Spruch:
Keine privatrechtliche Ungültigkeit der im Rahmen des entgegen § 56 Abs. 6 GewO. nicht zur Fortführung angemeldeten Gewerbes geschlossenen Geschäfte.
Die Nachfrist nach § 29 Abs. 2 UrhG. muß tatsächlich gesetzt und nicht bloß gewährt werden.
Entscheidung vom 3. November 1959, 4 Ob 318/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerinnen als Witwen und Alleinerbinnen nach dem Komponisten Karl F. und dem Textdichter Franz Josef H. des Liedes "Was weiß denn die Welt, was ein Wienerherz fühlt" begehrten gegenüber der beklagten Partei als der Werknutzungsberechtigten die Feststellung, daß der Vertrag vom 26. Jänner 1939, durch welchen Karl F. und Franz Josef H. der Edition Bristol (Frank S.) Musik- und Bühnenverlag und dessen angeschlossenen Verlagen die Werknutzungsrechte an dem vorgenannten Werk übertragen hatten, gemäß § 29 UrhG. vorzeitig aufgelöst sei. Zur Begründung ihres Begehrens brachten sie vor, Frank 8. sei am 26. November 1953 in Amerika gestorben; eine Verlagstätigkeit finde seit dem 1. Jänner 1953 überhaupt nicht mehr statt; die Geschäftsräume seien gekundigt, der Verlag sei delogiert worden; die Konzession sei der Verlassenschaft durch Verfügung der Magistratsabteilung 63 entzogen worden; es sei daher der beklagten Partei mit Schreiben des Klageanwaltes vom 2. Oktober 1958 die Auflösung der Werknutzungsverträge mitgeteilt worden. Die Klägerinnen ergänzten ihr Klagebegehren dann noch durch das weitere Begehren, es werde festgestellt, daß der beklagten Partei keinerlei Werknutzungsrechte an diesem Werk zustunden. Die beklagte Partei beantragte Abweisung und wendete ein, daß sie in der Lage sei, ihren Verpflichtungen nachzukommen; der Verlassenschaftskurator habe der Erstklägerin auf ihr Auflösungsschreiben vom 2. Oktober 1958 geantwortet, daß sie jede Unterstützung von seiten der Bristol-Verlage haben könne. Den Antrag, wegen eines Rückstellungsverfahrens gegenüber Heinrich St. das Verfahren zu unterbrechen, nahm die beklagte Partei zurück.
Das Erstgericht gab beiden Begehren Folge. Hiezu führte es aus: Die beklagte Partei habe selbst nicht behauptet, in den letzten Jahren eine werbende Tätigkeit für das Werk entfaltet zu haben. Nach ihrem eigenen Vorbringen habe sich ihre Tätigkeit darauf beschränkt, darüber zu wachen, daß genügend Platten (Schallplatten mit dem Lied) vorhanden seien. Als Berater habe ein gewisser Hans W. fungiert, der sich auch bereit erklärt habe, etwaige Neudrucke von Noten vorzunehmen und zu finanzieren. Mit Eingabe vom 9. Jänner 1959 habe der Verlassenschaftskurator den Verlassenschaftsbetrieb bei der Gewerbebehörde angemeldet und Hans W. als Geschäftsführer namhaft gemacht. Im übrigen behaupte die Beklagte lediglich, auch unter den gegebenen Verhältnissen zu einer Verlagstätigkeit in der Lage zu sein. Da tatsächlich keine Verlagstätigkeit stattgefunden habe, seien die Klägerinnen berechtigt gewesen, gemäß § 29 UrhG. den mit der Beklagten geschlossenen Werknutzungsvertrag vorzeitig aufzulösen. Die Setzung einer Nachfrist sei nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagten die Ausübung des Rechtes unmöglich sei. Ihre Konzession sei erloschen. Eine neue Konzession sei bis zum Zeitpunkt der Auflösung des Werknutzungsvertrages nicht verliehen worden, und bis heute sei auch keine Erbserklärung in der Verlassenschaftssache nach Frank S. abgegeben worden. Die Unmöglichkeit ergebe sich auch daraus, daß die Beklagte nach der Aufkündigung ihrer Geschäftslokalitäten und nach der Betriebsstillegung laut Bericht des Kurators im Verlassenschaftsakt keine mobilen Werte mehr habe und das gesamte Material in einem Magazin lagere. Mit dem gleichen Antrag habe der Kurator um die Ermächtigung angesucht, einen Konkursantrag zu stellen. Einen Antrag gemäß § 813 ABGB. habe der Verlassenschaftskurator schon am 19.April 1955 gestellt. Nach dem Sachverständigengutachten bestehe nur ein Rumpfverlag, der praktisch keinen Wert habe. Wenn Heinrich St. das klagsgegenständliche Lied für sich in Anspruch nehme und verbreite, so sei dadurch für die Beklagte nichts gewonnen, da ja sie und nicht ein Dritter eine Verlagstätigkeit entfalten solle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück. In seiner Begründung sprach es im wesentlichen aus: Die Behauptung und die Beweisanträge der Beklagten, daß Heinrich St. das Lied entsprechend propagiere, seien prozeßerheblich, weil auch dann, wenn der Rückstellungsgegner das Werk entsprechend gebrauche, der Auflösungsgrund des § 29 UrhG. nicht vorliege. Die Unnötigkeit der Nachfristsetzung nach § 29 Abs. 2 UrhG. lasse sich nicht damit begrunden, daß die Ausübung des Werknutzungsrechts durch die Verlassenschaft unmöglich gewesen sei. Die zur Unmöglichkeit der Werknutzung vom Erstgericht auf Grund von Akten ohne mündliche Verhandlung getroffenen Feststellungen beruhten auf einem mangelhaften Verfahren. Hiezu hätten auch die von der beklagten Partei angebotenen Beweise aufgenommen werden müssen. Eine Nachfrist nach § 29 Abs. 2 UrhG. müsse gesetzt und nicht bloß gewährt werden. Vor allem auch in diesem Zusammenhang müsse zunächst geprüft werden, ob die Ausübung des Werknutzungsrechtes der beklagten Partei unmöglich gewesen sei. Wenn dies zu verneinen sei, müsse die Klage von vorneherein erfolglos bleiben, weil eine Nachfrist nicht gesetzt worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerinnen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit die Klägerinnen im Rekurs dartun wollen, daß der beklagten Partei die Ausübung des Werknutzungsrechtes rechtlich unmöglich gewesen sei, steht dem zunächst schon das Bedenken entgegen, daß Rechtsgeschäfte, die eine behördliche Bewilligung benötigen, insbesondere bei konzessionspflichtigen Gewerben, nicht ohne weiteres und von vorneherein bei Fehlen einer Konzession als ungültig angesehen werden können (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 198 f.). Davon abgesehen, kann auch der einengenden Auslegung, die die Klägerinnen dem § 56 GewO. zu geben versuchen, nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß es gemäß § 56 Abs. 3 GewO. nach dem Tode des Gewerbetreibenden bei einem konzessionierten Gewerbe einer neuen Konzession bedarf. § 56 Abs. 6 GewO. bestimmt aber ganz allgemein, daß zur Fortführung eines Gewerbes für Rechnung der Masse während einer Verlassenschaftsabhandlung nur eine Anzeige an die Gewerbebehörde nötig ist. Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Ausübung der Werknutzungsrechte mangels einer Befugnis zum Gewerbebetrieb kann daher nicht gesprochen werden. Gegenteiliges ist der im Rekurs zitierten Stelle bei Heller, Kommentar zur Gewerbeordnung, I S, 771, nicht zu entnehmen. Auch in dem im Rekurs weiter angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 728 (A.) ist nicht zum Ausdruck gebracht, daß "nicht nur die Vorlage einer Erbserklärung, sondern darüber hinaus auch die Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft nach § 810 ABGB. bzw. § 145 AußStrG. als Voraussetzung für die Geltendmachung einer Fortführung des Gewerberechtes nach § 56 Abs. 6 GewO statuiert ist". Es lag vielmehr bloß der konkrete Fall so, daß der Beschwerdeführerin die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen war; damit ist aber nicht allgemein gesagt, daß nicht auch ein Verlassenschaftskurator die Fortführung eines Gewerbes gemäß § 56 Abs. 6 GewO. anzeigen könne. Wenn weiter die Klägerinnen meinen, die Ausübung der Werknutzungsrechte sei der Verlassenschaft jedenfalls bis zur Anzeige der Fortführung des Gewerbes rechtlich unmöglich gewesen, so kann ihnen auch darin nicht beigestimmt werden. Brauchte nämlich die Fortführung des Gewerbes nur der Gewerbebehörde angezeigt zu werden (§ 56 Abs. 6 GewO.), so kann an die Verletzung dieser Ordnungsvorschrift nicht die weittragende Folge der privatrechtlichen Ungültigkeit von Geschäften geknüpft werden, die im Rahmen des nicht zur Fortführung angemeldeten Gewerbes geschlossen wurden. Wenn auch eingangs die Frage der Gültigkeit von Geschäften bei Fehlen einer Konzession dahingestellt gelassen wurde, so ist dies doch jedenfalls dahin einzuschränken, daß ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift des § 56 Abs. 6 GewO. nach dem Zweck dieser Norm die privatrechtliche Ungültigkeit der im Rahmen des nicht zur Fortsetzung angemeldeten Gewerbes geschlossenen Geschäfte nicht fordert. Es ist auch nicht richtig, daß der Verlassenschaftskurator "durch ein solches ultimatives Verlangen" - gemeint ist wohl durch eine Nachfristsetzung gemäß § 29 Abs, 2 UrhG.
- zu einer verbotenen Tätigkeit aufgefordert worden wäre, weil er es ja jederzeit in der Hand hatte, die Fortführung des Gewerbes gemäß § 56 Abs. 6 GewO. anzumelden. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausübung der Werknutzungsrechte durch die beklagte Partei verneint. Zur Frage der tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausübung dieser Rechte durch die beklagte Partei ist das erstrichterliche Verfahren - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - in wesentlichen Punkten mangelhaft geblieben. Es geht nicht an, ohne Erörterung mit den Parteien außerhalb der mündlichen Verhandlung streitentscheidende Feststellungen aus Akten und unter Übergehung der von der beklagten Partei hiezu beantragten Zeugenbeweise zu treffen. Wenn allerdings im fortgesetzten Verfahren in mängelfreier Weise Umstände festgestellt werden sollten, die dartun, daß zur Zeit der Auflösungserklärung vom 2. Oktober 1958 die Ausübung der Werknutzungsrechte unmöglich war, so wäre durch diese Erklärung das bestehende Vertragsverhältnis ohne Setzung einer Nachfrist aufgelöst worden (§ 29 Abs. 2 Satz 2 UrhG.).
Soweit im Rekurs ausgeführt wird, einer Nachfristsetzung habe es nicht bedurft, weil die Gewährung einer Nachfrist überwiegende Interessen der Klägerinnen gefährdet hätte, hat das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß auf diese Interessenverletzung bisher nur im Zusammenhang mit dem Auflösungsanspruch und nicht zur Rechtfertigung des Unterlassens der Setzung einer Nachfrist von den Klägerinnen verwiesen worden ist. Im übrigen gehen die Klägerinnen davon aus, daß die beklagte Partei von dem Werknutzungsrecht nur in unzureichendem Maß Gebrauch gemacht habe. Dies steht aber infolge des mangelhaften Verfahrens des Erstgerichtes nicht fest, ganz abgesehen davon, daß die Untätigkeit des Werknutzungsberechtigten für sich allein noch nicht dazu führen muß, daß durch die Gewährung einer Nachfrist überwiegende Interessen des Urhebers gefährdet werden. In dem Vorbringen, daß infolge der - noch nicht feststehenden - Untätigkeit der beklagten Partei der Verlagsvertrag schlüssig aufgelöst worden sei, liegt eine unzulässige Neuerung. Es erübrigt sich daher, auf den in diesem Zusammenhang im Rekurs gemachten Hinweis auf die Entscheidung GR. 1957 S. 29 einzugehen. Was aus der sodann im Rekurs angeführten Stelle aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Urheberrechtsgesetzes (s. Peter, Das österreichische Urheberrecht, S. 540) für die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsfalles zu gewinnen wäre, ist nicht abzusehen. Vertragsverhandlungen mit einem anderen Verlag für sich allein können keinen zureichenden Grund für das Unterlassen einer Nachfristsetzung bilden.
Der Rechtsmeinung der Untergerichte, daß eine angemessene Nachfrist gemäß § 29 Abs. 2 UrhG. tatsächlich gesetzt und nicht bloß, wie im Sinne der Rechtsprechung zu § 918 ABGB. gewährt werden müsse, schließt sich der Oberste Gerichtshof an. Aus einem Vergleich des Wortlautes des § 918 ABGB. mit jenem des § 29 Abs. 2 UrhG. läßt sich für sie allerdings nicht viel gewinnen. Wohl aber ist der weitere vom Berufungsgericht angeführte Grund überzeugend, daß nämlich bei Verlagsverträgen, die, wie der gegenständliche, auf alle Auflagen lauten, dem Urheber kein Erfüllungsanspruch gegen den Verleger auf Veranstaltung einer Neuauflage des vergriffenen Werkes zusteht, sondern nur das Recht, den Verlagsvertrag nach § 29 UrhG. vorzeitig aufzulösen, so daß den Verleger im Zweifel nicht eine Ausübungspflicht, sondern bloß eine Ausübungslast trifft (Peter a. a. O. S. 108 ff. Anm. 11 zu § 33 UrhG.) Der Verleger kann daher, wenn er die Ausübungslast nicht wahrnimmt, dem Urheber gegenüber gar nicht in Verzug kommen (§ 918 ABGB.). Will der Urheber gemäß § 29 UrhG. die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses erwirken, dann kann er auch nach dieser Überlegung den Verleger nur dadurch in Verzug setzen, daß er ihm für die Ausübung des Werknutzungsrechtes eine angemessene Nachfrist tatsächlich setzt. Der Verleger muß die Beanstandungen bzw. Wünsche des Urhebers kennen, um nunmehr seine Wahl treffen zu können, ihnen, soweit sie gerechtfertigt sind, innerhalb der gesetzten angemessenen Nachfrist nachzukommen oder die Auflösungserklärung anzunehmen. Gegen diese Begründung vermögen die Klägerinnen nichts Stichhältiges vorzubringen.
Warum die Meinung, daß sich eine allfällige entsprechende Werknutzung durch den Rückstellungsgegner die beklagte Partei zurechnen könnte, absurd sein sollte, ist nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht hat auch hiezu zutreffend darauf verwiesen, daß der Rückstellungswerber in einem gewissen Ausmaß für die Zwischenschulden haftet und daß er sich schon aus diesem Grund auf ein Tätigwerden des Rückstellungsgegners für sein Unternehmen berufen können müsse. Dem ist beizufügen, daß das Interesse des Urhebers dahin geht, daß von dem Werknutzungsrecht im Rahmen des Unternehmens des Werknutzungsberechtigten Gebrauch gemacht wird; ob dies der Werknutzungsberechtigte durch unmittelbares Handeln oder bloß mittelbar - hier allenfalls durch den Rückstellungsgegner - tut, ist an sich für den Urheber gleichgültig. Dies gilt natürlich nur dann, wenn der Rückstellungsgegner für das Werk im Rahmen des rückzustellenden Unternehmens und für dieses tätig geworden ist, und nicht dann, wenn dies etwa für ein anderes Unternehmen geschehen sein sollte.
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