OGH 4Ob267/16t

OGH4Ob267/16t30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers S***** R*****, vertreten durch Stolz Rechtsanwalts-GmbH in Radstadt, gegen die Beklagte S***** Verkehrsverbund Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 90.000 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 21.600 EUR), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2016, GZ 4 R 86/16v‑30, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. März 2016, GZ 14 Cg 128/14g‑26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00267.16T.0530.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 2.401,02 EUR (darin 400,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte GmbH befindet sich im Alleineigentum des Landes Salzburg und ist ein öffentliches Unternehmen, dem der Eigentümer die Organisation und Aufgaben einer Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft nach dem Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (ÖPNRV‑G 1999) für den Salzburger Verkehrsverbund übertragen hat.

Gemäß § 17 Abs 1 ÖPNRV‑G ist zur organisatorischen Umsetzung der im Zusammenhang mit Verkehrsverbünden wahrzunehmenden Aufgaben der Gebietskörperschaften und zur Umsetzung der von den Verkehrsunternehmen im Rahmen ihrer Kooperation nicht oder nur unzureichend wahrnehmbaren oder wahrgenommenen Aufgaben für jeden Verkehrsverbundraum eine Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft einzurichten. Zu deren Aufgaben zählt gemäß § 18 Abs 1 leg cit insbesondere die Festsetzung von Rahmenvorgaben für die Festsetzung, Entwicklung oder Weiterentwicklung sowie die Umsetzung des Verbundregelbeförderungspreises, die Koordination der Bestellung von Verkehrsdiensten sowie Einzelplanungen für den Abschluss von Verkehrsdienstverträgen und auch Vorschläge an die Gebietskörperschaften für Nah‑ und Regionalverkehrsplanung unter Bedachtnahme auf verkehrspolitische Grundsätze (§ 18 Abs 2 leg cit). Zur Abgeltung der im Rahmen von Verkehrsverbünden tätigen Verkehrsdienste stehen ua Finanzzuweisungen aus dem Finanzausgleich zur Verfügung (§ 24 leg cit).

Teil des S***** Verkehrsverbunds war von 2000 – 31. 8. 2012 die Linie 558 („Bahnhofslinie“) mit einem Streckenverlauf vom Bahnhof bis in das Ortszentrum, die von der R***** GmbH & Co KG betrieben wurde. Per 1. 9. 2012 wurde diesem Unternehmen die Mitgliedschaft im Verkehrsverbund gekündigt, worauf es die Linie außerhalb des Verkehrsverbunds – ohne dessen Tarifbegünstigungen – weiter betrieb. Mangels Wirtschaftlichkeit stellte dieses Verkehrsunternehmen mit 2. 4. 2013 den Betrieb der Bahnhofslinie ein.

Der Kläger betreibt ein Taxigewerbe in B*****. Als Reaktion auf die Einstellung der Bahnhofslinie führte er ein Shuttle-Service zur Verbindung des Bahnhofs mit dem Ortskern ein.

2013 führte der beklagte Verkehrsverbund ein Vergabeverfahren für eine Buslinie 558 in B***** (Streckenführung B***** Süd – Bahnhof – S*****) betreffend den Zeitraum 18. 5.–14. 12. 2013 durch, das als Direktvergabe gemäß §§ 41 f BVergG abgewickelt wurde. Laut Leistungsvereinbarung war ausschließlich der Tarif entsprechend den jeweils aktuellen Verkehrsverbund-Tarifbestimmungen anzuwenden. Als Billigstbieterin erhielt die Ö***** GmbH (in der Folge: Konzessionärin) den Zuschlag und nahm am 18. 5. 2013 den Fahrbetrieb auf dieser Linie auf. Zunächst hob sie den Regelbeförderungspreis im Verkehrsverbund ein, wurde jedoch zwei Tage nach Aufnahme des Betriebs von der Beklagten angewiesen, diese Linie zum Nulltarif für Benützer zu betreiben, was seither auch so durchgeführt wird. Der Kläger stellte daraufhin seinen entgeltlichen Shuttle-Service ein.

In der Folge führte der beklagte Verkehrsverbund ein Vergabeverfahren für die Buslinie 558 betreffend den Zeitraum 15. 12. 2013–13. 12. 2014 durch. In diesem Verfahren trat der Kläger als Mitbieter auf; der Zuschlag erging aber erneut an die Konzessionärin als Billigstbieterin. Am nachfolgenden Vergabeverfahren betreffend die Linie 558 für den Zeitraum 14. 12. 2014–13. 12. 2015 mit Verlängerungsoption für die Saison 2015/16 hat sich der Kläger nicht mehr beteiligt.

Die Konzessionärin erhielt infolge ihres Antrags vom 13. 5. 2014 vom Land S***** die Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie 558 bis 11. 12. 2016. Am 24. 2. 2015 beantragte die Konzessionärin die Genehmigung eines besonderen Beförderungspreises für die Bahnhofslinie. Mit Bescheid des Landes S***** vom 26. 2. 2015 wurde für diese Linie die Anwendung eines besonderen Beförderungspreises von null Euro für Urlaubsgäste und Einheimische genehmigt. In der Begründung wurde festgehalten, dass es sich um eine gemeinwirtschaftliche Kraftfahrlinie handelt und der beantragte besondere Beförderungspreis mit den öffentlichen Verkehrsinteressen bzw dem Gemeinwohl im Einklang steht. Im Zuge dieses Verfahrens wird nicht geprüft, wer die Differenz zwischen besonderem Beförderungspreis und Regelbeförderungspreis zahlt.

Aufgrund einer Finanzierungsvereinbarung vom 24. 3. 2015 zahlen die Gemeinde B***** und der Kultur- und Tourismusverband B***** (rückwirkend ab Dezember 2013) gemeinsam 25.000 EUR im Jahr an die Beklagte für den Betrieb der Bahnhofslinie, zuvor hat die Beklagte diese Linie allein finanziert. Die Konzessionärin erhält für den Betrieb der Linie 558 rund 200.000 EUR im Jahr. Bis zur Aufnahme der kostenlosen Buslinie nahmen Fahrgäste für Fahrten zwischen Bahnhof und Ort häufig Taxis in Anspruch. Nach Aufnahme des Gratisbetriebs werden nur noch selten Taxis vom Bahnhof beansprucht, was zu Umsatzeinbußen bei den örtlichen Taxibetrieben wie dem Kläger geführt hat.

Der Kläger begehrt mit Klage vom 10. 11. 2014, der Beklagten aufzutragen, es ab sofort zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, den Fahrgästen eine kostenlose bzw eine unter dem derzeit gültigen Tarif der Beklagten (aktuell 1,80 EUR bis 2,30 EUR pro Einzelfahrt) liegende Beförderung mit der Linie 558 „B***** Süd – Bahnhof – W***** – S*****“ anzubieten oder zu ermöglichen. Er begehrt weiters 90.000 EUR sA Schadenersatz. Die Beklagte verstoße dadurch gegen § 1 UWG, dass sie mit ihrer Weisung, die Linie kostenlos zu betreiben, sittenwidrig zu Gunsten der Konzessionärin in den Wettbewerb eingegriffen habe. Die Buslinie 558 werde entgegen den Bestimmungen der ausgeschriebenen Leistungsvereinbarung kostenlos angeboten. Dies beeinflusse das Verhalten der Verbraucher, die bevorzugt Gratisfahrten nutzten und nicht auf die entgeltlichen Beförderungsmittel des Klägers zugriffen. Die Beklagte missbrauche ihre öffentlich-rechtliche Stellung, handle dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung und verstoße gegen die Bestimmungen des Kartellgesetzes, was den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG erfülle. Die Beklagte verstoße zudem gegen §§ 27 und 31 Kraftfahrliniengesetz (KflG) sowie gegen §§ 17 und 18 ÖPNRV‑G sowie gegen das BVergG, da sie sich nicht an die Ausschreibungsbedingungen halte.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil die Klagsansprüche auf Grundlage eines abgeführten Vergabeverfahrens behauptet würden und demnach die Vergabebehörde zunächst einen Feststellungsbescheid zu treffen habe. Die Beklagte handle in Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, ihr Verhalten sei insofern dem Wettbewerbsregime entzogen. Sie habe gegen keine Norm verstoßen, es lägen keine Hinweise für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor. Durch die Vorgabe eines Null-Euro-Tickets ändere sich nichts an der Entgeltlichkeit der Leistung, da das Verkehrsunternehmen seine aufgrund der Ausschreibung ermittelten Leistungsentgelte (Fahrpreis pro Kilometer oder sonstige Pauschalen) erhalte. Das ÖPNRV‑G lasse Sondertarife zu. Im Übrigen sei der besondere Beförderungspreis von null Euro mit Bescheid des Landes S***** bewilligt worden und stehe mit den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Gemeinwohl im Einklang.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, weil der Kläger der Beklagten ein rechtswidriges Verhalten ohne Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren vorwerfe. Es gab einerseits dem Unterlassungsbegehren mit Teilurteil, andererseits dem Leistungsbegehren mit Zwischenurteil dem Grunde nach statt. Die Beklagte habe durch ihre Weisung an die Konzessionärin kostenlose Personenbeförderungen veranlasst, ohne über entsprechende Genehmigungen nach § 31 KflG zu verfügen, dies sei als Rechtsbruch nach § 1 UWG zu beurteilen. Über die Höhe des Zahlungsbegehrens könne erst nach Einholung eines Gutachtens eines Buchsachverständigen entschieden werden.

Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Seit dem Bewilligungsbescheid des Landeshauptmanns betreffend die Anwendung eines besonderen Beförderungspreises von null Euro liege kein Gesetzesverstoß vor, für den Zeitraum davor könne allenfalls der Konzessionärin, nicht aber der Beklagten vorgeworfen werden, einen besonderen Beförderungspreis ohne die dafür erforderliche Genehmigung angeboten zu haben. Auch die entsprechende Anweisung der Beklagten an die Konzessionärin mache das Verhalten der Beklagten nicht unlauter. Weshalb und auf welcher Rechtsgrundlage das Verhalten der Konzessionärin der Beklagten als unlauteres Handeln im Wettbewerb zuzurechnen sein soll, sei nicht ersichtlich. Das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen einem Verkehrsverbund und einem Unternehmer im Gelegenheitsverkehr müsse unter diesen Umständen nicht geprüft werden.

Die außerordentliche Revision des Klägers macht geltend, das Berufungsgericht verkenne, dass die Reduktion des Beförderungspreises auf null gegen § 31 Abs 6 KflG verstoße und dass die Beklagte als Bestimmungstäterin durch ihre Weisung an die Konzessionärin öffentliche Machtmittel missbräuchlich verwende; die Beklagte verstoße auch gegen § 30 ÖPNRV‑G, wonach die Gewährung von Sondertarifen durch jene Institution aufzubringen sei, die dies wünsche. Im Anlassfall erreichten die Zuzahlungen Dritter zur Linie 558 nicht die Höhe deren Gesamtkosten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Unumstrittener Regelungsbereich des Lauterkeitsrechts ist der wirtschaftliche Wettbewerb und die Regelung des Verhaltens von Wettbewerbern auf dem Markt. Insoweit ist das UWG Marktverhaltensrecht, das das Verhalten von Unternehmen, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern als Anbieter und Nachfrager von Waren oder Leistungen regelt. Konstitutives Merkmal des Marktverhaltens ist dabei die Teilnahme am Markt, verstanden als Austauschprozess von Leistungen ( F. Schuhmacher , Überlegungen zum Handeln im geschäftlichen Verkehr und zur Förderung fremden Wettbewerbs, wbl 2016, 601, 604).

2. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für das Handeln der öffentlichen Hand: Übt die öffentliche Hand eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, ist sie insoweit unternehmerisch tätig und ihr Verhalten unterliegt lauterkeitsrechtlicher (und im Übrigen auch kartellrechtlicher) Verhaltenskontrolle. Nach der grundlegenden Entscheidung des EuGH C‑41/90, Höfner , ist das entscheidende Kriterium für die Zuordnung zum Unternehmerbegriff die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit.

3.1. Die Tätigkeit der öffentlichen Hand lässt sich demnach in drei Fallgruppen einteilen: Hoheitliches Handeln (das dem Lauterkeits- und Kartellrecht entzogen ist), privatrechtliches Handeln mit unternehmerischem Charakter (bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit) und privatrechtliches Handeln ohne unternehmerischen Charakter, das nicht als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr qualifiziert werden kann ( Hoffer , Entscheidungsanmerkung ÖBl 2015, 228, 229 unter Verweis auf Herrmann in Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht² I Einl Rz 955).

3.2. Keine unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand wird etwa dann vorliegen, wenn sich das in Frage stehende Verhalten an öffentlich-rechtlichen Schutz- und Ordnungsfunktionen orientiert und keine marktbezogene Preisbildung stattfindet, sondern eine über lange Zeiträume unveränderte „Gebühr“ eingehoben wird ( Hoffer aaO im Zusammenhang mit der „Gebrauchserlaubnis“ des Magistrats betreffend Standorte für Entnahmeboxen für Gratistageszeitungen im öffentlichen Raum) oder wenn die öffentliche Hand typische ihr zufallende Aufgaben der Daseinsvorsorge oder der Schaffung von Infrastruktur erfüllt (vgl 4 Ob 40/11b, Murpark).

4. Im Anlassfall wendet sich der Kläger gegen eine Maßnahme der Tarifgestaltung in einem Verkehrsverbund. Sein Vorwurf gegen eine (im Alleineigentum eines Bundeslandes stehende) Verkehrsverbundsorganisationsgesellschaft liegt im behaupteten lauterkeitswidrigen Abweichen vom Verbundregelbeförderungspreis, wodurch der unternehmerisch tätige Kläger auf dem Markt benachteiligt werde. Diese Argumentation ist schon im Ansatz verfehlt.

5.1. Ob den Fahrgästen bestimmte Fahrtstrecken (Linien) in einem Verkehrsverbund zum Nulltarif angeboten werden, hängt nicht vorrangig von markt‑ oder betriebswirtschaftlichen Überlegungen ab (die betreffende Linie war ja nach den Feststellungen nicht kostendeckend zu betreiben), sondern vielmehr davon, ob dies etwa aus Gründen der Umweltpolitik, der Infrastrukturpolitik oder des Tourismus geboten sein könnte.

5.2. Jedenfalls die Tarifgestaltung in einem von der öffentlichen Hand organisierten und mitfinanzierten Verkehrsverbund erfolgt nicht marktbezogen als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen konkurrierenden Angeboten und der Nachfrage, sondern im öffentlichen Interesse der betroffenen Gebietskörperschaften unter Verwendung öffentlicher Finanzmittel. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Begründung im Bescheid der Aufsichtsbehörde, wonach es sich bei der betroffenen Linie um eine gemeinwirtschaftliche Kraftfahrlinie handelt und der beantragte besondere Beförderungspreis mit den öffentlichen Verkehrsinteressen bzw dem Gemeinwohl im Einklang steht. Damit liegt insoweit ein privatrechtliches Handeln der öffentlichen Hand ohne unternehmerischen Charakter vor, das mangels marktbezogener wirtschaftlicher Tätigkeit keiner lauterkeitsrechtlichen Verhaltenskontrolle unterliegt.

6. Damit fehlt es bei dem vom Kläger beanstandeten Verhalten der Beklagten am Tatbestand eines Handelns im geschäftlichen Verkehr, weshalb das Berufungsgericht das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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