Spruch:
Zur Bestimmtheit eines auf § 81 UrhG. gestützten Unterlassungsbegehrens.
Entscheidung vom 26. April 1960, 4 Ob 319/60.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die klagende A. K. M. macht geltend, daß die Beklagte Betriebsveranstaltungen abgehalten habe, bei denen gesetzlich geschützte Werke des Werkebestandes der Klägerin ohne deren Bewilligung öffentlich aufgeführt worden seien. Hiedurch sei in die Rechte der Klägerin nach § 18 UrhG. eingegriffen worden. Die Beklagte sei nach § 81 UrhG. schuldig, es sofort zu unterlassen, das der Klägerin zur ausschließlichen Verwertung zustehende Recht der öffentlichen Aufführung gesetzlich geschützter Werke des Werkebestandes der Klägerin dadurch zu verletzen, daß sie ohne vorher eingeholte Zustimmung der Klägerin wo, durch wen und auf welche Art immer auch nur ein Werk öffentlich aufführt oder aufführen läßt, das durch die Zugehörigkeit des Textdichters, des Komponisten oder des Musikverlegers zur Klägerin oder zu einer ihr durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Autorengesellschaft dem Werkebestand der Klägerin angehört.
Die Beklagte wendete dagegen ein, daß ihre Betriebsveranstaltungen nicht öffentlich gewesen seien und solche Aufführungen nicht mehr stattfinden würden.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Begehren entspreche nicht der im § 226 Abs. 1 ZPO. geforderten Bestimmtheit. Die Beklagte solle ganz allgemein jede Verletzung der Verwertungsrechte der Klägerin durch öffentliche Aufführung gesetzlich geschützter Werke ihres Werkebestandes unterlassen, ohne daß gesagt wäre, was sie im einzelnen zu unterlassen habe. Ob eine Zuwiderhandlung gegen das beantragte Urteil stattgefunden habe, könnte nur an Hand umfangreicher Verzeichnisse festgestellt werden, die aber nicht Grundlage der Exekution sein könnten.
Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Wenn es auch richtig sei, daß der Umfang und die Art des Werkebestandes der Klägerin eindeutig bezeichnet oder bestimmbar seien, so komme es doch auch auf die Art der Aufführung an. Nicht jede Aufführung verletze das Urheberrecht der Klägerin, sondern nur die öffentliche Aufführung. Die Beurteilung, ob eine Aufführung öffentlich im Sinne des Gesetzes sei, hänge von den näheren Tatumständen des einzelnen Falles ab. Aber auch hievon gebe es Ausnahmen, nämlich die freiem Werknutzungen im Sinne des § 53 UrhG. Mangels konkreter Bezeichnung im Urteilsantrag wäre das Exekutionsbewilligungsgericht nach der Meinung des Berufungsgerichtes nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die im Exekutionsantrag bezeichnete Handlung ein Zuwiderhandeln gegen den Urteilsspruch bedeute. Das Exekutionsbewilligungsgericht müßte an Stelle des Streitrichters beurteilen, ob das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit gegeben sei oder nicht.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Beurteilung, ob ein Unterlassungsbegehren im Sinne des § 226 Abs. 1 ZPO. so bestimmt ist, daß daraus für den Exekutionsbewilligungsrichter Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Unterlassung zu entnehmen sind (§ 7 EO.), darf der Sachverhalt, der zur Unterlassungsklage Anlaß gibt, mit den später einmal möglichen Zuwiderhandlungen nicht verwechselt werden. Die in der Klage geschilderten Verletzungshandlungen sind nämlich vom Streitrichter darauf hin zu prüfen, ob es sich - wie die Klägerin behauptet hat - um unzulässige öffentliche Aufführungen von Werken handelt, die für die Klägerin geschützt sind. Der Streitrichter wird also den Sachverhalt festzustellen und mit dem gesetzlichen Tatbestand, insbesondere dem Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit, zu vergleichen haben. Hiebei werden auch die vom Berufungsgericht vorgesehenen gesetzlichen Einschränkungen zu beachten, und es wird zu erwägen sein, ob etwa das Begehren, daß die Beklagte jegliche öffentliche Aufführung solcher Werke unterlasse, zu modifizieren oder einzuschränken sei.
Der Sachverhalt der Klage ist aber mit dem dem Exekutionsbewilligungsrichter vorliegenden Vorbringen und der Frage, ob das dann behauptete Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel die Exekutionsbewilligung rechtfertige, nicht identisch. Der Exekutionsbewilligungsrichter wird nämlich jedenfalls eine andere Verletzungshandlung der Beklagten als die in der Klage angeführte zu beurteilen haben, weil es zur Exekution nach § 355 EO. nur dann kommen könnte, wenn spätere Zuwiderhandlungen vorliegen. Der Exekutionsbewilligungsrichter wird sich daher auf jeden Fall schlüssig werden müssen, ob die von der betreibenden Partei behauptete Zuwiderhandlung als Verstoß gegen den Exekutionstitel gewertet werden kann.
Das vorliegende Klagebegehren umschreibt ausreichend den Umfang dessen, was die Beklagte zu unterlassen haben soll. Sie darf nämlich auf keine Weise ein für die Klägerin geschütztes Werk öffentlich aufführen oder aufführen lassen. Diesbezüglich handelt es sich um einen gesetzlichen Begriff, dessen Voraussetzungen sowohl vom Streitrichter als auch vom Exekutionsbewilligungsrichter ohne weiteres klargestellt und mit dem tatsächlichen Sachverhalt verglichen werden können. Was den Katalog der für die Klägerin geschützten Werke betrifft, mußten deren Titel nicht einzeln in das Urteilsbegehren aufgenommen werden, weil die darin enthaltene Erwähnung des Werkebestandes der Klägerin zugleich einen Hinweis auf die jeweilige Liste dieser Werke enthält. Es würde eine unbillige Erschwerung bedeuten, sollte der Klägerin die Pflicht auferlegt werden, in das Urteilsbegehren den Titel jedes nur irgendwie in Betracht kommenden Werkes im einzelnen aufzunehmen.
Es ergibt sich daher, daß das Urteilsbegehren der Klägerin genügend bestimmt ist und die Untergerichte daher den Sachverhalt meritorisch zu prüfen gehabt hätten.
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