OGH 4Ob303/72

OGH4Ob303/728.2.1972

SZ 45/14

Normen

Ausverkaufsverordnung §2
Ausverkaufsverordnung §3
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14
Ausverkaufsverordnung §2
Ausverkaufsverordnung §3
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §14

 

Spruch:

Nach § 14 UWG haben die Mitbewerber und die Wirtschaftsverbände selbständige, voneinander unabhängige Ansprüche, so daß es durchaus zulässig ist, daß wegen ein und desselben Wettbewerbsverstoßes mehrere Kläger auftreten

Die Erfordernisse des § 2 AusvV (schriftliches Ansuchen mit genau bestimmtem Inhalt) und des § 3 Z 4 AusvV (Inhalt des Bewilligungsbescheides) sind zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Ausverkaufes notwendig und müssen eingehalten werden

Eine mündliche Genehmigung des Ausverkaufes durch einen Beamten der Gewerbebehörde reicht daher nicht aus

OGH 8. 2. 1972, 4 Ob 303/72 (OLG Wien 1 R 209/71; HG Wien 18 Cg 156/71)

Text

Der Kläger behauptet, daß die Beklagte mehrmals in der Kronenzeitung Inserate erscheinen lassen habe, die als "öffentliche Kundmachung" bezeichnet waren und in denen angekundigt wurde, sie verkaufe wegen Schließung ihres Perückengeschäftes Perücken zu verbilligten Preisen, nämlich bis zu 80% unter dem Wert. Die Beklagte habe keine behördliche Genehmigung für die Veranstaltung eines Ausverkaufes gehabt. Die Behauptung, daß die Perücken zu besonders günstigen Preisen, nämlich 80% unter dem Kaufwert, abgegeben würden, sei unrichtig. Die Beklagte habe ferner Propagandamaterial des Klägers, nämlich Klischees der Abbildungen vom Kläger angebotener Perücken, nachgeahmt und zur Werbung verwendet. Der Kläger begehre daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, bei der Werbung für ihr Perückengeschäft die Ankündigung, sie veranstalte einen Liquidationsverkauf und verlange deshalb sehr verbilligte Preise, sowie die Verwendung von Abbildungen von Perücken, die der Kläger vertreibe, bei der Werbung zu unterlassen. Zugleich beantragt der Kläger eine einstweilige Verfügung mit einem inhaltlich gleichen Verbot.

Die beklagte Partei brachte vor, daß der Abverkauf von der Gewerbebehörde mündlich genehmigt worden sei. Überdies habe bereits der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb wegen der gleichen Ankündigung eine einstweilige Verfügung erwirkt. Da diesem Schutzverband das Landesgremium W für den Kleinhandel mit Textilien und Bekleidungsgegenständen angehöre, dessen Mitglied der Kläger sei, fehle diesem für den vorliegenden Rechtsstreit ein Rechtsschutzinteresse. Die Behauptung, daß die Preise der angebotenen Perücken bis zu 80% des Verkaufswertes gesenkt seien, sei wahr. Die Abbildungen in den Anzeigen seien denen, die der Kläger verwende, zwar ähnlich, aber nicht mit ihnen ident. Die Perücken seien keineswegs eine eigenständige Schöpfung des Klägers.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die beklagte Partei hat in den am 8., 12., 15. und 29. 10. 1971 in der Kronenzeitung eingeschalteten großformatigen, als "Öffentliche Kundmachung" bezeichneten Inseraten bekannt gemacht, daß in ihrem Perückengeschäft wegen dessen Schließung Echthaar- und Kunsthaarperücken aus einer Liquidationsmasse bis zu 80% unter dem Verkaufswert einzeln abgegeben werden. Unter dem Text sind verschiedene Perückenköpfe ohne Wiedergabe der Gesichtszüge der Trägerinnen abgebildet. Die dargestellten Perücken sind nahezu ident mit den in Ankündigungen des Klägers abgebildeten Modellen, aber kleiner als diese. Der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb hat am 18. 10. 1971 zu 39 Cg 692/71 des HG Wien eine Unterlassungsklage wegen des gleichen Tatbestandes gegen die beklagte Partei überreicht; dieser wurde durch einstweilige Verfügung vom 4. 11. 1971 verboten, eine ausverkaufsähnliche Veranstaltung ohne besondere Bewilligung der Gewerbebehörde anzukundigen.

Das Erstgericht bejahte dennoch das Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb das von ihm eingeleitete Verfahren nicht so führen werde, daß die Interessen des Klägers als Einzelmitglied ausreichend geschützt seien. Die beklagte Partei habe gegen § 2 der Ausverkaufsverordnung verstoßen, weil die Ankündigung des gegenständlichen Ausverkaufes nicht durch eine besondere Bewilligung der Gewerbebehörde gedeckt sei. Hiebei komme es nicht auf die Genehmigung des Ausverkaufes, sondern nur auf die seiner Ankündigung an, deren Vorliegen die beklagte Partei nicht einmal behauptet habe. Die beanstandete Ankündigung eines öffentlichen Verkaufes aus einer Liquidationsmasse erwecke den Anschein eines behördlich kontrollierten, aus Zwangsmaßnahmen resultierenden Warenverkaufes und bewirke eine Irreführung des Käuferpublikums über den Ursprung der angebotenen Waren. Die beklagte Partei habe auch die im Prospekt des Klägers dargestellten Perückenköpfe kopiert, sodaß der Anschein erweckt werden könne, daß es sich um Erzeugnisse des Klägers handle.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei teilweise Folge. Es bestätigte das Verbot der Ankündigung eines Ausverkaufes mit bis zu 80% reduzierten Preisen, wies aber das Begehren, der beklagten Partei auch die Verwendung von Perückenmodellen des Klägers zu verbieten, ab. Das Rekursgericht war der Auffassung, daß dem Kläger trotz der Klageführung durch den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb ein Rechtsschutzinteresse zugebilligt werden müsse, weil sein Anspruch mit dem von diesem Schutzverband geltend gemachten Anspruch nicht ident sei. Die Genehmigung der Durchführung einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung umfasse zwar auch die Genehmigung ihrer Ankündigung. Eine solche Genehmigung könne auch mündlich erteilt werden, was die Beklagte in ihrer Äußerung zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung behauptet habe. Um eine solche Genehmigung müsse aber nach § 2 der Ausverkaufsverordnung schriftlich mit einem genau vorgeschriebenen Inhalt angesucht werden. Daß die beklagte Partei auch dies getan habe, habe sie nicht behauptet. Es sei überdies auch festgestellt worden, daß eine behördliche Erlaubnis zum Ausverkauf nicht erteilt worden sei. Durch den eigenmächtigen Ausverkauf sichere sich die beklagte Partei in unlauterer Weise einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern. Da die beklagte Partei das Unrechtmäßige ihres Verhaltens in Abrede stelle, sei eine Wiederholungsgefahr auch dann gegeben, wenn der Ausverkauf inzwischen beendet sei. Das Verbot, Abbildungen der Perückenmodelle des Klägers zu verwenden, sei aber nicht gerechtfertigt, da einem Kaufmann nicht verwehrt werden könne, Abbildungen der von ihm angebotenen Waren zu Werbezwecken zu veröffentlichen. Daß diese Abbildungen nicht den angebotenen Waren entsprächen, sei nicht bescheinigt. Ebensowenig sei bescheinigt, daß der Kläger ein Recht habe, das einer Veröffentlichung solcher Abbildungen durch die beklagte Partei entgegenstehe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die beklagte Partei bestreitet weiterhin das Recht des Klägers, trotz der Klageführung durch den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb auch selbst einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, weil der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb als befugter Vertreter seiner Mitglieder angesehen werden müsse. Weiters behauptet die beklagte Partei, daß die ausverkaufsähnliche Veranstaltung durch mündlichen Bescheid hätte bewilligt werden können, ohne daß es darauf ankomme, ob das Ansuchen mündlich oder schriftlich gestellt worden sei. Es liege auch keine Wiederholungsgefahr vor, weil das Geschäftslokal der Beklagten zur Zeit der Erlassung der einstweiligen Verfügung bereits geschlossen gewesen sei; die Gefahr einer Wiedereröffnung bestehe nicht.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Zu dem Einwand, daß der Kläger zur Erhebung des Unterlassungsanspruches nicht berechtigt sei, weil schon der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb wegen des gleichen Wettbewerbsverstoßes einen Unterlassungsanspruch gegenüber der beklagten Partei erhoben habe, ist darauf zu verweisen, daß nach § 14 UWG jeder durch den Wettbewerbsverstoß betroffene Mitbewerber den Unterlassungsanspruch nach §§ 1, 2, 3 und 10 UWG geltend machen kann. Nach dieser Gesetzesstelle können allerdings auch Vereinigungen zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen von Unternehmern einen solchen Unterlassungsanspruch geltend machen, wenn durch die Handlung ihre (statutarischen) Interessen berührt werden. Diese Interessen müssen sich aber mit denen des einzelnen Unternehmens keineswegs decken (vgl dazu ÖBl 1960, 68, 1972, 36 ua). Die Mitbewerber und die Wirtschaftsverbände haben selbständige, voneinander unabhängige Ansprüche, sodaß es durchaus zulässig ist, daß wegen ein und desselben Wettbewerbsverstoßes mehrere Kläger auftreten (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht 93). Die Meinung, daß ein Wirtschaftsverband bei Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb als Vertreter und anstelle des einzelnen Unternehmers auftrete und damit diesem ein Klagerecht nicht mehr zustehe, ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Das Gesetz wollte vielmehr das Klagerecht den Mitbewerbern oder der Interessenvereinigung so einräumen, daß jeder selbständig und unabhängig vom Verhalten des anderen gegen einen Wettbewerbsverstoß vorgehen kann. Es steht auch, wie bereits das Erstgericht richtig hervorgehoben hat, dem Mitbewerber oder der Interessenvereinigung kein Einfluß darauf zu, wie der von einem anderen erhobene Anspruch verfolgt und durchgesetzt wird, sodaß nicht gesagt werden kann, daß durch die Erhebung einer Klage durch die Interessenvereinigung ein anerkennenswertes Interesse des Mitbewerbers, auch selbst klagen zu können, weggefallen sei.

Zur Genehmigung des Ausverkaufes hat die beklagte Partei in ihrer Äußerung lediglich vorgebracht, daß eine solche - wenn auch nur mündlich - erfolgt sei; im Rekurs hat sie dazu behauptet, daß eine Frau B bei der Gewerbebehörde wegen Genehmigung der Ankündigung des Ausverkaufes interveniert und der zuständige Beamte die Zustimmung erteilt habe. Der Auffassung des Rekursgerichtes, daß damit eine ausreichende Deckung des Ausverkaufes durch die zuständige Gewerbebehörde nicht dargetan worden sei, ist zuzustimmen. Nach § 2 der Ausverkaufsverordnung BGBl 1933/508 ist um eine solche Bewilligung schriftlich mit genauen Angaben über die zu veräußernde Ware, Ort und Zeit des Verkaufes, Eigentümer der zu veräußernden Ware und die Gründe des Verkaufes anzusuchen; nach § 3 Abs 4 dieser Verordnung hat auch der Bewilligungsbescheid diese Angaben (mit den allenfalls für notwendig erachteten Abänderungen oder Einschränkungen) zu enthalten. Daß diesen Erfordernissen, die zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Ausverkaufes notwendig sind, entsprochen worden sei, ist durch die angeführten Behauptungen der beklagten Partei nicht dargetan. Es ist daher richtig, wenn die Untergerichte einen Verstoß der beklagten Partei gegen das Verbot der Ankündigung von ausverkaufsähnlichen Veranstaltungen ohne ausreichende behördliche Bewilligung als bescheinigt annahmen. Gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, daß sich die beklagte Partei durch eine eigenmächtige Ankündigung eines Ausverkaufs in unlauterer Weise einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern sichere und somit gegen § 1 UWG verstoße, wird von der beklagten Partei nichts mehr vorgebracht. Es genügt daher darauf zu verweisen, daß diese Ansicht richtig ist. Damit ist aber der Unterlassungsanspruch des Klägers bescheinigt.

Es wurde auch die Wiederholungsgefahr mit Recht bejaht. Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die ernstliche Besorgnis besteht, daß es der Verletzer der Regeln des Wettbewerbs nicht beim bisherigen Eingriff bewenden lasse. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist die Art des erfolgten Eingriffes und die Willensrichtung des Täters, für die insbesondere das Verhalten nach der Beanstandung oder während des Rechtsstreites wichtige Anhaltspunkte bieten kann (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht 86, SZ 38/86, ÖBl 1958, 82, 1072, 43 und 64 ua). Wohl wird bei Schließung des Geschäftes im allgemeinen die Wiederholungsgefahr wegfallen, wenn nicht ernstliche Anzeichen dafür bestehen, daß es - wenn auch in anderer Form - wieder aufgenommen wird (SZ 37/49). Im vorliegenden Fall wurde aber in erster Instanz weder behauptet noch bescheinigt, daß das Geschäft der Beklagten bereits geschlossen sei; dies wird erst im Rekurs als unbeachtliche Neuerung vorgebracht. Das Rekursgericht läßt diese Frage offen. Es sind daher keine ausreichenden Gründe bescheinigt, welche die Annahme des Wegalles der Wiederholungsgefahr rechtfertigten. Es muß vielmehr von der ernstlichen Möglichkeit ausgegangen werden, daß die beklagte Partei, die daran festhält, daß ihr Verhalten nicht wettbewerbswidrig gewesen sei, wiederum eine ausverkaufsähnliche Veranstaltung ohne ausreichende behördliche Genehmigung durchführt.

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