OGH 4Ob271/04p

OGH4Ob271/04p14.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich H*****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und andere Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei Sparkasse S*****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 170.007,73 EUR sA, über den Rekurs der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. September 2004, GZ 2 R 130/04s-28, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. März 2004, GZ 15 Cg 211/03m-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger betreibt seit 1996 in G***** eine Frühstückspension, die er 1999 auf insgesamt 22 Betten auszubauen gedachte. Aus diesem Grund wandte er sich an den Geschäftsstellenleiter der Beklagten in G*****, der weder über Prokura noch über Handlungsvollmacht verfügte und auf Grund einer eigenen, durchaus realistischen Schätzung zu einer Bewertung der Liegenschaft des Klägers samt Frühstückspension im ausgebauten Zustand mit 8 Mio ATS kam.

Am 28. Jänner/5. Februar 1999 schlossen die Parteien zwei Kreditverträge über 3,6 Mio ATS und 6 Mio ATS, wobei ersterer in Japanischen Yen ausgenützt wurde. Letzterer war in jeder frei konvertierbaren Währung ausnützbar und wurde vom Kläger tatsächlich in Schweizer Franken (CHF) in Anspruch genommen. Beide Kreditverträge enthalten untern anderem folgende Vereinbarungen:

...

3. Der Kredit ist mit einer Laufzeit von ca 23 Jahren ausgestattet und vereinbarungsgemäß am Ende der Laufzeit per 31. 12. 2022 zur Gänze zu tilgen. .... Dessen ungeachtet kann das Kreditverhältnis von beiden Seiten unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten auf den nächsten Roll-Over-Termin schriftlich gekündigt werden.

...

6 Eine allfällige Konvertierung in eine andere verfügbare Währung ist möglich, erfordert jedoch aus rechnungstechnischen Gründen die Eröffnung eines separaten Kontos und ist mindestens 10 Werktage vor dem jeweiligen Refinanzierungstermin bei der Sparkasse anzumelden. Die dabei anfallende Umstiegsgebühr beträgt 1 % vom Schillinggegenwert der Konvertierung. ...

Sollte der Devisenmittelkurs der Wiener Börse der Währung, in der der Kredit aushaftet, gegenüber dem Schilling zu irgendeinem Zeitpunkt um über 5 % im Vergleich zum Devisenmittelkurs zum Zeitpunkt der ersten Ausnützung des Kredits in Fremdwährung gestiegen sein, so sind wir berechtigt, aber nicht verpflichtet, von Ihnen zu verlangen, dass Sie innerhalb eines Monats

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob dem Geschädigten eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden kann, wenn der Schädiger den Schaden durch vertragstreues Verhalten hätte abwenden können; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass Punkt 6 der Kreditverträge unwirksam, jedenfalls aber dahin auszulegen sei, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Konvertierung von weiteren Sicherheiten abhängig zu machen. Sie macht weiters geltend, dass der Kläger der Weiterführung des Kredits in Schweizer Franken schlüssig zugestimmt habe. Er habe darüber hinaus seine Schadensminderungspflicht verletzt, da er es unterlassen habe, den Kredit bereits im Jahr 2000 umzuschulden.

1. Zu Punkt 6 der Kreditverträge

Nach dieser Bestimmung ist „eine allfällige Konvertierung in eine andere verfügbare Währung" möglich; sie erfordert jedoch „aus rechnungsgtechnischen Gründen die Eröffnung eines separaten Kontos und ist mindestens 10 Werktage vor dem jeweiligen Refinanzierungstermin bei der Sparkasse anzumelden". Ihrem Wortlaut nach macht die Bestimmung damit die Konvertierung nur davon abhängig, dass ein separates Konto eröffnet und die Konvertierung rechtzeitig angemeldet wird. Wird auch - der allgemein gefasste - Abs 2 dieser Bestimmung mit berücksichtigt, so wäre die Beklagte berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, bei 5 % übersteigenden Kursänderungen zusätzliche Sicherheiten oder die vorzeitige Teilrückführung des Kredits zu verlangen.

Punkt 6 räumt damit dem Kreditnehmer das Recht ein, eine Konvertierung zu verlangen. Die Beklagte kann weitere Sicherheiten oder eine Teilrückführung des Kredits auch in diesem Zusammenhang nur verlangen, wenn die Kursveränderungen 5 % übersteigen. Trifft dies nicht zu, so hat sie dem Konvertierungsersuchen zu entsprechen, ohne die Konvertierung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen zu können.

Nach Auffassung der Beklagten ist die Bestimmung unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 936 ABGB nicht erfüllt sind. Sie verkennt damit, dass die Vereinbarung künftiger Konvertierung des Kreditbetrags in eine andere Währung nicht die Vereinbarung eines erst abzuschließenden Vertrags und damit auch kein Vorvertrag ist, der § 936 ABGB zu entsprechen hätte. Mit dem Abschluss des Kreditvertrags wird der Hauptvertrag bereits abgeschlossen; die Konvertierung ändert seinen Gegenstand. Wird mit dem Kreditnehmer - wie hier - vereinbart, dass er die Konvertierung verlangen kann, so wird ihm damit ein Gestaltungsrecht eingeräumt.

Die Beklagte ist dem mehrmaligen Verlangen des Klägers nach Konvertierung nicht nachgekommen. Sie hat die Konvertierung nicht davon abhängig gemacht, dass der Kläger weitere Sicherheiten beibringe. Ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den Kredit fällig zu stellen, weil der Kläger nicht in der Lage gewesen war, die vor seinem ersten Konvertierungsersuchen verlangten weiteren Sicherheiten beizubringen, ist unerheblich. Die Beklagte hat aus dem Unvermögen des Klägers keine Konsequenzen gezogen. Sie kann sich daher auch nicht auf die Vertragslage berufen, die eingetreten wäre, hätte sie dies getan. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich die Beklagte damit vertragswidrig verhalten.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, sie habe den Kläger auf das Risiko einer Konvertierung von Schweizer Franken in Yen hingewiesen und ihm von der Konvertierung abgeraten. Der Kläger habe daraufhin von seinem Verlangen Abstand genommen hätte.

Trifft dieses Vorbringen zu, so hätte der Kläger auf sein Gestaltungsrecht verzichtet. Hat die Beklagte hingegen die Konvertierung ohne Begründung abgelehnt und hat der Kläger nicht zu erkennen gegeben, dass er auf die Konvertierung verzichte, könnte ihm auch nicht unterstellt werden, auf sein Gestaltungsrecht verzichtet zu haben.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Geschäftsstellenleiter den Kläger im Mai 2000 (anlässlich des ersten Konvertierungsansuchens) auf den bereits eingetretenen hohen Kursverlust hingewiesen und das Eingehen eines noch größeren Risikos „als wenig sinnvoll dargestellt". Ob er dem Kläger von der Konvertierung (ausdrücklich) abgeraten hat, wurde nicht festgestellt. Ebenso wenig wurde festgestellt, worüber der Kläger und der Geschäftsstellenleiter anlässlich des weiteren Konvertierungsansuchens im September 2000 gesprochen haben. In den Feststellungen finden sich aber insbesondere keine Hinweise darauf, wie der Kläger auf die (zweimalige) Ablehnung seines Konvertierungsansuchens reagiert hat.

Das Erstgericht wird das - oben erwähnte - Vorbringen zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Sollte es nicht feststellen können, ob und gegebenenfalls wie der Geschäftsstellenleiter dem Kläger gegenüber die Ablehnungen begründet und wie der Kläger darauf reagiert hat, wirkte dies zu Lasten der Beklagten. Die Beweislast dafür, dass der Kläger auf sein Gestaltungsrecht verzichtet hat, trifft die Beklagte.

2. Zur behaupteten konkludenten Zustimmung zur Weiterführung des Kredits in Schweizer Franken

Nach § 863 ABGB kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. In Bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts ist besondere Vorsicht geboten (jüngst 4 Ob 73/03v = JBl 2004, 50; RIS-Justiz RS0014190; Rummel in Rummel³ § 863 ABGB Rz 14 mwN; Apathy in Schwimann² § 863 ABGB Rz 12). Ein stillschweigender Verzicht darf nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (jüngst 10 Ob 128/00x mwN; RIS-Justiz RS0014190).

Die Beklagte will einen Verzicht des Klägers auf die Konvertierung daraus ableiten, dass er die Kontoauszüge unbeanstandet ließ. Aus den Kontoabschlüssen habe sich ergeben, dass der Kredit in Schweizer Franken weitergeführt wurde.

Auf einen Verzicht des Klägers auf die Konvertierung könnte aus der fehlenden Beanstandung nur geschlossen werden, wenn den Kontoauszügen (auch) die Erklärung entnommen würde, den Kredit in Schweizer Franken weiterzuführen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall:

Mit den Kontoauszügen werden dem Kontoinhaber die Kontenbewegungen und der sich daraus ergebende Saldo mitgeteilt. Als Erklärung der Bank, den Kredit in einer bestimmten Währung zu führen und eine vom Kreditnehmer verlangte Konvertierung abzulehnen, werden die Kontoauszüge regelmäßig nicht aufgefasst. Lässt der Kontoinhaber die Auszüge unbeanstandet, so kann daraus somit allenfalls ein (je nach den Umständen: deklaratives oder konstitutives) Saldoanerkenntnis abgeleitet werden (1 Ob 27/01d [verstSenat] = SZ 74/80; 4 Ob 73/03v; Apathy, Das Schuldanerkenntnis nach österreichischem Recht, ÖBA 1999, 683); es kann daraus aber nicht geschlossen werden, dass der Kreditnehmer auf eine ihm nach dem Vertrag zustehende und von ihm auch verlangte Konvertierung verzichte.

Gleiches gilt für die Tilgung der Kreditzinsen durch den Kontoinhaber. Mit der (vertragsgemäßen) Tilgung der Zinsen verhindert der Kreditnehmer eine Säumnis, die zur vorzeitigen Aufkündigung des Kredits durch den Kreditgeber führen könnte. Auch ihr kann daher nicht die Erklärung entnommen werden, mit der Weiterführung des Kredits in einer bestimmten Währung einverstanden zu sein. Damit ist ein schlüssiger Verzicht des Klägers auf die Konvertierung zu verneinen. Es ist daher - wie zu Punkt 1 dargelegt - zu prüfen, ob die Beklagte dem Kläger von der Konvertierung abgeraten und der Kläger diesen Rat befolgt hat. Das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen haben.

3. Zur behaupteten Verletzung der Schadensminderungspflicht

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, die Negativfeststellung zu den Umschuldungsbemühungen des Klägers gehe zu ihren Lasten. Dass der Kläger seine Schadensminderungspflicht verletzt habe, sei bereits dadurch erwiesen, dass er den Kredit erst im Jänner 2003 umgeschuldet habe, obwohl eine Umschuldung bereits im Mai 2000 in derselben Weise möglich gewesen wäre. Ob der Kläger „Versuche" unternommen habe, zu einer Umschuldung zu kommen und aus welchen Gründen seine Bemühungen erfolglos geblieben seien, sei ohne Bedeutung.

Unter Schadensminderungspflicht versteht man die Obliegenheit des Geschädigten, alles vorzukehren, um den Schaden möglichst gering zu halten. Sie reicht nur so weit, als Maßnahmen auch zumutbar sind (3 Ob 286/99a uva; Reischauer in Rummel² § 1304 ABGB Rz 38 mwN; Harrer in Schwimann² § 1304 ABGB Rz 9; ebenso Koziol, Haftpflichtrecht³ I Rz 12/100). Eine Pflicht zur Schadensminderung setzt besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten zwischen den Parteien voraus (Koziol aaO Rz 12/88). Ein allgemeines Gebot, um die Verhinderung von Schäden bemüht zu sein, besteht nicht; ein Unterlassen macht daher in der Regel nicht verantwortlich (RIS-Justiz RS0022458).

Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wurde in Fällen bejaht, in denen es der den Nichterfüllungsschaden geltend machende Gläubiger verabsäumt hatte, ein günstigeres Deckungsgeschäft abzuschließen (8 Ob 38/90 = RdW 1991, 261: berechtigte Auflösung eines Immobilienleasingvertrags; s auch 1 Ob 641/87 = SZ 60/218:

Franchisingvertrag; RIS-Justiz RS0018262). Zum Abschluss eines Deckungsgeschäfts ist der vom Vertrag zurücktretende Gläubiger erst nach Ablauf der Nachfrist verpflichtet. Bis dahin kann er damit rechnen, dass der Schuldner den Vertrag erfüllen werde (7 Ob 550/90 = SZ 63/65; s auch Reischauer aaO § 921 Rz 3).

Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Minderung des Nichterfüllungsschadens nach Auflösung des Vertrags, sondern die Beklagte erblickt die Verletzung der Schadensminderungspflicht darin, dass der Kläger den Kreditvertrag nach Ablehnung seines Konvertierungsansuchens nicht sofort aufgekündigt hat. Ihrer Auffassung nach hätte der Kläger somit nicht einen bereits eingetretenen Schaden mindern, sondern den Eintritt des Schadens durch den Abschluss eines Kreditvertrags mit einem anderen Kreditgeber verhindern müssen.

Träfe diese Auffassung zu, dann könnte ein Vertrag immer dann ohne Risiko verletzt werden, wenn der Vertragspartner den ihm daraus erwachsenden Schaden dadurch abwenden kann, dass er das Vertragsverhältnis (durch Rücktritt oder Aufkündigung) beendet und sich einen neuen Vertragspartner sucht. Vertragsbrüchiges Verhalten wäre damit in vielen Fällen sanktionslos möglich.

Für die Annahme derart weitgehender Schutz- und Sorgfaltspflichten fehlt jede Grundlage. Kann eine den Vertrag verletzende Partei den drohenden Schaden jederzeit dadurch abwenden, dass sie ihre Vertragspflichten erfüllt, so ist die andere Partei nicht verpflichtet, von ihrem Recht zur Vertragsauflösung Gebrauch zu machen und sich einen anderen Vertragspartner zu suchen, um nachteilige Folgen der Vertragsverletzung abzuwenden. Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte den dem Kläger drohenden Schaden jederzeit dadurch abwenden können, dass sie die verlangte Konvertierung vornahm. Dass sie dazu nicht in der Lage gewesen wäre, hat sie nicht behauptet. Sie kann sich damit nicht von ihrer Haftung dadurch befreien, dass sie geltend macht, der Kläger hätte sich einen anderen Vertragspartner suchen müssen. Für die Entscheidung ist es damit unerheblich, ob der Kläger zwischen Mai 2000 und Dezember 2002 (nicht ohnehin) Versuche unternommen hat, seine Kreditverbindlichkeiten auf ein anderes Kreditinstitut umzuschulden. Die Entscheidung über die Prozesskosten beruht auf § 52 ZPO.

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