Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.938,76 S (darin 2.823,12 S USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 10.890 S (darin 1.815 S USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG P*****; der Beklagte ist (als Einzelrechtsnachfolger von Ruth und Horst P*****) seit 1992 Eigentümer der Nachbarliegenschaft EZ ***** KG P*****. § 35 Abs 5 und 6 der niederösterreichischen Bauordnung 1976 (nöBauO) bestimmen unter anderem, dass Nebenfenster und Lüftungsöffnungen in äußeren Brandwänden ausnahmsweise dann, wenn keine feuerpolizeilichen Bedenken bestehen, mit Zustimmung der Anrainer auf die Dauer von höchstens 25 Jahren bewilligt werden können. Mit Bescheid der Stadtgemeinde P***** vom 25. 4. 1991 wurde den Klägern der Umbau ihres Hauses zu einem Zweifamilienhaus unter der Bedingung genehmigt, dass die baubehördliche Bewilligung für den Einbau von vier Nebenfenstern in die an der Nachbargrenze zur Parzelle Nr 485/1 bestehende Brandwand erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Anrainer und auf eine maximale Dauer von 25 Jahren erteilt wird.
Die Kläger begehren das Urteil,
a) der Beklagte sei schuldig, binnen 14 Tagen schriftlich den bescheidmäßig ausgeführten Öffnungen in der südseitigen Feuermauer des Hauses P*****, zuzustimmen;
in eventu, es werde festgestellt, dass der Beklagte als Rechtsnachfolger der Ruth P*****, welche die im Bescheid B-133/9-Ki-1047/3-1991 vom 25. 4. 1991 vorgesehene Zustimmung gemäß § 35 Abs 5 und 6 der nöBauO 1976 für den Einbau von vier Stück Nebenfenstern in die an der Nachbargrenze zur Parzelle 485/1 bestehenden Brandwand auf eine maximale Dauer von 25 Jahren in der gesetzlich vorgesehenen Form erteilte, worauf die Kläger Nebenfenster ordnungsgemäß in bescheid- und gesetzeskonformer Weise einbauten, seine zur Erlassung des diesbezüglichen Benützungsbewilligungsbescheids formell notwendige Zustimmung gemäß § 9 nöBauO nicht verweigern könne, mit Rechtskraft dieses Urteiles werde die fehlende Zustimmung des Beklagten ersetzt;
b) der Beklagte hafte den Klägern zur ungeteilten Hand für alle Schäden, die den Klägern durch die ungerechtfertigte Verweigerung der Zustimmung seit 13. Februar 1998 aufgrund der Ausnahme der Brandwand zur Parzelle Nr 485/1 von der bescheidmäßigen Benützungsbewilligung der Stadtgemeinde P***** entstehen.
Mit Bescheid vom 25. 4. 1991 sei den Klägern die Baubewilligung zur Sanierung und Erweiterung ihres Hauses bewilligt worden. Die Bewilligung für den Einbau von vier Nebenfenstern in die an der Nachbargrenze zur Parzelle 485/1 bestehende Brandwand sei ihnen gemäß § 35 Abs 5 und 6 nöBauO erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Anrainer auf eine maximale Dauer von 25 Jahren erteilt worden. Das Erfordernis der Schriftlichkeit sei jedoch im Gesetz nicht enthalten. Die damalige Mehrheitseigentümerin der Nachbarliegenschaft Ruth P***** habe im Winter 1991/92 mündlich auch im Namen des Minderheitseigentümers Horst P*****, den sie in sämtlichen das Grundstück betreffenden Angelegenheiten stets vertreten habe, die ausdrückliche Zustimmung zur Errichtung der Fensteröffnungen in der Feuermauer des Objektes der Kläger erteilt. Entsprechend dieser Zustimmung seien im Juni 1992 drei Fenster eingebaut worden. Der Beklagte sei als Einzelrechtsnachfolger der seinerzeitigen Grundstückseigentümer an Rechtsgestaltungserklärungen seiner Vorgänger bezüglich des übertragenen Grundstücks gebunden. Dies ergebe sich aus der Dinglichkeit der Bescheidwirkung gemäß §§ 9, 19 nöBauO. Der Beklagte verweigere im Verfahren zur Erlangung der Benützungsbewilligung grundlos, schikanös und in der bloßen Absicht, die Kläger zu schädigen, die von der Baubehörde von ihm eingeforderte schriftliche Zustimmungserklärung. Die Baubehörde beabsichtige daher die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrags zur Entfernung der Fenster und zur Schließung der Maueröffnungen, wodurch den Klägern ein derzeit noch nicht bezifferbarer Schaden entstehe.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Im Baubewilligungsbescheid für die Kläger werde die baubehördliche Bewilligung für den Einbau der Nebenfenster in die Brandwand erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Anrainer erteilt. Mit diesem Wortlaut sei der Bescheid in Rechtskraft erwachsen, weshalb es unbeachtlich sei, dass § 35 nöBauO das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht vorsehe. Die Behauptung, Ruth P***** habe eine mündliche Zustimmung zur Errichtung der Fensteröffnungen in der Feuermauer erteilt, sei frei erfunden. In der dem Bescheid vom 25. 4. 1991 vorausgegangenen Bauverhandlung habe der Hausverwalter der Rechtsvorgänger des Beklagten erklärt, er werde wegen der Zustimmung zur Errichtung der Nebenfenster Rücksprache mit den Grundeigentümern halten und könne keine verbindliche Zustimmung abgeben. Darüber hinaus hätten die Kläger den Beklagten mit Brief vom 19. 6. 1992 ausdrücklich um Zustimmung zu diesen Fenster ersucht, der Beklagte habe die Zustimmung verweigert und sei auch rechtlich nicht verhalten, eine solche Zustimmung zu erteilen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf Feststellungen allein auf Grund von Urkunden und vertrat in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, nach dem Wortlaut des baubehördlichen Bewilligungsbescheids sei davon auszugehen, dass die Baubehörde nur ihre Absicht kundgetan habe, eine Baubewilligung nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung der Anrainer zum Fenstereinbau zu erteilen. Liege eine solche ausdrückliche Zustimmung der Rechtsvorgänger des Beklagten vor, sei der Beklagte daran gebunden. Damit hätten aber die Kläger keinerlei rechtliches Interesse, vom Beklagten eine Erklärung zu verlangen, die ohnedies schon vorliege. Ein Recht der Kläger auf schriftliche Zustimmung durch den Beklagten könne aus dem Bescheid nicht abgeleitet werden. Aus welchen Gründen sonst eine Verpflichtung des Beklagten zur Zustimmung, noch dazu in schriftlicher Form, bestünde, werde in der Klage gar nicht vorgebracht. Es sei offensichtlich, dass die Kläger Fenster in der Feuermauer ohne baubehördliche Bewilligung angebracht hätten und jetzt mit einem Abbruchbescheid der Baubehörde rechnen müssten.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die mündliche Zustimmung eines Liegenschaftseigentümers zu einer Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück dessen Einzelrechtsnachfolger binde und ob dieser oder die Voreigentümer zur Ausstellung einer schriftlichen Urkunde über die Zustimmung verpflichtet seien. Ob die Unterlassung der Parteienvernehmung der Kläger als relevanter Verfahrensmangel zu beurteilen sei, hänge davon ab, ob die mündliche Zustimmung seiner Rechtsvorgänger den Beklagten als Einzelrechtsnachfolger binde oder ob diese Zustimmung nur obligatorische Wirkung zwischen den seinerzeitigen Liegenschaftseigentümern entfalte. Dieses Problem sei vor allem bei der Beurteilung der Schriftform von Verträgen behandelt worden. Werde die Schriftform bereits für den Abschluss des Vertrages vorgeschrieben, so komme durch mündliche Vereinbarung ein verbindlicher Vertrag nicht zustande. Verlange das Gesetz lediglich für die Durchführung der Vereinbarung die Schriftform, wie etwa bei der Verbücherung von Liegenschaftskäufen, so hänge die Gültigkeit des Vertrages nicht von der Einhaltung der Schriftform ab. Da die nöBauO die Zustimmung des Anrainers ohne Formvorschrift verlange und nur der Bescheid die Bewilligung von der Auflage der schriftlichen Zustimmung abhängig mache, entfalte bereits die mündliche Zustimmung die in der nöBauO vorgesehene Wirkung. Deshalb sei auch der Einzelrechtsnachfolger an diese Zustimmungserklärung gebunden, selbst wenn die vom Bescheid im Bauverfahren - offenbar aus Beweissicherungsgründen - verlangte Schriftlichkeit nicht vorliege. In diesem Fall sei aber der Liegenschaftskäufer verpflichtet, die Zustimmungserklärung schriftlich abzugeben, wenn sie von seinem Rechtsvorgänger mündlich erteilt worden sei. Die unterlassene Parteienvernehmung bewirke somit einen relevanten Verfahrensmangel und führe zur Aufhebung der Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Der (entgegen § 519 ZPO als "Revisionsrekurs" bezeichnete) Rekurs der Kläger ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, die im baubehördlichen Bewilligungsbescheid vorgesehene Bedingung der Schriftlichkeit für die Zustimmung der Anrainer zum Einbau der Fenster in die Brandwand sei durch die von den Klägern behauptete bloß mündliche Zustimmung seiner Rechtsvorgänger nicht erfüllt. Dieser Frage nach Einhaltung der Formvorschrift muss hier allerdings nicht näher nachgegangen werden.
Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass vertragliche, nicht verbücherte Servituten zwar zulässig sind (SZ 44/41), jedoch nur die Vertragsparteien binden (SZ 44/41; MietSlg 44.027) und gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger nur bei Übernahme durch diesen wirksam sind (EvBl 1977/68; MietSlg 39.038; MietSlg 44.027; MietSlg 44.034; 1 Ob 128/98z). Der Einzelrechtsnachfolger des Bestellers muss die vertragliche, nicht verbücherte Dienstbarkeit allerdings dann gegen sich gelten lassen, wenn er von ihr beim Erwerb der belasteten Sache Kenntnis hatte oder doch hätte haben müssen (MietSlg 43.042 mwN; 1 Ob 128/98z).
Die von den Klägern behauptete Zustimmung von Ruth P***** zur Errichtung der Fensteröffnungen in der Grenzwand konnte zwar keine Haus-Servitut iSd § 475 Abs 1 Z 3, § 488 ABGB ("Fensterrecht") begründen, weil es sich um Öffnungen in der eigenen Wand der Kläger handelte. Im hier zu entscheidenden Fall stehen die Rechtswirkungen der Billigung einer Fensteröffnung in einer Grenzmauer durch den Anrainer zur Diskussion; dieser Sachverhalt ist aber jenem der vertraglichen Begründung einer nicht verbücherten Servitut durchaus vergleichbar, weil auch durch den einvernehmlichen Fenstereinbau dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft - ähnlich einem mit einer Servitut nach § 476 Z 10 und 11 ABGB belasteten Liegenschaftseigentümer - Unterlassungspflichten (betreffend die Bebauung der Liegenschaft und die Gewährung von Licht und Luft) auferlegt werden. Diese gleichartige Interessenlage zwischen den Anrainern rechtfertigt auch im vorliegenden Fall die Anwendung der von der Rechtsprechung zu den vertraglichen, nicht verbücherten Servituten entwickelten Grundsätze.
Haben daher die Rechtsvorgänger des Beklagten - wie behauptet - dem Fenstereinbau (und sei es auch bloß mündlich) zugestimmt, muss der Beklagte diese Zustimmung nur dann gegen sich gelten lassen, wenn auch er selbst der dadurch eingetretenen Rechtslage zugestimmt hat oder die Zustimmungserklärung seiner Vorgänger beim Erwerb der Liegenschaft kannte oder kennen musste.
Der Beklagte hat der strittigen Baumaßnahme nicht nur nicht zugestimmt, sondern ihr (in seinem Antwortschreiben vom 15. 7. 1992 Beil. ./4) sogar ausdrücklich widersprochen. Dass der Beklagte im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs vom Vorliegen einer Zustimmungserklärung seiner Rechtsvorgänger Kenntnis hatte, haben die Kläger nicht einmal behauptet. Die Existenz einer derartigen Erklärung war für den Beklagten aber auch nicht offenkundig: Zwar waren - nach dem unstrittigen Sachverhalt - die Fensteröffnungen im maßgeblichen Zeitpunkt schon hergestellt und damit für den Beklagten erkennbar; die Kläger haben aber den Beklagten auf seine Anfrage nach Bestehen einer Zustimmungserklärung (Brief vom 30. 5. 1992, Beil. ./2) nicht darüber informiert, dass eine solche - wie nunmehr im Verfahren behauptet - schon von den Rechtsvorgängern des Beklagten abgegeben worden sei, sondern ihn vielmehr dazu aufgefordert, seinerseits die Zustimmung zu erteilen (Brief vom 19. 6. 1992, Beil. ./3). Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Kläger hätten dem Beklagten bei entsprechender Nachfrage noch vor dessen Eigentumserwerb eine anderslautende Auskunft erteilt, muss ihnen gleichförmiges Verhalten auch für diesen Fall unterstellt werden. Damit scheidet aber auch eine dem Beklagten zurechenbare Unkenntnis einer offenkundigen Zustimmungserklärung seiner Rechtsvorgänger aus.
Eine Bindung des Beklagten an eine allenfalls von seinen Vorgängern im Eigentum der betroffenen Nachbarliegenschaft abgegebene Einwilligung zur Herstellung der Fensterdurchbrüche besteht somit nicht. Damit liegt aber auch der vom Berufungsgericht angenommene Verfahrensmangel nicht vor.
Auf ein eigenes, etwa in der nöBauO gegründetes Recht gegenüber dem Beklagten, das diesen verpflichtete, dem Fenstereinbau schriftlich zuzustimmen, haben sich die Kläger nicht berufen. Ein solches Recht könnte allenfalls dann bestehen, wenn die Weigerung der Zustimmung als Schikane (§ 1295 Abs 2 ABGB) zu beurteilen wäre. Nach dem festgestellten Sachverhalt verweigert der Beklagte aber seine Zustimmung unter Hinweis auf einen dadurch eintretenden Wertverlust seiner Liegenschaft. Dass dieser Einwand unberechtigt und daher schikanös wäre, ist nicht zu erkennen.
Auch das Eventualbegehren bezieht sich allein auf die Stellung des Beklagten als Rechtsnachfolger und ist aus den aufgezeigten Gründen unberechtigt; ein Fenstereinbau in "bescheidkonformer Weise" liegt im Übrigen wegen des Fehlens einer schriftlichen Zustimmung selbst nach den Klagebehauptungen nicht vor. Mangels rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten haftet dieser auch nicht für zukünftige Schäden des Klägers infolge der Verweigerung seiner Zustimmung zur strittigen Baumaßnahme.
Der Oberste Gerichtshof kann gem § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist. Dem Rekurs des Beklagten ist daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens zu erkennen.
Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.
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