Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die kündigende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kündigende brachte am 27.August 1996 die gerichtliche Aufkündigung der von dem Kündigungsgegner gemieteten Wohnung zum 30. September 1996 ein. Da monatliche Zinszahlung vereinbart sei, bestehe eine einmonatige Kündigungsfrist.
Mit Beschluß vom 3.September 1996 stellte der Erstrichter - der sich vom 12. bis zum 30.August 1996 auf Urlaub befunden hatte (ON 6) - die gerichtliche Aufkündigung zur Verbesserung binnen einer Woche durch Anführung eines bestimmten Kündigungstermines zurück (ON 2).
Am 6.September 1996 legte der Kündigende den Kündigungsschriftsatz mit dem Bemerken neuerlich vor, daß er schon in der Ersteingabe den Kündigungstermin mit 30.September 1996, 24.00 Uhr, angeführt habe und dies vom Gericht offensichtlich übersehen worden sei (ON 3).
Am 9.September 1996 wies hierauf der Erstrichter die gerichtliche Aufkündigung zurück. Damit eine gerichtliche Aufkündigung für den nächstfolgenden Termin wirksam sei, müsse sie vor Ablauf der in § 560 ZPO bestimmten Fristen bei Gericht angebracht und zugestellt sein (§ 563 Abs 1 ZPO).
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dem Rekurswerber sei darin beizupflichten, daß das Erstgericht zum Zeitpunkt seiner Beschlußfassung die Kündigung wegen der durch die Zustellung der Kündigung innerhalb der Kündigungsfrist ausgelösten Fristverletzung nicht hätte zurückweisen dürfen. Damit sei aber für den Rechtsmittelwerber noch nichts gewonnen. Die Kündigung sei - materiell-rechtlich betrachtet - die einseitige, empfangsbedürftige und rechtsgestaltende sowie in die Zukunft gerichtete Erklärung zur Auflösung eines Bestandvertrages und bewirke die Beendigung des Bestandverhältnisses erst bei Einhaltung der (gesetzlichen oder vertraglichen) Kündigungsfrist und nach Ablauf des (gesetzlichen oder vertraglichen) Kündigungstermins. Damit sei die Kündigung eine auf die Zukunft gerichtete und erst in der Zukunft Wirkungen herbeiführende Willenserklärung. Da zum Zeitpunkt der Vorlage des Rechtsmittels am 30.September 1996 (= Kündigungstermin) auch bei größtmöglicher Beschleunigung durch eine abändernde und die Kündigung bewilligende Entscheidung des Rekursgerichtes deren Zustellung an den Kündigungsgegner jedenfalls erst nach dem Kündigungstermin möglich wäre, habe es bei der Zurückweisung der Aufkündigung zu verbleiben. Die Auflösung des Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen zu einem bereits in der Vergangenheit liegenden Termin widerspräche nämlich dem Wesen der Kündigung.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Kündigenden ist zulässig.
Die Zurückweisung der Aufkündigung ist der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen gleichzuhalten. Das Rechtsmittel ist demnach nicht jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO). Die Voraussetzung des § 528 Abs 1 ZPO liegt vor, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit überblickbar - zu einer vergleichbaren Fallkonstellation fehlt.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
§ 563 Abs 1 ZPO setzt als zwingendes Gültigkeitserfordernis einer gerichtlichen Aufkündigung deren Rechtzeitigkeit fest. Rechtzeitig im Sinne dieser Gesetzesstelle ist die Aufkündigung dann, wenn sie "vor Ablauf der Kündigungsfrist" des § 560 ZPO bei Gericht angebracht und zugestellt wird (Fasching IV 656). Notwendig ist also die Einhaltung der Kündigungsfrist, also jenes vertraglich (§ 560 Abs 1 Z 1 ZPO) oder gesetzlich (§ 560 Abs 1 Z 2 lit a bis e ZPO) vorgeschriebenen Mindestzeitraumes, der zwischen der Zustellung der gerichtlichen Kündigung an den Gekündigten und dem Zeitpunkt der Beendigung des Bestandvertrages gelegen sein muß (Fasching LB2 Rz 2143). Die Kündigungsfrist ist vom Kündigungstermin ab nach rückwärts zu berechnen (Fasching aaO). "Vor Ablauf der Frist" ist eine Kündigung nur dann angebracht und zugestellt, wenn zwischen der Zustellung und dem Kündigungstermin noch die volle Kündigungsfrist liegt. § 563 Abs 1 ZPO ist also dahin zu verstehen, daß die Aufkündigung vor Ablauf des der Kündigungsfrist vorangehenden Zeitraums zugestellt sein muß. Soweit der Rechtsmittelwerber die gesetzlichen Bestimmungen dahin versteht, daß die Kündigungsfrist mit dem Kündigungstermin abgelaufen ist, unterliegt er einem Mißverständnis. § 563 Abs 1 ZPO kann nicht so aufgefaßt werden, daß eine gerichtliche Aufkündigung für den nächstfolgenden Termin schon dann wirksam wäre, wenn sie gerade noch vor dem Kündigungstermin bei Gericht angebracht und zugestellt ist.
Nach § 563 Abs 1 Satz 2 ZPO sind Aufkündigungen, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist - also so spät, daß bis zum Kündigungstermin nicht mehr die gesamte Kündigungsfrist offen ist - angebracht werden, von Amts wegen durch Beschluß zurückzuweisen. Die vom Rekurswerber angeführte Bestimmung des § 564 Abs 2 ZPO - wonach dann, wenn die Zustellung in den Fällen des § 560 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO erst nach Ablauf der dort bestimmten Kündigungsfristen erfolgt, die Aufkündigung dennoch wirksam ist, wenn gegen den gerichtlichen Auftrag binnen der dazu anberaumten Frist keine Einwendungen eingebracht werden - steht nur in scheinbarem Widerspruch zu § 563 Abs 1 ZPO (Fasching IV 657). Wie Fasching (aaO 656 f) - dem sich der Oberste Gerichtshof angeschlossen hat (SZ 59/171) - überzeugend darlegt, ergeben sich voneinander abweichende Folgen für den Fall, daß die Kündigung nach Beginn des Kündigungsfristenlaufes eingebracht wurde, und für den Fall, daß die Kündigung zwar rechtzeitig eingebracht, aber dem Gegner verspätet (nach Beginn des Kündigungsfristenlaufes) zugestellt wird. Im ersten Fall muß die Aufkündigung vom Gericht von Amts wegen zurückgewiesen werden. Wenn eine solche Zurückweisung unterbleibt, dann ist die Verspätung im Falle rechtzeitiger Einwendungen nicht nur auf Antrag, sondern auch ohne ausdrückliche Einwendung von Amts wegen wahrzunehmen. Ist aber die Aufkündigung noch rechtzeitig, aber doch so spät bei Gericht eingebracht worden, daß die Zustellung an den Gegner verspätet erfolgen muß, dann kann das Gericht die Kündigung gleichfalls als verspätet zurückweisen. Unterbleibt die Zurückweisung, dann kann die Verspätung nur noch im Falle von Einwendungen und auch dann nur, wenn die Verspätung der Zustellung ausdrücklich eingewendet wurde, wahrgenommen werden. Wurde aber die Aufkündigung so rechtzeitig bei Gericht eingebracht, daß auch die Zustellung voraussichtlich rechtzeitig erfolgen kann, dann darf das Gericht die Aufkündigung nicht als verspätet zurückweisen. Ist die Zustellung an den Gegner trotzdem verspätet, dann kann die Verspätung nur auf ausdrückliche Einwendung des Gegners wahrgenommen werden.
Die Besonderheit des hier zu beurteilenden Falles liegt darin, daß die Aufkündigung an sich so rechtzeitig bei Gericht angebracht wurde, daß der Kündigende noch mit einer rechtzeitigen Zustellung rechnen konnte. Der 27.August 1996 war ein Dienstag; eine Zustellung bis Ende August 1996 lag durchaus im Bereich des Möglichen. Der Erstrichter bekam den Akt aber infolge urlaubsbedingter Abwesenheit erst nach dem 1. September 1996 (einem Sonntag) in die Hand. Zu dieser Zeit war bereits eine rechtzeitige Zustellung nicht mehr möglich. Da der offenkundige Zweck der Bestimmung des § 563 Abs 1 ZPO darin liegt, dem Kündigungsgegner die volle Kündigungsfrist zu wahren, ist der - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte - Fall, daß die Kündigung zwar rechtzeitig bei Gericht überreicht wird, das Gericht aber den Beschluß hierüber erst "nach Ablauf der Frist" im dargestellten Sinn faßt, ebenso zu behandeln wie die verspätete Überreichung. Selbst wenn man § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO einschränkend dahin auslegen wollte, daß die Pflicht zur Zurückweisung der Aufkündigung nur dann bestünde, wenn diese verspätet angebracht wurde, dann wäre doch das Gericht bei verspäteter Behandlung der Aufkündigung jedenfalls berechtigt, diese zurückzuweisen, weil sie nicht mehr rechtzeitig zugestellt werden kann. Mit Recht hat daher der Erstrichter die Aufkündigung zurückgewiesen.
Daß eine Bewilligung der Aufkündigung nach dem Kündigungstermin erst recht keinesfalls in Frage kommt, bedarf keiner näheren Begründung.
Dem Revisionsrekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.
Schon aus diesem Grund hat der Rechtsmittelwerber die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen (§ 40 ZPO). Ob im Kündigungsverfahren überhaupt ein Kostenersatz zusteht (verneinend Spr 255; Fasching IV 629; bejahend Fasching, LB2 Rz 2140 mwN; vgl Palten, Bestandverfahren Rz 51) braucht daher nicht geprüft zu werden.
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