OGH 4Ob234/06z

OGH4Ob234/06z19.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Slava S*****, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Feridum A*****, vertreten durch Mag. Andreas Fehringer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.789,12 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. August 2006, GZ 37 R 107/06v-46, womit das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom 4. Jänner 2006, GZ 6 C 1044/04v-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Am 30. 1. 2004 gab die nunmehrige Klägerin beim Erstgericht einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und auf Beigebung eines Rechtsanwalts zu Protokoll. Sie brachte dazu ausführlich vor, der nunmehrige Beklagte habe am 30. 1. 2001 mit einer Gaspistole mehrmals auf sie eingeschlagen, sie im Gesicht getroffen und schwer verletzt; sie begehre Schmerzengeld, Kostenersatz für ihren Krankenhausaufenthalt und die Feststellung der Haftung des Täters für zukünftige Schäden, weil sie sich künftig noch weiteren Operationen unterziehen müsse (6 Nc 4/04d). Mit Beschluss vom 9. 2. 2004 wurde der Antragstellerin Verfahrenshilfe in vollem Umfang unter Beigebung eines Rechtsanwalts gewährt.

Mit Klage vom 13. 5. 2004 begehrte die Klägerin 5.000 EUR sA Schmerzengeld, 3.789,12 EUR Kostenersatz für die Spitalsbehandlung sowie die Feststellung, dass ihr der Beklagte für sämtliche kausalen Schäden aus dem Vorfall vom 30. 1. 2001 hafte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe sich gegen einen tätlichen Angriff des Lebensgefährten der Klägerin verteidigt. Auch die Klägerin habe von hinten auf ihn eingeschlagen. Im Zuge der Abwehr dieser Angriffe habe er um sich geschlagen und dabei möglicherweise die Klägerin getroffen, was ihm aber nicht bewusst gewesen sei. Er habe in Notwehr gehandelt und sei auch strafgerichtlich vom Vorwurf der Verletzung der Klägerin und ihres Lebensgefährten freigesprochen worden. Die Klagsforderung sei verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus: Am 30. 1. 2001 kam es in einem Lokal zu einer zunächst verbalen und später tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und dem Lebensgefährten der Klägerin. Im Zuge dieser Auseinandersetzung versuchte die Klägerin, den Beklagten mit den Worten „lass das" von ihrem Lebensgefährten wegzuziehen. Als der Beklagte die Klägerin bemerkte, wandte er sich ihr zu und schlug ihr mit den Worten „a so ist das" mehrmals absichtlich und mit voller Wucht (Ersturteil S. 17) mit dem Knauf seiner Gaspistole bewusst und gezielt ins Gesicht und auf den Kopf. Durch diese Schläge erlitt die Klägerin eine Rissquetschwunde am Hinterkopf und Verletzungen im Bereich der rechten Augenlider (insbesondere Riss des rechten unteren Augenlids und Hautabschürfungen im Bereich des rechten Oberlids). Es handelt sich aus medizinischer Sicht um schwere Verletzungen, die operativ durch Rekonstruktion der Lider des rechten Auges versorgt werden mussten. Als Folge der Narbenbildung wächst eine Wimper schief nach und muss regelmäßig entfernt werden. Die Klägerin wurde sechs Tage stationär in ein Krankenhaus aufgenommen. Der Beklagte wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung gem § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt; eine Notwehrsituation sei nicht vorgelegen. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt; soweit nämlich ein Antrag auf Verfahrenshilfe - wie hier - bereits Sachverhalt und Begehren individualisiere und deutlich erkennen lasse, sei er nach der Rechtsprechung schon als Klage zu beurteilen, die den Lauf der Verjährung unterbreche.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zur Beurteilung des Verjährungseinwands zulässig sei. Ein Verfahrenshilfeantrag könne dann als (verbesserungsbedürftige und der Verbesserung zugängliche) Klage angesehen werden, wenn er Sachverhalt und Begehren individualisiere und deutlich erkennen lasse. Die Klägerin habe zu ihrem Protokollarantrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe noch konkretes Vorbringen erstattet, auf das sie ihre Ansprüche stütze, und habe ihre Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach konkretisiert. Damit sei Unterbrechung der Verjährung eingetreten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem - den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Die Revision macht geltend, der zu Protokoll gegebene Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe könne nicht als Klage angesehen werden. Er sei von keinem Rechtsanwalt unterfertigt und entspreche nicht den prozessualen Formerfordernissen; ein Verbesserungsauftrag sei nicht erteilt worden.

Ob der Verfahrenshilfeantrag die Verjährung unterbrochen hat, ist nur dann maßgebend, wenn der geltend gemachte Schadenersatzanspruch der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB unterliegt und für ihn nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB gilt. Erst nach dreißig Jahren erlischt das Klagerecht, wenn (ua) der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden ist, die nur vorsätzlich begangen werden können. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung (RIS-Justiz RS0034432 und RS0034398; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1489 Rz 5 mwN).

Der festgestellte Sachverhalt - mehrere absichtlich, wuchtig und gezielt gegen Gesicht und Kopf des Opfers geführte Schläge des Täters mit einem harten Gegenstand, die eine schwere Verletzung zur Folge haben - verwirklicht den Tatbestand der vorsätzlichen schweren Körperverletzung, die mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 84 Abs 1 StGB). Die geltend gemachten Schadenersatzansprüche fallen daher unter die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB und waren somit bei Klagseinbringung unabhängig davon nicht verjährt, ob der Verfahrenshilfeantrag die Verjährung unterbrochen hat. Die Revision wurde dem Vertreter der Klägerin am 2. 10. 2006 zugestellt, die Frist des § 507a Abs 1 ZPO endete daher am 30. 10. 2006. Die erst am 31. 10. 2006 zur Post gegebene Revisionsbeantwortung (in der auf die Unzulässigkeit der Revision auch nicht hingewiesen wird) ist daher verspätet.

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