OGH 4Ob312/72

OGH4Ob312/7211.4.1972

SZ 45/44

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2

 

Spruch:

Ein zum Groß- und Kleinhandel mit Konfektionsbekleidung berechtigter Unternehmer, der im eigenen Betrieb überhaupt keine Kleidungsstücke herstellt, sondern sein gesamtes Sortiment - wenn auch aus dem von ihm gekauften Material, nach den Entwürfen seines Designers und unter laufender Überprüfung durch bei ihm angestellte Schneidermeister - in Lohnwerkstätten anfertigen läßt, darf sich nicht als "Erzeuger" bezeichnen und mit der Ankündigung eines "direkten Erzeugerbezuges" werben

OGH 11. 4. 1972, 4 Ob 312/72 (OLG Wien 2 R 230/71; HG Wien 39 Cg 745/71)

Text

Die Erstbeklagte ist eine offene Handelsgesellschaft, die Zweitbeklagte eine ihrer Gesellschafterinnen.

In einem von der Erstbeklagten an ÖBB-Bedienstete verteilten

Rundschreiben heißt es ua: "Bekleidung vom Erzeuger billigerÜ Der anhängende Einkaufs-Berechtigungsschein ermöglicht den direkten

Einkauf beim Erzeuger. Das bedeutet: Sie kaufen die beste Qualität billiger als anderswo ..." Auch der beigefügte "Einkaufsberechtigungsschein" enthält den Satz: "Dieser Schein berechtigt Sie zum direkten Erzeugerbezug".

Mit der Behauptung, die Erstbeklagte sei nur Handelsgewerbetreibende, besitze keine Erzeugungsgewerbeberechtigung und habe auch selbst keinen Erzeugungsbetrieb, begehrt der klagende Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, den Beklagten im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Textilwaren die Ankündigung, bei der Erstbeklagten sei Bekleidung "vom Erzeuger" zu kaufen, und das Verteilen von Einkaufsberechtigungsscheinen mit dem Slogan "Dieser Schein berechtigt Sie zum direkten Erzeugerbezug" zu untersagen, solange die Erstbeklagte keine Erzeugergewerbeberechtigung besitze und keine eigene Erzeugung anzubieten habe; außerdem beantragt der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in drei Tageszeitungen auf Kosten der Beklagten. Zu Sicherung seines Unterlassungsanspruches hat der Kläger, gestützt auf §§ 1, 2, 14, 18 und 24 WG den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung gestellt:

Zur Sicherung des Anspruches des Klägers gegen die Beklagten auf Unterlassung irreführender Ankündigungen wird den Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Textilwaren die Ankündigung, bei der Erstbeklagten sei Bekleidung "vom Erzeuger" zu kaufen, sowie das Verteilen von Einkaufsberechtigungsscheinen mit dem Slogan "Dieser Schein berechtigt Sie zum direkten Erzeugerbezug" verboten.

Demgegenüber verweisen die Beklagten darauf, daß in ihrem Unternehmen ausschließlich Waren der eigenen Manipulation und kein einziges Stück aus einer fremden Produktion verkauft würden; nur die reine Näharbeit werde wegen Platzmangels nicht im eigenen Betrieb, sondern in Lohnwerkstätten unter ständiger Aufsicht und Überwachung durch die Erstbeklagte ausgeführt. Da es rechtlich gleichgültig sei, ob die verkauften Produkte unmittelbar in eigenen Fabriksräumen oder in fremden Werkstätten hergestellt würden, habe die Erstbeklagte keineswegs eine Handelsstufe als Erzeugungsbetrieb ausgegeben und sich daher zu Recht als Erzeuger bezeichnet. Im übrigen habe sie die beanstandete Vertriebsform schon vor Monaten eingestellt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag des Klägers ab und nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Erstbeklagte hat Gewerbeberechtigungen sowohl für den Großhandel wie auch für den Einzelhandel mit Konfektionsbekleidung und übt diese beiden Gewerbe auch tatsächlich aus. Sie besitzt dagegen keine Erzeugungsgewerbeberechtigung, uzw weder für das freie fabriksmäßige noch für das handwerksmäßige Kleidermachergewerbe. In ihren Geschäftsräumen im ersten Wiener Gemeindebezirk betreibt sie keine Erzeugungsstätte. Die Geschäftstätigkeit der Erstbeklagten besteht vielmehr darin, daß sie keine fertige Konfektionsbekleidung, sondern Stoffe und Zubehör kauft und die Modelle von einem bei ihr angestellten Designer entwerfen läßt, worauf dann die Erzeugung in Lohnwerkstätten im Auftrag der Erstbeklagten durchgeführt wird. Diese Erzeugung wird laufend von Schneidermeistern, die bei der Erstbeklagten angestellt sind, überprüft. Sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel verkauft die Erstbeklagte ausschließlich Konfektionsbekleidung, die auf die geschilderte Weise aus dem von ihr gekauften Material, nach ihren Entwürfen und unter ihrer Überwachung in Lohnwerkstätten hergestellt wird.

Bei dieser Sachlage verneinte das Erstgericht das Vorliegen einer zur Irreführung geeigneten Angabe iS des § 2 UWG. Wenn sich die Erstbeklagte als "Erzeuger" bezeichnet habe, dann bedeute das nur, daß sie die Kleidungsstücke nicht fertig kaufe und daher den Zwischenhandel ausschalte, nicht aber, daß sie die Ware selbst im eigenen Fabriks- oder Handwerksbetrieb herstelle. Die Erstbeklagte habe somit nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Infolge Rekurses des Klägers hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes iS des § 527 Abs 2 ZPO auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach Ansicht des Rekursgerichtes kommt es entscheidend auf die Rechtsstellung der von der Erstbeklagten mit der Herstellung der Kleidungsstücke beauftragten "Lohnwerkstätten" an: Handle es sich dabei um selbständige, mit der Erstbeklagten in keinem Zusammenhang stehende Unternehmer, dann sei die Erstbeklagte nicht Erzeugerin, sondern Händlerin. Daran könne auch die Überprüfung der Produkte durch Schneidermeister der Erstbeklagten nichts ändern, weil eine solche Maßnahme nur dazu diene, sich schon vor der Ablieferung des bedungenen Werks von dessen bestellungsgemäßer Ausführung zu überzeugen. Da auch die Wiederholungsgefahr bejaht werden müsse, weil die Beklagten weiterhin der Meinung seien, zu der vom Kläger beanstandeten Handlung berechtigt zu sein, wäre in diesem Fall ein Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG anzunehmen. Seien die Lohnwerkstätten hingegen Zwischen- oder Stückmeister iS des § 2 Abs 1 lit b HeimAG, die mangels überwiegender und dauernder Arbeit für den Absatzmarkt unselbständig und daher keine Unternehmer seien, also in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Erstbeklagten stunden, und deren Arbeit durch die Tätigkeit der Schneidermeister der Erstbeklagten beeinflußt werde, dann wäre die Bezeichnung der Erstbeklagten als "Erzeuger" nicht zur Irreführung der Interessenten geeignet. Das Erstgericht werde daher noch zu erörtern und festzustellen haben, was im vorliegenden Fall unter "Lohnwerkstätten" zu verstehen sei.

Infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien änderte der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Rekursgerichtes ab und erließ die beantragte einstweilige Verfügung.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 2 UWG idF der Nov BGBl 1971/74 kann ua auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken

des Wettbewerbes über ... die Art des Bezuges oder die Bezugsquelle

von Waren ... zur Irreführung geeignete Angaben macht. Ob einer Behauptung im Einzelfall diese Täuschungseignung zukommt, entscheidet die Verkehrsauffassung, also die Auffassung derjenigen Kreise, an die sich die beanstandete Ankündigung richtet (ÖBl 1970, 20 uva). Die Entscheidung über den Sicherungsantrag des Klägers hängt also davon ab, ob die Erstbeklagte nach dem als bescheinigt angenommene Sachverhalt eine solche geschäftliche Tätigkeit ausübt, daß ihre Bezeichnung als "Erzeuger" von Herrenoberbekleidung sowie die Ankündigung des "direkten Erzeugerbezuges" in den Augen der durch das Rundschreiben angesprochenen ÖBB-Bediensteten gerechtfertigt ist. Diese Frage muß aber verneint werden:

Der Durchschnittskonsument verbindet mit einem Einkauf "direkt beim Hersteller" immer die Erwartung besonderer Vorteile, die in der Qualität der angebotenen Ware, vor allem aber in der günstigeren Preisgestaltung liegen können (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[10] I, 796, § 3 dUWG Anm 282); er kauft lieber beim Erzeuger als beim Händler, weil er damit rechnet, die Ware beim Hersteller unter Ausschaltung des Zwischengewinnes, also erheblich billiger, aber in gleichbleibender Güte und überdies fachlich besser beraten erwerben zu können (ZBl 1929/143). Die Untergerichte haben nun als bescheinigt angenommen, daß die Erstbeklagte zunächst schon gewerberechtlich weder zur fabriksmäßigen noch zur handwerksmäßigen Erzeugung, sondern nur zum Groß- und Kleinhandel mit Konfektionsbekleidung berechtigt ist. Sie stellt auch tatsächlich in ihrem eigenen Betrieb überhaupt keine Kleidungsstücke her, sondern läßt ihr gesamtes Sortiment - wenn auch aus dem von ihr gekauften Material, nach den Entwürfen ihres Designers und unter laufender Überprüfung durch bei ihr angestellte Schneidermeister - in Lohnwerkstätten anfertigen. Entspricht schon dieses äußere Bild einer solchen, von der Erstbeklagten selbst als "Manipulation" bezeichneten Geschäftstätigkeit kaum den Vorstellungen des Käuferpublikums von einem mit der Herstellung von Herrenoberbekleidung befaßten "Erzeugerbetrieb", so fehlt darüber hinaus bei einer derartigen Betriebsorganisation gerade der Hauptvorteil des unmittelbaren Einkaufs beim Erzeuger, nämlich die Ausschaltung jeder Zwischenstufe auf dem Weg des Produktes vom Hersteller zum Konsumenten und damit auch jedes Zwischengewinnes. Da nach der allgemeinen Lebenserfahrung angenommen werden muß, daß auch die von der Erstbeklagten mit dem eigentlichen Erzeugungsvorgang betrauten Lohnwerkstätten mit Gewinn arbeiten - das Gegenteil ist von den Beklagten nie behauptet worden -, werden die Erwartungen der Kaufinteressenten gerade in diesem wesentlichsten Punkt enttäuscht (vgl dazu die E des OLG Düsseldorf 15. 4. 1964 GRUR 1965, 192). Demgegenüber kommt es auf die Beistellung des Materials durch die Erstbeklagte, auf das Entwerfen der Modelle durch ihren Designer und auf die laufende Überprüfung der Erzeugung in den Lohnwerkstätten durch die bei der Erstbeklagten angestellten Schneidermeister ebensowenig an wie auf die von den Beklagten im Revisionsrekurs in den Vordergrund gestellte Frage, ob bei dem jeweiligen Erzeugungsvorgang von einer "selbständigen, frei verantwortlich schaffenden Unternehmertätigkeit gesprochen werden kann, bei der das selbstgeschaffene Erzeugnis entscheidet", oder ob die Arbeitsleistung des faktischen Herstellers mit Rücksicht auf seine Abhängigkeit von den vom Besteller zur Verfügung gestellten Materialien und Modellen, auf seine Bindung an die Weisungen des Auftraggebers und seine Unterordnung unter die ständige Kontrolle durch diesen als "unfreie Arbeit" zu qualifizieren ist. Alle diese Umstände können das Fehlen des Hauptvorteils eines Einkaufs beim Erzeuger, nämlich den Wegfall jeglichen Zwischengewinnes, keineswegs aufwiegen, ist doch für den Kunden dieser Preisvorteil viel wichtiger als der Einkauf bei einem Kaufmann, der die Ware "unter seiner Verantwortung und unter seinem Risiko" erzeugt hat. Soweit die vom Erstgericht zur Begründung seiner abweichenden Meinung herangezogene E des OLG Wien 22. 5. 1935, 3 R 313/35 (Leitsatz abgedruckt bei Schönherr, Wettbewerbsrecht[4] § 2 UWG/490) eine andere Ansicht vertreten hat, kann ihr aus den angeführten Erwägungen nicht gefolgt werden.

Das Rekursgericht hat daher mit Recht die Möglichkeit einer Täuschung der Kaufinteressenten durch das Rundschreiben bejaht. Entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Meinung kommt aber für die Entscheidung über den Sicherungsantrag des Klägers der Frage, ob die von der Erstbeklagten mit der Herstellung beauftragten Lohnwerkstätten von selbständigen, mit der Erstbeklagten nicht im Zusammenhang stehenden Unternehmern oder aber von Zwischen- oder Stückmeistern iS des § 2 Abs 1 lit b HeimAG betrieben werden, keine wesentliche Bedeutung zu: Abgesehen davon, daß die Beklagten selbst immer nur von "Lohnwerkstätten" gesprochen und dabei niemals die Voraussetzungen für eine Anwendung des HeimAG auf die in diesen Werkstätten beschäftigten Arbeitskräfte behauptet haben, sind ja auch Zwischen- oder Stückmeister iS der vom Rekursgericht zitierten Gesetzesstelle nicht etwa Dienstnehmer des Auftraggebers, sondern selbständige Gewerbetreibende. Daß sie gemäß § 2 Abs 1 ArbGG unter bestimmten Voraussetzungen den Dienstnehmer gleichgestellt sind und dann Streitigkeiten zwischen ihnen und ihren Auftraggebern vor die Arbeitsgerichte gehören, hat mit der hier zu entscheidenden Frage nichts zu tun. Die Ankündigungen der Erstbeklagten wären daher auch dann zur Irreführung des Käuferpublikums geeignet, wenn die mit der Herstellung der Waren betrauten Lohnwerkstätten tatsächlich von Zwischen- oder Stückmeistern betrieben würden, weil auch in diesem Fall die von der Erstbeklagten angebotenen Waren mit dem Gewinn dieser vorgeschalteten Unternehmer belastet wären.

Der vom Rekursgericht angeordneten Verfahrensergänzung bedarf es daher nicht. Hingegen hat das Rekursgericht die Wiederholungsgefahr mit Recht bejaht, weil die Beklagten ihre Behauptung, die "führten die inkriminierte Maßnahme seit Monaten nicht mehr aus", in keiner Weise bescheinigt haben - die im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, das Erstgericht habe Feststellungen in dieser Richtung getroffen, ist aktenwidrig - und überdies Wiederholungsgefahr so lange anzunehmen ist, als die Beklagte nicht solche Umstände dartun, die eine Wiederholung ihres Wettbewerbsverstoßes als unmöglich oder doch wenigstens äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (ÖBl 1965, 16; ÖBl 1971, 45 uva). Davon kann aber hier mit Rücksicht auf das Verhalten der Beklagten in diesem Rechtsstreit keine Rede sein.

Weitere Erhebungen sind daher nicht notwendig, die Rechtssache ist vielmehr iS des vom Kläger gestellten Sicherungsantrages spruchreif. Da nun der Oberste Gerichtshof im Rekursverfahren an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses sogleich eine Sachentscheidung setzen kann (SZ 25/51 = ÖBl 1952, 15; SZ 39/32 uva, zuletzt etwa JBl 1971, 138), ohne daß er dabei ein Verbot der reformatio in peius zu beachten hätte (EvBl 1956/155; ÖBl 1965, 63 ua), war der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß dem Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge gegeben und die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung erlassen wird. Einer solchen Entscheidung steht auch nicht entgegen, daß nur die Beklagten den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes angefochten haben (ebenso schon ÖBl 1955, 5; ÖBl 1957, 42 ua).

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