OGH 4Ob2236/96v

OGH4Ob2236/96v17.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael B*****, geboren am *****, und der mj. Tanja B*****, geboren am *****, beide vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Amt für Jugend und Familie für den 20. Bezirk, Wien 20, Brigittaplatz 10, wegen Unterhaltsherabsetzung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Manfred B*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18.Juni 1996, GZ 44 R 441/96w-125, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 25.April 1996, GZ 1 P 1640/95v-121, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Vater ist gelernter Radio- und Fernsehmechaniker. 1992 war er bei der S***** Gesellschaft mbH beschäftigt. Er verdiente, einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen und der Hälfte der Taggelder, monatlich durchschnittlich S 18.700,-- netto. Mit 15.4.1993 löste er sein Dienstverhältnis einvernehmlich auf. Er war bis 9.1.1994 arbeitslos; seit 10.1.1994 ist der Vater bei der A*****gesellschaft mbH als Techniker für die Reparatur von Spielautomaten beschäftigt. Er verdiente 1994, einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen, monatlich S 13.600,-- netto, 1995 erhöhte sich sein Gehalt auf S 14.265,--.

Mit Beschluß vom 7.2.1993, ON 20, wurde der Unterhalt ab 1.12.1992 für die beiden Kinder mit monatlich S 2.500,-- je Kind festgesetzt. Am 8.9.1994 wies das Erstgericht den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters - Herabsetzung auf monatlich S 1.800,-- je Kind - ab (ON 71). Der Vater habe sein Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst; die unbegründete Aufgabe des Arbeitsplatzes könne nicht zu Lasten der Kinder gehen. Der Vater sei daher auf das zuletzt bezogene Einkommen anzuspannen. Der Rekurs des Vaters blieb erfolglos.

Der Vater begehrt nunmehr, seine Unterhaltsverpflichtung auf monatlich S 2.000,-- je Kind herabzusetzen.

Er verdiene monatlich S 12.031,-- netto und habe für ein drittes Kind, den am ***** geborenen mj. Richard B*****, zu sorgen.

Das Erstgericht setzte die Unterhaltspflicht des Vaters für den mj. Michael B***** vom 1.3.1995 bis 22.7.1995 auf S 2.000,-- monatlich und ab dem 23.7.1995 bis auf weiteres auf S 2.300,-- monatlich herab; die Unterhaltsverpflichtung für die mj. Tanja B***** ab dem 1.3.1995 bis auf weiteres auf S 2.000,-- monatlich. Das Mehrbegehren wies es ab.

Auch bei einem schuldhaften Arbeitsplatzverlust könne der Unterhaltspflichtige nicht auf Dauer auf das zuletzt bezogene Arbeitseinkommen angespannt werden. Ab dem 1.3.1995 sei jedenfalls das tatsächlich bezogene Einkommen maßgebend.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Unterhaltsherabsetzungsantrag abwies.

Der Vater könne zwar nicht mehr auf das bei der S***** Gesellschaft mbH bezogene Einkommen angespannt werden. Das derzeit erzielte Einkommen entspreche jedoch nicht seinen beruflichen Möglichkeiten. Bei der S***** Gesellschaft mbH habe er das Einkommen eines "Spitzenfacharbeiters" bezogen; nach dem im vorangegangenen Unterhaltsbemessungsverfahren eingeholten berufskundlichen Gutachten sei er für eine derartige Tätigkeit am Arbeitsmarkt vermittelbar. Derzeit übe er eine geringer qualifizierte Tätigkeit aus; er sei jedoch auf das erzielbare Einkommen anzuspannen. Der Kollektivvertrag habe für die Lohngruppe I (Spitzenfacharbeiter) schon 1994 monatlich S 16.807,-- netto (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen) vorgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Der Vater verweist auf die geänderten Arbeitsbedingungen für Radio- und Fernsehmechaniker. Er sei auch bei der S***** Gesellschaft mbH nicht mehr in seinem erlernten Beruf tätig gewesen; sein hohes Einkommen sei wahrscheinlich auf seine Tätigkeit im Außendienst zurückzuführen gewesen. Er glaube nicht, daß er als Radio- und Fernsehmechaniker eine Stelle gefunden hätte; in einem verwandten Berufszweig werde er nicht als "Spitzenfacharbeiter" eingestuft. Er sei nunmehr ohnehin in die Lohngruppe II/a aufgestiegen. Die angefochtene Entscheidung zwinge ihn, seine Stelle aufzugeben.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.

Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit, im

Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere

seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies

nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei

zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74 = EvBl

1990/128 = ÖA 1991, 99 = EFSlg 62.022 mwN; Purtscheller/Salzmann,

Unterhaltsbemessung Rz 246ff mwN; s auch Pichler in Rummel, ABGB**2 § 140 Rz 6 mwN).

Die Anspannung darf jedoch nicht zu einer bloßen Fiktion führen. Sie muß immer auf der Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die der Unterhalt bemessen wird, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (ÖA 1995, 88; ÖA 1996, 121, jeweils mwN).

Der Vater hat eine Beschäftigung, die seinem erlernten Beruf verwandt ist. Er verdient um rund S 2.000,-- monatlich weniger, als er erhielte, wäre er in der Lohngruppe I eingestuft. Die Annahme, er könnte bei seinem Arbeitgeber ohne weiteres eine entsprechende Einstufung erreichen, erscheint lebensfremd; ein höheres Einkommen wäre daher wohl nur erzielbar, wenn er seine Stelle wechselte. Dies ist aber nicht zumutbar, weil er ohnedies eine seinem erlernten Beruf verwandte Tätigkeit mit von Jahr zu Jahr höherem Verdienst ausübt, so daß sich der Abstand zu einem von ihm erzielbaren Spitzeneinkommen verringern wird. Aus dem bei der S***** Gesellschaft mbH bezogenen Einkommen kann auch nicht für alle Zeiten geschlossen werden, daß der Vater als Spitzenfacharbeiter qualifiziert ist und daher eine entsprechende Stelle erreichen kann. Gegen einen freiwilligen Verzicht auf bessere Einkommensmöglichkeiten unter den hier gegebenen Umständen spricht im übrigen, daß jede daraus folgende Unterhaltserhöhung nur einen Teil des Mehreinkommens verbrauchte und der Großteil noch immer dem Vater zugute käme.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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