OGH 4Ob32/75

OGH4Ob32/7524.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl, Dr. Wurzinger und die Beisitzer Norbert Schweitzer und Walter Geppert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Gerhard Burnadz, Rechtsschutzsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft der Privatangestellten, *, dieser durch Dr. Rudolf Machacek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2.911,‑‑ brutto s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20. Februar 1975, GZ. 44 Cg 25/75‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 26. November 1974, GZ. 7 Cr 357/73‑10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00032.75.0624.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 837,52 (einschließlich S 60,92 Umsatzsteuer und S 15,‑‑ Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Mai 1971 bis 30. September 1973 als Angestellter bei der beklagten Partei beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete infolge Kündigung durch den Kläger. Dieser begehrt einen Betrag von S 2.911,‑‑ s.A. als anteilsmäßige Sonderzahlung für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 9. 1973. Bei seiner Anstellung sei nämlich (neben 14 Monatsgehältern) eine jährliche Sonderzahlung in der Höhe von einem halben Monatsgehalt vereinbart worden.

Die beklagte Partei bestritt den Anspruch nur dem Grunde nach. Sie brachte vor, daß auf Grund der in ihrem Betrieb geltenden Arbeitsordnung nur solche Dienstnehmer Anspruch auf diese Sonderzahlung („Weihnachtsgabe“) hätten, die am 15. 12. des betreffenden Jahres noch im Betrieb der beklagten Partei beschäftigt sind. Diese Sonderzahlung sei eine freiwillige Zuwendung, die von der Bedingung abhängig sei, daß das Dienstverhältnis zu diesem Stichtag aufrecht sei. Dem Kläger sei klar gewesen, daß mit der im Anstellungsschreiben erwähnten Sonderzahlung in der Höhe eines halben Monatsgehaltes diese Weihnachtsgabe gemeint gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Der Kläger wurde mit 1. Mai 1971 bei der beklagten Partei als Zeitnehmer in der Zeitstudienabteilung angestellt. Im Anstellungsschreiben heißt es: „Gehalt öS 5.500,‑‑ brutto per Monat, 14 1/2 mal pro Jahr, Verwendungsgruppe IV. Ansonsten gelten die derzeitigen Bestimmungen des Kollektivvertrages, sowie die Festlegungen unserer Arbeitsordnung.“

Der § 23 der Arbeitsordnung der beklagten Partei lautet wie folgt: „a) Alle am 15. Dezember im Betriebe beschäftigten Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Weihnachtsgabe in Höhe von zwei Wochenlöhnen. Bei 25‑jähriger Betriebszugehörigkeit beträgt die Weihnachtsgabe 3 Wochenlöhne, b) Arbeitnehmer, die am 15. Dezember noch nicht ein Jahr im Betriebe beschäftigt sind, erhalten den ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil der Weihnachtsgabe“.

Bei den Angestellten der Beklagten wurden als Weihnachtsgabe nicht zwei Wochenlöhne bzw. drei Wochenlöhne gemäß dem Wortlaut des § 23 der Arbeitsordnung, sondern jeweils die Hälfte bzw. 3/4 eines Monatsgehaltes ausbezahlt. Die Auszahlung der Weihnachtsgabe erfolgte außer bei gewissen Pensionisten genau nach den Bestimmungen des § 23 der Arbeitsordnung. § 23 der Arbeitsordnung wurde so gehandhabt, daß alle vor dem 15. Dezember des jeweiligen Jahres ausgeschiedenen Angestellten keine Weihnachtsgabe erhielten, während Angestellte, welche zum genannten Zeitpunkt noch nicht ein Jahr im Betrieb beschäftigt waren, den aliquoten Anteil, entsprechend ihrer Dienstzeit bei der beklagten Partei, erhielten. Lediglich die ausgeschiedene Angestellte E*, welche zum genannten Stichtag nicht mehr bei der beklagten Partei beschäftigt war, erhielt über Reklamation auf freiwilliger Basis im Vergleichsweg einen Teil der Weihnachtsgabe ausbezahlt.

Bei dem Einstellungsgespräch des Vorstandmitgliedes Dipl. Ing. S* mit dem Kläger wurde von ersterem nicht besonders erwähnt, daß das halbe Monatsgehalt die Weihnachtsgabe nach § 23 der Arbeitsordnung sei und daß darauf kein Anspruch bestünde, wenn der Kläger etwa einmal vor dem 15. Dezember auf Grund eigener Kündigung aus der beklagten Firma ausscheiden sollte. Der genannte Vorstandsdirektor hat jedenfalls üblicherweise neu eintretende Arbeitnehmer nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie keinen Anspruch auf die Weihnachtsgabe hätten, wenn sie vor dem 15. 12. ausscheiden sollten, sowie daß das gegenständliche halbe Monatsgehalt identisch mit der Weihnachtsgabe laut Arbeitsordnung sei.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß in den 14 zugesicherten Gehältern jedenfalls die Weihnachtsremuneration gemäß § 16 Angestelltengesetz enthalten sein müsse und das erwähnte halbe Gehalt sich nur auf die Weihnachtsgabe nach § 23 der Arbeitsordnung beziehen könne und daß Arbeitnehmer, welche zum genannten Stichtag nicht bei der beklagten Partei beschäftigt seien, überhaupt keinen Anspruch auf eine Weihnachtsgabe für das betreffende Jahr hätten. Nach der offenkundigen Absicht der Arbeitsordnung sei die Weihnachtsgabe nur für solche Arbeitnehmer vorgesehen gewesen, welche am 15. 12. tatsächlich beschäftigt gewesen seien.

Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Klagebegehren statt. Es übernahm nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG die Feststellungen des Erstgerichtes. Rechtlich teilt es die Auffassung des Klägers, daß auf die jährliche Sonderzahlung in der Höhe eines halben Monatsgehaltes die Bestimmung des § 16 AngGes anzuwenden sei, wonach der Dienstnehmer bei Lösung des Dienstverhältnisses vor Fälligkeit der besonderen Entlohnung Anspruch auf einen der zurückgelegten Dienstzeit entsprechenden Teil davon hat. Diese Bestimmung schaffe allerdings keinen Anspruch auf eine Remuneration, sondern setze einen solchen voraus. Im vorliegenden Fall sei es unwesentlich, ob das halbe Monatsgehalt einfach als solches oder als Weihnachtsgabe nach der Arbeitsordnung der beklagten Partei zugesichert worden sei, weil auch die Weihnachtsgabe nach dieser Arbeitsordnung eine erfolgsunabhängige Sonderzahlung sei, die Entgeltscharakter habe. Ein Ausschluß des Anspruches auf einen Anteil an dieser Sonderzahlung bei Lösung des Dienstverhältnisses vor dem 15. 12. des betreffenden Jahres wäre mit Rücksicht auf die gemäß § 40 AngGes zwingende Vorschrift des § 16 AngGes wirkungslos.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei verweist vor allem darauf, daß die Weihnachtsgabe eine freiwillige, über die kollektivvertraglichen Verpflichtungen hinausgehende Leistung sei, auf welche die Bestimmung des § 16 AngGes nicht anwendbar sei, da die Voraussetzungen auf ihren Anspruch in der Arbeitsordnung genau geregelt seien. Schon der Ausdruck „Gabe“ besage eindeutig, daß es sich dabei nicht um ein Entgelt, sondern um eine freiwillige Leistung handle.

Diese Ausführungen gehen daran vorbei, daß der Kläger seinen Anspruch darauf stützt, daß ihm im Dienstvertrag eine jährliche Sonderzahlung in der Höhe eines halben Monatsgehaltes – außer den 14 Monatsgehältern – zugesagt worden sei. Daß es sich beim Klagsanspruch um einen Anteil an diesem halben Monatsgehalt handelt, ist unbestritten. Festgestellt wurde, daß bei Abschluß des Dienstvertrages über den Zweck und den Charakter dieses zusätzlich gewährten halben Monatsgehaltes nichts gesprochen, insbesondere kein Vorbehalt in der Richtung gemacht wurde, daß der Anspruch darauf nur dann gegeben sei, wenn das Dienstverhältnis am 15. 12. des betreffenden Jahres noch aufrecht sei. Aus dem Wortlaut des Anstellungsschreibens ergibt sich aber eindeutig, daß diese Sonderzahlung vorbehaltlos und bedingungslos vereinbart wurde. Diese Zusage erfolgte ohne Rücksicht darauf, unter welchen Voraussetzungen die nach der Arbeitsordnung vorgesehene Weihnachtsgabe gebührt. Dies ergibt sich eindeutig und klar daraus, daß erst nach der Regelung, wonach das Gehalt 14 1/2 x pro Jahr zusteht, darauf verwiesen wird, daß „ansonsten“ die Bestimmungen des Kollektivvertrages und der Arbeitsordnung gelten. Da die im Dienstvertrag getroffene Vereinbarung jedenfalls nicht ungünstiger war als die Arbeitsordnung hatte der Kläger somit einen Anspruch auf diese besondere Entlohnung unabhängig davon, welchen Charakter die in der Arbeitsordnung vorgesehene Weihnachtsgabe an sich hat und ob diese bei Fehlen einer besonderen Vereinbarung nur unter der Bedingung gebührt, daß das Dienstverhältnis am 15. 12. des betreffenden Jahres noch aufrecht ist. Diese Frage ist daher für den vorliegenden Rechtsstreit nicht wesentlich. Maßgebend ist vielmehr, daß der Kläger auf Grund des Dienstvertrages bereits einen unbedingten Anspruch auf eine besondere Entlohnung in der Höhe eines halben Monatsgehaltes jährlich – neben 14 Monatsgehältern – hatte.

Wenn ein solcher Anspruch besteht, ist darauf § 16 AngGes anzuwenden (Martinek-Schwarz AngGes 221, ArbSlg 8806, ZAS 1972 182 ua). Diese Bestimmung ist zwingend zugunsten des Angestellten (§ 40 AngGes Martinek-Schwarz AngGes 223, ArbSlg 6867). Darnach gebührt bei Lösung des Dienstverhältnisses vor Fälligkeit des Anspruches auf die besondere Entlohnung ein der zurückgelegten Dienstzeit entsprechender Anteil daran. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Art der Lösung des Dienstverhältnisses, somit auch dann, wenn der Dienstnehmer selbst kündigt (Martinek-Schwarz AngGes 224).

Da es darauf, welchen Zweck die in der Arbeitsordnung der beklagten Partei vorgesehene Weihnachtsgabe hat, nicht ankommt, weil der Anspruch des Klägers jedenfalls auf Grund des Dienstvertrages berechtigt ist, war auch eine Vernehmung des Zeugen Dr. K*, deren Unterlassung vor dem Berufungsgericht in der Revision als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt wird, entbehrlich. Überdies hat das Berufungsgericht das Beweisverfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerGes durch Verlesung der vor dem Erstgericht aufgenommenen Protokolle durchgeführt. Da keine der Parteien dagegen Einsprache erhob, war das Berufungsgericht nicht genötigt, die in erster Instanz vernommenen Zeugen, unter welchen auch Dr. K* war, neuerlich zu vernehmen (SZ 36/118, 27/86 ArbSlg 7841, 7266 ua). Der in die Berufungsmitteilung aufgenommene Antrag auf Neudurchführung der Verhandlung und neuerliche Vernehmung von Zeugen ersetzt nicht die im § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerGes zugelassene Einsprache und erzwingt daher keine Beweiswiederholung vor dem Berufungsgericht (JB1 1955, 176, 4 Ob 86/72 ua). Es liegt daher auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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