European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00030.21X.0315.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte beauftragte die Klägerinnen im Rahmen eines Werkvertrags mit der Herstellung der Gewerke Heizung, Kälte, Lüftung, Sanitär und MSR-Technik. Die Auftragssumme betrug 88.500.000 ATS netto.
[2] Die Klägerinnen machen den restlichen Werklohn geltend. Im ersten Rechtsgang wurde die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen 2.487.392,21 EUR zu bezahlen, hinsichtlich eines Betrags von 1.470.412,07 EUR wurde die Klage abgewiesen (vgl 4 Ob 24/20p). Im zweiten Rechtsgang war noch zu prüfen, ob die Beklagte zu Recht mit einer Schadenersatzforderung in der Höhe von 306.978,90 EUR gegen die restliche Werklohnforderung (außergerichtlich) aufgerechnet hat.
[3] Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte auch zur Zahlung dieses Betrags, verneinten eine Vertragsverletzung und den darauf gestützten Schadenersatzanspruch der Beklagten im Zusammenhang mit dem letztendlich von den Klägerinnen installierten Kreislaufverbundsystem mit je einem Wärmetauscher im Zu- und Abluftgerät. Die entsprechende Ausführung der Klägerinnen weiche zwar von der Bau- und Ausstattungsbeschreibung laut dem ursprünglichen Auftrag ab, sei aber mit der von der Beklagten diesbezüglich bevollmächtigten Nebenintervenientin abgestimmt und von dieser wegen der vorhandenen Platzverhältnisse in Kenntnis der Eigenschaften zur Montage freigegeben worden.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Beklagten spricht keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung an:
[5] 1.1 Die Auslegung des Umfangs einer konkreten Vollmacht hängt entgegen den Revisionsausführungen grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0044358 [T36]; RS0019533). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (8 Ob 78/17d).
[6] 1.2 Es ist unstrittig, dass sich die Beklagte bei der Abwicklung des Werkvertrags mit den Klägerinnen der Nebenintervenientin als sachkundiger Unternehmerin bediente, ihr mannigfaltige Befugnisse und Vollmachten einräumte und diese als Repräsentantin der Beklagten auftrat. Die Nebenintervenientin war auf der Baustelle ua für die Fachbauleitung, die technische Gebäudeausrüstung, die Angebotserstellung, für diverse Prüfungen (Architekturplanung, Angebote, Rechnungen) und auch für die Bauaufsicht im hier relevanten Bereich zuständig.
[7] 1.3 Zu vergleichbaren Fällen sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass bei einer derartigen umfassenden Betrauung auch der Abschluss von Verträgen umfasst ist (vgl 8 Ob 78/17d mwN).
[8] 1.4 Die von den Vorinstanzen aufgrund der Umstände des Einzelfalls getroffene rechtliche Schlussfolgerung, dass die Nebenintervenientin für die Beklagte daher auch entscheiden konnte, dass die Klägerinnen statt eines Rotationswärmetauschers ein Kreislaufverbundsystem installieren konnte, deckt sich mit der Rechtsprechung. Schließlich wurde von den Klägerinnen auch ausdrücklich vorgebracht, dass die Nebenintervenientin von der Beklagten (auch) im Zusammenhang mit dem hier relevanten Nachtragsangebot „Vertreter und Erfüllungsgehilfin“ der Beklagten gewesen sei. Von der Beklagten wurde das behauptete Vollmachtsverhältnis nicht substantiiert bestritten.
[9] 1.5 Die Ausführungen im Rechtsmittel zu außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen bzw zu einem ungewöhnlichen Geschäft können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Die damit aufgeworfene Frage, ob eine Rechtshandlung, die ihrer Art nach in den Vollmachtsrahmen fällt, ausnahmsweise nicht durch die Vollmacht gedeckt ist (RS0061457), hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab. Auch in diesem Zusammenhang zeigt die Beklagte keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.
[10] 1.6 Wenn die Vorinstanzen daher zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die Nebenintervenientin zur Modifizierung des Vertrags ermächtigt war, ist dies keine unvertretbare Rechtsansicht.
[11] 2. Im Hinblick auf die vertretbar bejahte Vertragsanpassung bedarf die Verneinung des (auf die geringere Wärmerückgewinnung bei einem Kreislaufverbundsystem gestützten) Schadenersatzanspruchs daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[12] 3. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze zur Warnpflichtverletzung nach § 1168a ABGB zutreffend referiert und eine solche im Sinne der Rechtsprechung verneint, wonach dann keine Warnpflicht des Unternehmers besteht, wenn der Werkbesteller die erforderlichen Kenntnisse ohnehin bereits hat (RS0110849 [T2]). Das Berufungsgericht legte die Feststellungen dahin aus, dass der (für die beklagte Bestellerin handelnden und diesbezüglich auch bevollmächtigte) Nebenintervenientin die nun geringere Wärmerückgewinnung bekannt war. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891). Auch hier zeigt das Rechtsmittel keine grobe Fehlbeurteilung auf.
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