OGH 4Ob238/19g

OGH4Ob238/19g28.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. R* L*, 2. T*, beide *, vertreten durch Dr. Karl Schelling Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei S* D*, vertreten durch Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Übereignung und Abgabe von Willenserklärungen (Streitwert 100.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 2019, GZ 4 R 137/19g‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127535

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte erwarb aufgrund eines Schenkungsvertrags von ihrem Vater mehrere Liegenschaften. Zum Zeitpunkt des Schenkungsvertrags waren mehrere Grundstücke davon an die Kläger verpachtet, was die Beklagte auch wusste. Ihr war aber nicht bekannt, dass ihr Vater den Klägern (allenfalls) die Möglichkeit eingeräumt hat, Grundstücke zu kaufen.

Die Kläger begehren, die Beklagte zur Übereignung der Grundstücke und Abgabe einer Aufsandungserklärung zu verpflichten. Sie stützen ihren Anspruch auf Vertrag und deliktischen Schadenersatz. Als Rechtsnachfolgerin ihres Vaters sei die Beklagte verpflichtet, die den Klägern vom Vater eingeräumte Kaufoption zu erfüllen. Durch die Schenkung sei es zu einer Doppelübereignung gekommen. Die Kläger als Käufer seien schutzwürdiger als die beklagte Schenkungsnehmerin.

Die Beklagte wandte ein, dass eine allenfalls bestandene Kaufoption bereits erloschen sei. Zudem sei keine Überbindung der Kaufoption an die Klägerin erfolgt. Vom Inhalt des Pachtvertrags habe sie keine Kenntnis gehabt.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis vorliege. Mit dem Schenkungsvertrag sei eine allfällige Verpflichtung des Vaters aus einer Kaufoption nicht auf die Beklagte überbunden worden. Mangels Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis könnten sich die Kläger auch nicht auf einen Schadenersatzanspruch nach § 1295 Abs 2 ABGB wegen Eingriffs in fremde Forderungsrechte stützen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen zeigen die Kläger in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Die Beklagte ist hinsichtlich der ihr geschenkten Liegenschaften (nur) Einzelrechtsnachfolgerin nach ihrem Vater. Obligatorische Rechtsverhältnisse (hier: eine allfällige Kaufoption) gehen nach gesicherter Rechtsprechung bei einer Einzelrechtsnachfolge grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über (RS0011871).

1.2 Die in der Revision bekämpfte Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Passagen im Schenkungsvertrag, wonach „alle Rechte und Pflichten an vertragsgegenständlichen Liegenschaften“ auf die Beklagte übergehen und diese Übergabe im Anlassfall mit allen Rechten und Pflichten derart erfolgte, „wie der Geschenkgeber diese Liegenschaften bisher besessen hat bzw zu benützen berechtigt gewesen wäre“, die Kaufoption nicht überbinden würden, weil damit kein Recht an einer Liegenschaft verbunden sei, betrifft die Frage einer Vertragsauslegung in einem konkreten Einzelfall. Ob aber ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0044298; RS0044358 ua). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis wurde von den Revisionswerbern jedoch nicht dargetan. Der Senat hat in einer vergleichbaren Konstellation eine derartige Klausel dahin ausgelegt, dass damit Verpflichtungen gemeint sind, die unmittelbar mit der Nutzung der veräußerten Liegenschaft zusammenhängen (4 Ob 236/15g). Das Ergebnis des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und bedarf daher keiner Korrektur.

2. Die Kläger können auch im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch wegen des behaupteten Eingriffs in fremde Forderungsrechte keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen.

2.1.1 Eine wissentliche Beeinträchtigung eines bekannten Forderungsrechts ist aufgrund der Feststellungen auszuschließen, weil die Beklagte keine Kenntnis von einem allfälligen Optionsrecht der Kläger hatte.

2.1.2 Die Kläger können sich auch nicht auf das Wissen des Vertragserrichters berufen. Der Senat hatte zuletzt geklärt, dass Äußerungen eines vertragserrichtenden Notars jener Vertragsparteien, die diesen (nur) mit der Vertragserrichtung und nicht mit ihrer Vertretung beauftragt haben, nicht zurechenbar sind (4 Ob 99/19s). Wenn das Berufungsgericht hier Entsprechendes für die Zurechnung des Wissens des vertragserrichtenden Rechtsanwalts vertritt, wirft das keine erhebliche Rechtsfrage auf. Auch im Anlassfall haben die Vertragsparteien den Rechtsanwalt zur Errichtung des Vertrags und zu dessen grundbücherlichen Durchführung beauftragt. Hingegen trat der Vertragserrichter im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags nicht als Vertreter der Beklagten auf. Fragen zu einem allfälligen Wissen eines Machthabers stellen sich daher nicht.

2.2 Neben der wissentlichen Beeinträchtigung eines bekannten Forderungsrechts kann auch (vorwerfbare) Unkenntnis des Bestehens eines fremden Forderungsrechts einen Schadenersatzanspruch auslösen, wenn das fremde Forderungsrecht aufgrund besonderer Umstände für den Verletzer deutlich „sozialtypisch“ erkennbar war (RS0022852 [T12]; RS0011226 [T4]). Das Berufungsgericht ist aber jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass eine Kaufoption nicht typischerweise mit einem Pachtvertrag verbunden ist. Die darauf gestützte Schlussfolgerung, dass ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in fremde Forderungsrechte nicht vorliegt, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.

3. Die Entscheidung hängt somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab. Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer eingehenderen Begründung bedurfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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