Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 23.512,50 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 3.918,75 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Erstbeklagte ist Eigentümerin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "T*****", die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.
Die hintere Umschlagseite der Ausgabe Nummer 11 der Zeitschrift "T*****" vom 30. November 1995 war wie folgt gestaltet:
Mit dieser Einschaltung wurden Plakate der SPÖ in dem - zu dieser Zeit noch laufenden - Nationalratswahlkampf 1995 nachgeahmt. Die Plakate zeigten das Bild des Klägers in einem roten Rahmen; der Text begann jeweils mit "Ich werde dafür sorgen, daß ...". Der Kläger hat der Bildnisveröffentlichung nicht zugestimmt.
Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten zu verbieten, Bildnisse des Klägers ohne dessen Zustimmung öffentlich auszustellen oder auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zu verbreiten, wenn durch den abgedruckten Begleittext berechtigte Interessen des Abgebildeten, insbesondere durch die Beifügung des Textes "Ich werde dafür sorgen, daß mir niemand meine 5-Millionen-Pension wegnimmt. Meine Hobbys sind sehr teuer. Ich reise gern. Auch meine Frau stellt hohe Ansprüche an mich. Daher werde ich nicht zulassen, daß ich mir das Golfspielen nicht mehr leisten kann" und gleichartige Begleittexte, verletzt werden.
Dem Kläger werde durch den Begleittext unterstellt, seine Aussagen im Wahlkampf seien unrichtig oder wenigstens unaufrichtig. Der Kläger werde als unseriöser Politiker dargestellt, dem die eigenen Interessen über das Gemeinwohl gingen. Dies sei ehrenrührig und verletze die berechtigten Interessen des Klägers.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, ohne den Sicherungsantrag den Beklagten zur Äußerung zugestellt zu haben.
Die berechtigten Interessen des Klägers würden verletzt, weil die Einschaltung bewußt in Anlehnung an die Wahlplakate gestaltet sei und dem Kläger unterstelle, nicht seriös zu sein. Der Begleittext sei ehrenrührig. Er überschreite die Grenzen einer vertretbaren Kritik. Politische Aussagen würden mit persönlichen - durchaus negativ zu bewertenden - Haltungen des Klägers verquickt.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Sicherungsantrag abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Der Begleittext könne jedenfalls nicht als Aussage des Abgebildeten, sondern nur als ironische Betrachtung seines Wahlkampfslogans verstanden werden. Dem Kläger werde keine von ihm in Wahrheit nicht geteilte oder abgelehnte Auffassung unterstellt. Es fehle auch an einer Bildgestaltung, die auf eine derartige Haltung (Wasser predigen und Wein trinken) schließen lasse. Auf die Frage, ob die im Text enthaltene Kritik untersagt werden könne, sei nicht einzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers, der dem Obersten Gerichtshof erst am 26.August 1996 vorgelegt wurde, ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht über einen gleichartigen Sachverhalt entschieden hat; er ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger verweist darauf, daß der Gesamtzusammenhang maßgebend sei. Dem Kläger werde nicht nur eine von ihm nicht geteilte politische Auffassung unterschoben, sondern es würden ehrenrührige Angriffe gegen seine Privatsphäre unternommen. Der flüchtige Betrachter werde die Einschaltung für ein Inserat der SPÖ halten. Der Begleittext setze den Kläger in der öffentlichen Meinung herab, mache ihn lächerlich, er zeihe ihn eines unehrenhaften Verhaltens oder einer verächtlichen Gesinnung. Die politische Kritik überschreite die Grenzen des Vertretbaren, weil sie dem Kläger Doppelbödigkeit, Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit unterstelle. Der Kläger werde der Lüge, der Selbstsucht, des Eigennutzes und der Wählertäuschung bezichtigt. Die Einschaltung verletze den guten Ruf des Klägers; sie sei daher durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht gedeckt. Der Begleittext befasse sich mit Tatsachen des Privat- und Familienlebens des Klägers, die mit seiner öffentlichen Funktion nichts zu tun hätten. Es werde bewußt darauf abgestellt, Neid, Mißgunst und Gefühle der Häme und Schadenfreude hervorzurufen.
Gemäß § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich
ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch
berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Durch diese
Bestimmung soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in
der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er
durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch
sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis
auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder
entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Das Gesetz legt den Begriff der
"berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen
weiten Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des
Einzelfalles gerecht zu werden. Die Beurteilung, ob berechtigte
Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des
Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind
(stRsp ua MR 1994, 162 = ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen; MR
1994, 207 = ÖBl 1995, 233 - Handbuch des österreichischen
Rechtsextremismus, jeweils mwN).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Veröffentlichung eines Bildnisses nach objektiven Grundsätzen berechtigte Interessen verletzt, kann der Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person nicht außer Betracht bleiben. Steht der Abgebildete nicht im öffentlichen Leben, dann wird durch die Bildveröffentlichung die Identifikationsmöglichkeit erst geschaffen. Durch die Beigabe eines Bildes kann ein für den Abgebildeten abträglicher Text noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt werden. Ist jedoch die abgebildete Person allgemein bekannt, dann werden ihre Interessen durch die Bildveröffentlichung selbst in aller Regel nicht beeinträchtigt. Die Verbreitung des Bildes einer allgemein bekannten Person ist nur dann unzulässig, wenn das Bild die Privat- und Intimsphäre einer solchen Person betrifft, wenn es entstellend wirkt, wenn es den Abgebildeten durch den Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgibt oder wenn es ihn mit Vorgängen in Verbindung bringt, mit denen er nichts zu tun hat. Das gleiche gilt, wenn das Bild für Werbezwecke verwendet wird oder wenn dem Abgebildeten durch den Zusammenhang, in dem das Bild veröffentlicht wird, eine politische Auffassung unterstellt wird, die
er nicht teilt oder sogar ablehnt und bekämpft (MR 1994, 162 = ÖBl
1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen; MR 1994, 207 = ÖBl 1995, 233 -
Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, jeweils mwN). Nach der zitierten neueren Rechtsprechung ist demnach auch bei der Veröffentlichung von Bildern allgemein bekannter Personen der Zusammenhang, in dem das Bild veröffentlicht wird, und damit auch der Begleittext zu berücksichtigen (dies noch offenlassend MR 1995, 18 - Profil mwN).
Der Kläger ist allgemein bekannt; das veröffentlichte Bildnis ist in keiner Weise entstellend. Die beanstandete Einschaltung wurde in einem Monatsmagazin veröffentlicht, von dem bekannt ist, daß es der SPÖ nicht nahesteht. Jeder, auch noch so flüchtige Betrachter mußte erkennen, daß die Einschaltung kein Inserat der SPÖ war, sondern daß damit die sozialdemokratische Wahlkampagne persifliert wurde. Da der Begleittext demnach nicht als Aussage des Klägers verstanden werden konnte, wurde dem Kläger auch keine politische Auffassung unterstellt, die er nicht teilt oder sogar ablehnt und bekämpft.
Die Bildveröffentlichung verletzt auch nicht die Privat- und Intimsphäre des Klägers. Der Begleittext wird nicht als Aussage über die privaten Lebensverhältnisse des Klägers verstanden, sondern als Kritik am Verhalten des Klägers als Politiker. Ihm wird damit Unaufrichtigkeit vorgeworfen; er gebe vor, als Politiker die Interessen der "kleinen Leute" wahren zu wollen; in Wahrheit seien seine Lebensverhältnisse ungleich besser als die der von seiner Wahlwerbung Angesprochenen; er wolle seine eigene privilegierte Stellung erhalten.
Der Kläger ist der Auffassung, daß diese Art von Kritik nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei. Nach Art 10 Abs 1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung; dies gilt insbesondere für die politische Debatte. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung deckt auch Aussagen, die als verletzend, schockierend oder irritierend empfunden werden; das verlangen der Pluralismus, die Toleranz und Großzügigkeit, ohne die keine demokratische Gesellschaft existieren kann (EGMR MR 1986, H 4, 11 - Lingens; MR 1991, 171 - Oberschlick mwN). Die Grenzen der politischen Kritik sind weiter zu ziehen als die der Kritik einer Privatperson.
Die Freiheit der politischen Debatte ist einer der Grundpfeiler einer
demokratischen Gesellschaft; jeder Politiker setzt sich selbst
unvermeidlich und willentlich einer genauen Beurteilung seiner Worte
und Taten durch die Öffentlichkeit aus (MR 1994, 162 = ÖBl 1995, 136
- Marmor, Stein und Eisen; MR 1994, 207 = ÖBl 1995, 233, jeweils
mwN).
Als Spitzenkandidat einer wahlwerbenden Partei muß sich der Kläger eine Kritik seiner Wahlkampfaussagen gefallen lassen, auch wenn sie, um besonders einprägsam zu sein, seinen Wahlkampfstil nachahmt und seine Aussagen persifliert. Die Grenzen zulässiger politischer Kritik werden dadurch nicht überschritten; die Bildveröffentlichung verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht.
Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.
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