OGH 4Ob234/10f

OGH4Ob234/10f12.4.2011

 

Spruch:

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger argumentiert, dass eine Eigentumswohnung, in welcher Teile des Mauerwerks und der Fußbodenkonstruktion durchnässt seien, mangelhaft sei. Der Wasserschaden stelle zwangsläufig einen Mangel dar. Dem Kläger sei sohin der Beweis eines Mangels an der Kaufsache gelungen. Ebenso habe er bewiesen, dass der Mangel innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist des § 924 ABGB aufgetreten sei. Es gelte daher die gesetzliche Vermutung, dass der zum Wasserschaden führende Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestanden habe. Den Gegenbeweis habe der Beklagte nicht erbringen können. Er hafte daher für die Schadensbehebungskosten. Die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts würde den Kaufvertrag über eine unbewegliche Sache in die einzelnen Werkverträge zerlegen, die zur Herstellung des Kaufgegenstands führten. Diese Auffassung sei aber unzutreffend, weil der Gewährleistungsanspruch unteilbar sei. Im Übrigen habe der Beklagte seine Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzt, was einen Schadenersatzanspruch begründe, der unabhängig davon bestehe, welches Gewerk mangelhaft gewesen sei und zum Wasserschaden geführt habe.

Der Senat hat dazu erwogen:

1. Gemäß § 924 ABGB leistet der Übergeber Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

2. Der Oberste Gerichtshof hat zur Beweislastverteilung nach § 924 Satz 2 ABGB in den Entscheidungen 6 Ob 272/05a und 1 Ob 199/07g, die jeweils Kaufverträge betrafen, ausgesprochen, dass die auf Tatsachenebene über den Zeitpunkt des Eintretens und die Ursache des Mangels verbleibenden Unklarheiten zu Lasten des Übergebers gehen, wenn dieser den ihm gemäß § 924 Satz 3 ABGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbringen könne. In der einen Werkvertrag betreffenden Entscheidung 8 Ob 124/08f wurde ausgesprochen, dass § 924 Satz 2 ABGB in keiner Weise die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich berühre. Die Beweislast dafür, dass die übergebene Sache bzw Leistung aus Werkvertrag überhaupt mangelhaft sei, trage somit (weiterhin) der Übernehmer der Sache bzw Leistung (so auch 4 Ob 157/09f).

3. In der Lehre wird überwiegend vertreten, dass § 924 Satz 2 ABGB nur die Vermutung des Zeitpunkts der Mangelhaftigkeit, nicht aber der Mangelhaftigkeit an sich betreffe (Welser/Jud, Die neue Gewährleistung [2001] § 924 ABGB Rz 2; Ofner in Schwimann, ABGB3 § 933a Rz 29; Rebhahn/Kietaibl ebendort § 1167 Rz 25; Jud in ecolex 2007/210). Reischauer (Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 217) präzisiert, dass der Übernehmer die Mangelhaftigkeit der Sache ‑ gemessen am Vertragsinhalt ‑ zu beweisen hat. Bei Hervorkommen derselben innerhalb von sechs Monaten (nach Übergabe/Gefahrenübergang) werde sodann die Mangelhaftigkeit der Leistung vermutet (ihm folgend Foglar‑Deinhardstein, Zak 2011, 123).

4. Im vorliegenden Fall lagen zwei voneinander getrennte Vertragsverhältnisse und Leistungen vor. Der Beklagte hatte sich zur Übergabe der Wohnung verpflichtet, der Kläger aber hatte ‑ nach eigenen Prozessangaben ‑ seinerseits Installationen „selbst“ in Auftrag gegeben. § 924 ABGB knüpft zwar (allgemein) an den Begriff der „Übergabe“ an, bezieht diese aber auf die vertraglich geschuldete Leistung, den Vertragsgegenstand. Im Verhältnis zwischen den Parteien war Vertragsgegenstand die Wohnung mit Ausnahme der vom Kläger selbst auf eigene Kosten veranlassten Installationen. Der Kläger müsste beweisen, dass der zum Wasserschaden führende Mangel diesen Vertragsgegenstand betrifft. Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen, sodass die Vermutung der Mangelhaftigkeit schon bei Übergabe im vorliegenden Fall nicht eingreift.

Reischauer (Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 219) steht dem nicht entgegen. Er geht vom Regelfall eines Kaufvertrags aus, der die gesamte Sache betrifft. Wenn aber - wie hier - ein Teil der Sache nicht vom Kaufvertrag erfasst war und nicht klar ist, welchem Bereich deren (objektiver) Mangel zuzuordnen ist, geht es nicht um die in § 924 ABGB geregelte zeitliche Vermutung, sondern um die Zuordnung des (objektiven) Mangels der konkret geschuldeten Leistung.

5. Der Klagsanspruch lässt sich auch nicht auf Schadenersatz stützen: Es wurde keine rechtswidrige und schuldhafte Schadensverursachung durch den Beklagten erwiesen. Soweit der Kläger dem Beklagten Überprüfungspflichten hinsichtlich des Gewerks der Nebenintervenientin anlasten möchte, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Installationen durch die Vereinbarung der Eigenleistung aus dem Pflichtenprogramm des Beklagten ausgeschieden sind. Damit fällt auch hier die unklare Ursache der Schäden dem Kläger zur Last.

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