European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00242.22Z.0531.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem Wohnhaus, die Beklagte ist Eigentümerin der Nachbarliegenschaft. Mit Zustimmung der Beklagten errichtete ihr Ehegatte (sportlicher Leiter eines Basketballvereins) dort einen asphaltierten Basketballplatz mit jeweils einem Basketballkorb an den Enden des Spielfelds. Das Haus der Klägerin ist etwa 30 m vom Basketballplatz entfernt. Dieser war zunächst nicht eingezäunt, sodass etwa 15‑mal pro Jahr Basketbälle auf das Klagsgrundstück gelangten. Im Jahr 2021 errichtete die Beklagte einen hohen Zaun, wodurch dies nicht mehr vorkommen kann. Die Benützung des Basketballplatzes findet je nach Witterung teils im Frühjahr, vor allem aber im Sommer zumindest drei- bis viermal die Woche etwa vier Stunden am Tag und teils auch im Herbst statt, dies zu unterschiedlichen Zeiten, teils vormittags, teils während der Mittagszeit, teils nachmittags und in den Abendstunden bis zum Eintritt der Dämmerung. Das Bespielen des Platzes hebt sich sehr deutlich von den sonstigen Umgebungsgeräuschen ab. Das Dribbeln bzw Aufpeppeln der Basketbälle verursacht Spitzenpegel von 60 bis 65 dB. Das Geräusch ist intermittierend und impulsartig, aber nicht ton- und informationshaltig. Ein am nahegelegenen Weg vorbeifahrender „relativ lauter“ Traktor erreicht einen Maximalpegel von 65,5 dB.
[2] Soweit in dritter Instanz noch relevant begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es gegenüber der Klägerin zu unterlassen, die asphaltierte Fläche auf ihrem Grundstück als Sport- und/oder Spielplatz zur Ausübung lärmerzeugender Tätigkeiten wie das Basketballspielen zu nutzen oder Dritten zur diesbezüglichen Nutzung zu überlassen.
[3] Die Beklagte bestritt unzumutbare Lärmimmissionen. Im Durchschnitt würde während der warmen Jahreszeit zwei- oder dreimal pro Woche Basketball gespielt. Das durch den Ball verursachte Geräusch werde durch jedes Vorbeifahren von Fahrzeugen übertönt. Traktoren oder Rasenmäher, wie im Dorfgebiet tagtäglich zu hören, seien wesentlich lauter. In den Wintermonaten werde der Basketballplatz überhaupt nicht benutzt. In den Sommermonaten sei die Familie der Beklagten wochenlang abwesend. In der näheren Umgebung gebe es ebenfalls in der Nachbarschaft von Wohnhäusern Sportplätze.
[4] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, gegenüber der Klägerin zu unterlassen, außerhalb von werktags sowie samstags jeweils von 9:00 bis 12:00 Uhr und 15:00 bis 18:00 Uhr die auf dem ihr gehörenden Grundstück asphaltierte Fläche als Sport- und/oder Spielplatz zur Ausübung lärmerzeugender Tätigkeiten wie das Basketballspielen zu nutzen oder Dritten zur diesbezüglichen Nutzung zu überlassen. Das Mehrbegehren auf Unterlassung der genannten Tätigkeiten auch innerhalb der oben genannten Zeiträume wies es ab. Die (vormals) vom Beklagtengrundstück auf das Klagsgrundstück gelangten Basketbälle hätten jedenfalls eine unzulässige unmittelbare Zuleitung dargestellt. Die vom Basketballplatz ausgehenden Geräusche seien nicht ortsüblich. Da die Grundstücke der Streitteile aber nur wenige Kilometer von Badeseen entfernt seien, wo sich viele Sommergäste aufhielten, könne man keine völlige Landidylle bzw ländliche Ruhe erwarten. Deswegen sei das Bespielen des Basketballplatzes (nur) werktags und samstags von 9:00 bis 12:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00 Uhr zumutbar.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Entscheidung mit einer Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofs im Widerspruch stehen könnte, wonach es sich bei den im Eigentumsschutz üblichen Unterlassungsbegehren um kein Handlungsverbot, sondern ein Erfolgsverbot handle und ein Begehren auf Stilllegung eines Immissionen verursachenden Betriebs nicht möglich sei.
[6] Die Klägerin macht mit ihrer – von der Beklagten beantworteten – Revision aus dem Titel der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, dass aufgrund der Ortsunüblichkeit die Nutzung der streitgegenständlichen asphaltierten Fläche als Spiel- und/oder Sportplatz zur Ausübung lärmerzeugender Tätigkeiten wie dem Basketballspielen in jedem Fall unzulässig sei. Im Übrigen werde kein pauschales Verbot wie zu 6 Ob 7/16x begehrt, weil bereits der vom Basketballspielen an sich ausgehende Lärm ortsunüblich und als wesentliche Beeinträchtigung zu untersagen sei, wogegen es nicht darauf ankomme, zu welchem Zweck Lärm erzeugt werde. Es lägen daher keine einander widersprechenden Judikaturlinien vor. Eine zeitliche Beschränkung der Lärmausübung sei deshalb nicht zulässig, weil diese wegen des Schallpegels zu jeder Zeit unzumutbar sei. Auch sei die Beklagte im Rahmen einer Interessenabwägung nicht derart schutzwürdig wie etwa eine Klavierstudentin in Zusammenhang mit täglichen Übungen zum Zweck einer musikalisch-beruflichen Ausbildung.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist, ungeachtet des berufungsgerichtlichen – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1.1. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
[9] 1.2. Dieses Untersagungsrecht besteht somit dann, wenn die auf die benachbarte Liegenschaft wirkenden Einflüsse einerseits das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und zugleich die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen, wobei die örtlichen Verhältnisse in beiden Belangen zu beachten sind (RS0010587). Da diese beiden Kriterien kumulativ vorliegen müssen, sind selbst übermäßige Immissionen zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (6 Ob 60/20x).
[10] 1.3. Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel wird daher keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten sein (10 Ob 20/11f; RS0010558; RS0014685).
[11] 2.1. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Abgrenzung von der Rechtsprechung zu, wonach es sich bei den im Eigentumsschutz üblichen Unterlassungsbegehren um kein Handlungsverbot, sondern ein Erfolgsverbot handle (RS0004649). Die Revision greift jedoch diese Rechtsfrage nicht auf, sondern bestreitet in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer Judikaturdivergenz.
[12] Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hätte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).
[13] 2.2. Ein derartiger Fall liegt hier vor: Die Klägerin moniert bloß eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung im Zusammenhang mit der zur Bestimmung der „Wesentlichkeit“ der Beeinträchtigung vorgenommenen Interessenabwägung, indem sie die aus ihrer Sicht gegebenen Unterschiede zu Immissionen durch Klavierspiel in der Nachbarwohnung (vgl 1 Ob 6/99k) darlegt.
[14] 2.3. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer Nutzungsbeeinträchtigung sind im besonderen Maß die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (RS0010583 [T2]). Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benutzung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und der Zweckbestimmung des beeinträchtigten Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RS0010607; RS0010557; RS0010583; 2 Ob 1/16k). Da die Normen des Nachbarrechts dem Interessenausgleich dienen und in hohem Maß einer wertenden Auslegung zugänglich sind, sind Immissionen jedenfalls zu dulden, wenn sie keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung hervorrufen, mögen sie auch noch so ortsunüblich sein (10 Ob 20/11f). Der Interessenausgleich erfordert von beiden Seiten gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz, um einen akzeptablen Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (RS0010607 [T6]).
[15] 2.4. Im vorliegenden Einzelfall haben die Vorinstanzen bei dem von ihnen vorgenommenen Interessenausgleich berücksichtigt, dass es sich um eine Fremdenverkehrsgegend handle, in der man sich keine völlige Landidylle erwarten könne, sodass die konkrete Lärmeinwirkung wochentags und samstags von 9:00 bis 12:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00 Uhr zumutbar sei, schließlich gehe das darüber hinaus bestehende Verbot deutlich über die üblichen Zeiten einer Mittags- bzw Nachtruhe hinaus.
[16] 2.5. Der Senat sieht darin keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die von der Revision angezogene Unterscheidung zum Klavierspiel durch nachbarliche Musikstudenten vermag nicht zu überzeugen. Hier wie dort kommt der ausgeübten Tätigkeit (Musik bzw Sport) aufgrund ihrer sozialrelevanten (kulturellen bzw gesundheitsfördernden) Bedeutung eine gesellschaftlich wichtige Funktion zu, die beim gebotenen Interessenausgleich (vgl RS0010607 [T6]) in die Waagschale zu werfen ist. Abgesehen davon wird die beanstandete Lärmbeeinträchtigung etwa von vorbeifahrenden Traktoren (wie im ländlichen Raum häufig gegeben) überschritten. Mit der zeitlichen Beschränkung der aufgetragenen Unterlassung von Lärmimmissionen auf 18 von 24 Stunden am Tag hält sich das Berufungsgericht jedenfalls innerhalb der oben zu 2.2. dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Der Klägerin ist es nicht gelungen, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, die eine davon abweichende Beurteilung zwingend geboten hätte.
[17] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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