die ordentlichen Gerichte nur an gehörig kundgemachte Verordnungen gebunden sind und demzufolge - ebensowenig wie der Verwaltungsgerichtshof (Art.135 Abs 4 B-VG) - eine nicht oder nicht gehörig kundgemachte Verordnung nicht anzuwenden haben
(so bereits SZ 56/53 = EvBl 1983/159; ÖBl 1985, 153;
VwSlgNF 9283 A = JBl 1977,660 [zustimmend Morscher]= ZVR 1977/146;
ebenso Pichler, Wer hat die Kundmachung von Verordnungen zu prüfen? JBl 1978,561 ff; dazu auch Walter-Mayer aaO und Adamovich-Funk aaO). Hatte es demnach aber am 8.1.1986 - also an dem Tag, an welchem das beanstandete Inserat in der "Tiroler Tageszeitung" veröffentlicht wurde - an einer "gehörigen Kundmachung" der Verordnung Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol über den Beginn des Winterschlußverkaufes 1986 in der Textilbranche gefehlt, dann konnte die Beklagte damals auch noch nicht dem Gebot zuwiderhandeln, für den Zeitraum von vier Wochen vor diesem Termin die in § 5 Abs 3 AusvG angeführten Bekanntmachungen und Mitteilungen zu unterlassen. Das Begehren zu lit a des Urteilsantrages ist demnach vom Rekursgericht zu Recht abgewiesen worden.
Auf den - vom Rekursgericht gleichfalls verneinten - Vorwurf eines Verstoßes der Beklagten auch gegen § 2 UWG (lit b des Unterlassungsbegehrens) kommt der Kläger in seinem Revisionsrekurs nicht mehr zurück; der Oberste Gerichtshof kann sich deshalb in diesem Zusammenhang mit einem Hinweis auf die auch insoweit zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses begnügen. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO.
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