Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "S*** N***", die zweitbeklagte KG Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung", die im Land Salzburg unter dem Titel "Salzburg-Krone" vertrieben wird; die erstbeklagte GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin der Zweitbeklagten. Seit 29. Juni 1987 veranstalteten die Beklagten ein Gewinnspiel unter dem Titel "Hol dir für 20 Schilling 10.000!" Dieses Gewinnspiel wurde bereits in der "Neuen
Kronen-Zeitung - Salzburg-Krone" vom 28. Juni 1987 (S. 14/15) angekündigt. In der Ausgabe dieser Zeitung vom 1. Juli 1987 hieß es dann auf S. 11:
"Das große Ferien-Banknoten-Gewinnspiel der 'Krone' geht weiter! Täglich haben Sie jetzt die Chance, auf spielerische Art und Weise ein Extra-Urlaubsgeld zu kassieren. Prüfen Sie, ob alle Buchstaben und Ziffern auf Ihrem Zwanziger mit einer der täglich auf Seite 1 der 'Krone' abgedruckten 'Glücksnummern' übereinstimmt (die täglichen Glücksnummern, jeden Tag neue, finden Sie auch auf den Schlagzeilenplakaten vor Ihrem Zeitungsgeschäft). Wenn Sie nun einen 'Glückszwanziger' bei Ihrem Papiergeld entdeckt haben, rufen Sie noch am selben Tag oder aber am folgenden Tag bis spätestens 16 Uhr bei uns an, und Sie bekommen für Ihren 'Glückszwanziger' 10.000 Schilling bar auf die Hand.
....
Der Kauf der 'Krone' ist nicht Bedingung."
Die täglichen "Glücksnummern" waren sowohl auf der ersten Seite der jeweiligen Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" als auch auf den "Schlagzeilenplakaten" vor den Zeitungsgeschäften zu finden. Mit der Behauptung, daß dieses Gewinnspiel dadurch eine unzulässige Verknüpfung zwischen dem Kauf der "Neuen Kronen-Zeitung" und der Teilnahme an dem Gewinnspiel herbeiführe, daß der einfachste Weg, an dem Spiel teilzunehmen, der Kauf der Zeitung sei, begehrt die Klägerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1988, mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, ein Gewinnspiel, bei dem Geldpreise von 10.000,- S gewonnen werden können, in der Weise anzukündigen und durchzuführen, daß die Nummern der Geldscheine, die Anspruch auf den Gewinn von 10.000,- S geben, in der "Neuen Kronen-Zeitung" veröffentlicht werden.
Der Erstrichter erließ - ohne Anhörung der Beklagten - die beantragte einstweilige Verfügung. Er nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt an und meinte rechtlich, eine nach § 28 UWG unzulässige Verknüpfung zwischen dem Kauf der Ware und der Teilnahme am Gewinnspiel entfalle auch dann nicht, wenn zwar noch andere Teilnahmemöglichkeiten geboten würden, die nicht an einen Warenbezug gekoppelt seien, diese anderen Möglichkeiten aber unbequem seien oder nicht ernst genommen würden. Im vorliegenden Fall sei es zwar theoretisch auch möglich, die "Glücksnummern" auf andere Weise als durch den Kauf einer "Salzburg-Krone" zu erfahren - etwa durch Ausborgen einer Zeitung oder durch Entnahme der Nummern aus dem Aushang der Verschleißstellen -, doch sei anzunehmen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Glücksspielinteressenten den einfachsten Weg wählen und den geringen Geldbetrag aufwenden werde, um eine "Kronen-Zeitung" zu erstehen und auf diese Weise die "Glücksnummern" schwarz auf weiß unter Ausschluß eines Irrtums beim Abschreiben für sich zu haben und kontrollieren zu können. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Interessenten auch bestrebt sein würden, alle in ihrem Besitz oder im Besitz ihrer Familien befindlichen 20-S-Noten zu überprüfen. Nicht jeder habe ständig ein Schreibgerät bei sich; es sei auch relativ mühsam, vor oder in einer Zeitungsverschleißstelle bis zu 20 achtstellige Ziffern- und Buchstabenfolgen abzuschreiben. Vielen Leuten werde es auch peinlich sein, auf diese Weise an einem Gewinnspiel "mitzunaschen", ohne selbst eine Zeitung zu erwerben; andere wiederum würden das Risiko eines Abschreibefehlers scheuen. Die meisten Interessenten würden daher lieber den Kaufpreis von 6,- S für die "Salzburg-Krone" aufwenden, in der täglich die Glücksnummern veröffentlicht würden. Auf diese Weise werde ein unsachliches Moment in das Vertriebssystem der Zeitung eingebracht, das mit einer sachlichen Werbung für die Zeitung nichts mehr zu tun habe und als unlauter anzusehen sei.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000,- S, nicht aber 300.000,- S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Gegen ein § 28 UWG zu unterstellendes Gewinnspiel sei wettbewerbsrechtlich dann nichts einzuwenden, wenn es vom Warenbezug völlig unabhängig und die Teilnahme nicht irgendwie mit dem Warenabsatz verknüpft sei; für die Annahme psychischen Kaufzwanges genüge es, daß der Teilnehmer vom Veranstalter in eine derartige psychische Zwangslage gebracht werde, daß er sich einem Geschäftsabschluß nach der Lebenserfahrung nur schwer entziehen könne. Gehe man von diesen Grundsätzen aus, dann liege hier noch kein psychischer Kaufzwang vor: Wohl hätten die Spielteilnehmer täglich eine Verschleißstelle aufsuchen müssen, um die "Glückszahlen" mit den eigenen 20-S-Banknoten vergleichen zu können. Da diese Zahlen jedoch auch von einem offen aufgehängten Plakat vor den Trafiken abzulesen gewesen seien und die Spielteilnehmer die Verschleißstelle nicht einmal zu betreten gehabt hätten, habe für sie kein Anlaß bestanden, die "Kronen-Zeitung" zu kaufen. Fehle es aber an einer Verknüpfung zwischen dem Gewinnspiel und dem Warenabsatz, dann könne auch von einem sittenwidrigen übermäßigen Anlocken nicht gesprochen werden; vielmehr liege nur eine, wenn auch aufwendige, zulässige Werbung vor. Daß aber in der "Kronen-Zeitung" die "Glückszahlen" der 20-S-Banknoten täglich veröffentlicht worden seien, habe gleichfalls keine Verknüpfung von Gewinnspiel und Warenabsatz bewirkt, weil eben der Teilnehmer die "Glückszahlen" ohne weiteres auch in anderer Weise - nämlich durch einfaches Ablesen von den Plakaten - habe feststellen können. Die begleitende, wenn auch auffällige, Berichterstattung begründe keinen psychischen Kaufzwang, sondern sei nur eine zulässige Aufmerksamkeitswerbung.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Nach § 28 UWG ist es verboten, Waren oder Leistungen in der Form zu vertreiben, daß die Lieferung der Ware oder die Verrichtung der Leistung oder eine neben der Ware oder Leistung zu gewährende Zuwendung (Prämie) vom Ergebnis einer Verlosung oder einem anderen Zufall abhängig gemacht ist. Ein "Zufall" im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt dann vor, wenn der Eintritt des Erfolges weder von zielbewußtem Handeln oder der Geschicklichkeit des Leistungsansprechers noch allein vom Belieben des Leistungspflichtigen abhängt, sondern noch weitere Bedingungen hinzutreten müssen, die außerhalb des Willens dieser Personen liegen (Hohenecker-Friedl 71; ÖBl. 1982, 46 mwN). Daß die von den Beklagten in Aussicht gestellte Zuwendung von 10.000,- S von dem Zufall des Besitzes einer Banknote mit bestimmten "Glücksnummern" abhängt, liegt auf der Hand; zu prüfen bleibt aber, ob diese Zuwendung mit dem Erwerb der Ware (der "Neuen-Kronen-Zeitung") verknüpft ist. Eindeutig steht fest, daß der Erwerb der Ware hier nicht Voraussetzung dafür ist, in den Genuß der Gewinnchance zu kommen, also ein rechtlicher Kaufzwang nicht besteht. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber ein Gewinnspiel auch dann vom Warenbezug nicht völlig unabhängig, wenn bei seiner Durchführung auf das Publikum psychischer Kaufzwang ausgeübt wird (ÖBl. 1983, 89); hiefür genügt es, wenn die Teilnehmer vom Veranstalter in eine solche psychische Zwangslage gebracht werden, daß sie sich nach der Lebenserfahrung einem Geschäftsabschluß nur schwer entziehen können (ÖBl. 1983, 89 mwN; ÖBl. 1984, 160). Gegen ein Gewinnspiel ist demnach wettbewerbsrechtlich nur dann nichts einzuwenden, wenn es vom Warenbezug völlig unabhängig ist und die Teilnahme nicht irgendwie mit dem Warenabsatz gekoppelt ist (ÖBl. 1982, 46; ÖBl. 1984, 160); ob das zutrifft, muß nach den Umständen des Einzelfalles und nach den Einzelheiten der Durchführung der Werbeaktion in ihrer Gesamtheit beurteilt werden (ÖBl. 1982, 46). Psychischer Kaufzwang wird nicht nur dadurch ausgeübt, daß für den Spielteilnehmer eine peinliche Situation mit dem Ziel geschaffen wird, daß er es als unanständig empfände, nichts zu kaufen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15 Rz 139 zu § 1 dUWG; Koppensteiner2, 105; ÖBl. 1983, 89 ua), sondern auch dadurch, daß etwa die richtige Lösung der gestellten Aufgabe den Kauf der Ware voraussetzt oder daß doch durch einem solchen Kauf die Chancen erfolgreicher Teilnahme erheblich verbessert werden (Koppensteiner aaO; ÖBl. 1979, 157; ÖBl. 1985, 19 ua). Nur dann, wenn eine gleichwertige Möglichkeit geboten wird, sich auf anderem Wege am Gewinnspiel zu beteiligen, entfällt der psychische Kaufzwang (vgl. Baumbach-Hefermehl aaO Rz 138; ÖBl. 1979, 157 ua). Eine derartige Ausweichmöglichkeit ist aber so lange nicht als rechtlich gleichwertig anzusehen, als sie zusätzlichen Zeitoder Geldaufwand erfordert oder im Vergleich zum Erwerb der Ware umständlicher ist, so daß sie regelmäßig weder in Anspruch genommen werden kann noch tatsächlich in Anspruch genommen wird (Torggler, Aleatorische Werbespiele und Wettbewerbsrecht, ÖJZ 1977, 29 ff; ÖBl. 1979, 157). Diese Voraussetzung ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verneint worden, wenn etwa die Verwendung eines in der Zeitung abgedruckten Teilnahmekupons nur durch dessen Nachzeichnen erspart (ÖBl. 1979, 157; ÖBl. 1982, 46) oder zur Bestellung statt der aus der Zeitung auszuschneidenden Bestellkarte auch eine Postkarte hätte benützt werden können (ÖBl. 1981, 25). Ein vergleichbarer Fall liegt aber auch diesmal vor:
Wer an dem Gewinnspiel der "Kronen-Zeitung" teilnehmen wollte, mußte die jeweils bekanntgegebenen 10 "Glücksnummern" mit allen in seinem Verfügungsbereich befindlichen 20-S-Banknoten vergleichen. Auch wenn man davon ausgeht, daß alle Zeitungsverschleißstellen, der Ankündigung der Beklagten entsprechend, vor ihrem Geschäft Zeitungsplakatständer mit diesen "Glücksnummern" aufgestellt hatten, war es doch für den Spielinteressenten überaus unbequem, ja vielfach unzumutbar, die Nummern von diesen Plakaten abzulesen, statt sie der "Neuen Kronen-Zeitung" zu entnehmen. Jede dieser "Glücksnummern" bestand aus sechs Ziffern und zwei Buchstaben. Schon der Vergleich dieser Zeichen mit jenen auf den Banknoten, die ein Spielteilnehmer gerade bei sich trug, war wesentlich unbequemer als die Benützung der Zeitung, die man mit sich mehmen konnte, um in Ruhe die einzelnen Buchstaben und Ziffern zu vergleichen. Wollte aber ein Teilnehmer auch die 20-S-Noten, die er zu Hause hatte oder die sich allenfalls Besitz eines seiner Familienangehörigen befanden, in die Prüfung einbeziehen, dann hätte er, wenn er sich den Kauf der "Neuen Kronen-Zeitung" sparen wollte, die aus bis zu insgesamt 40 Großbuchstaben und 120 enggeschriebenen Ziffern bestehenden "Glücksnummern" (siehe Beil./B) abschreiben müssen. Daß dies, im Stehen auf der Straße ausgeführt, eine mühsame und fehlerträchtige Arbeit war, steht außer Zweifel. Wollte jemand seine Chancen voll wahren, dann war es in der Tat das nächstliegende, die "Kronen-Zeitung" um 6,- S zu kaufen. Dazu kommt noch, daß die "Neue Kronen-Zeitung" nicht nur in Geschäften, sondern auch bei Straßenverkäufern erworben werden konnte und es daher für viele Personen, insbesondere Autofahrer, oft weit bequemer war, die Zeitung bei einem solchen Kolporteur zu kaufen, als zu einer Trafik oder einem sonstigen Zeitungsgeschäft zu gehen. Durch die Veröffentlichung der Glücksnummern in der Zeitung der Beklagten wurde das umstrittene Gewinnspiel demnach so gestaltet, daß sich alle jene Interessenten, die ihre Gewinnchancen optimal nützen wollten, nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Kauf der Zeitung entschließen mußten. Damit verstößt aber dieses Spiel gegen § 28 UWG.
Der Entscheidung ÖBl. 1984, 160 ("Kronen-Millionen-Bingo") lag ein wesentlich anders gestaltetes Spiel zugrunde: Dort hatten die Beklagten die Gewinnscheine an Haushalte versandt und die Benützer angewiesen, 4 täglich auf Plakaten in den Zeitungsgeschäften veröffentlichte "Glückszahlen" mit den Zahlen auf ihren Gewinnscheinen zu vergleichen und übereinstimmende Zahlen anzukreuzen. In der "Kronen-Zeitung" selbst waren die Glückszahlen hingegen nicht abgedruckt. Da diese Zahlen somit nur von einer - offen aufgestellten - Tafel abgelesen werden konnten, bestand für die Teilnehmer am Glücksspiel keinerlei Anlaß, diese Zeitung zu erwerben, der ja über die jeweiligen Glückszahlen überhaupt nichts zu entnehmen war. Die Beklagten können sich daher nicht mit Erfolg auf die Grundsätze dieser Entscheidung berufen. Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Klägerin stattzugeben und der Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen. Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf die §§ 40, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO.
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