OGH 4Ob21/03x

OGH4Ob21/03x18.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. R*****gesellschaft mbH & Co KG, 2. R***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 72.670 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. November 2002, GZ 2 R 196/02k-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 6. September 2002, GZ 3 Cg 181/02x-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 2.040,19 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 340,03 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt (ua) Kaminöfen; die Erstbeklagte erzeugt und vertreibt ebenfalls (ua) Kaminöfen. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Die Streitteile arbeiteten zumindest seit 1987 insofern zusammen, als die Klägerin ihre Kaminöfen von der Erstbeklagten herstellen ließ. Etwa 1999 kam es zu Streitigkeiten; mit Schreiben vom 14. 7. 2000 löste die Klägerin die Geschäftsbeziehung auf. Am 27. 3. 2001 brachte die Klägerin gegen die Beklagten zu 3 Cg 56/01p des Landesgerichts Steyr eine Klage ein, mit der sie begehrte, den Beklagten das Herstellen, Anbieten, Bewerben oder Inverkehrbringen bestimmter Kaminöfenmodelle zu untersagen, zwischen den Streitteilen geschlossene Kaufverträge aufzulösen und die Beklagten zu verpflichten, 6,491.707 S sA zu zahlen. Gestützt wurde die Klage im Wesentlichen darauf, dass die Beklagten die Vertriebsvereinbarung verletzt, die Leistungen der Klägerin in sittenwidriger Weise ausgenutzt und deren Lichtbilder und Marken für sich verwendet hätten. Die Klägerin machte (ua) einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 1, 9 UWG geltend.

Am 13. 9. 2001 beantragte die Klägerin bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems, ihr nach dem Umweltinformationsgesetz Auskunft über Umfang und Art der Emissionen der von der Erstbeklagten betriebenen Lackieranlage zu erteilen. Vor der Gewerbebehörde war seit 29. 8. 2001 ein Verfahren über den Antrag der Erstbeklagten anhängig, ihr eine gewerbebehördliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen bzw ihr eine Frist von 5 Jahren für die Anpassung der bestehenden Lackieranlage an die Bestimmungen der Lackieranlagen-Verordnung einzuräumen. Bereits im Jahre 1999 hatte die Erstbeklagte um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung der bestehenden Lackieranlage durch Ausstattung mit einer Luftreinigungsanlage und einem elektrostatischen Spritzsystem angesucht. Sie hatte diesen Antrag bei der gewerberechtlichen Verhandlung vom 5. 7. 1999 zurückgezogen, nachdem der Amtssachverständige das Fehlen wesentlicher Unterlagen festgestellt hatte. Die Erstbeklagte verfolgte das Projekt in der Folge nicht weiter; sie strebte den Einsatz eines lösungsmittelärmeren Lackes an, wobei die Entwicklung jedoch noch nicht abgeschlossen war.

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems wies mit Bescheid vom 8. 11. 2001 den Antrag der Erstbeklagten auf gewerbebehördliche Ausnahmegenehmigung bzw um die Gewährung einer Frist von 5 Jahren für die Anpassung der Lackieranlage an die Lackieranlagen-Verordnung ab. Begründet wurde der Bescheid mit Messergebnissen vom April 2000. Da die dabei festgestellten Werte die zulässigen Grenzwerte beträchtlich überschritten, sei die Ausnahmeregelung nicht vertretbar, weil der im § 74 Abs 2 Z 1 GewO 1994 geschützte Personenkreises gefährdet sei. Auch könne der Zweck der Lackieranlagen-Verordnung nicht unberücksichtigt bleiben, die Emissionen von Lackieranlagen wegen der Ozonbelastung zu verringern. Die Antragstellerin habe auch keine betriebswirtschaftlich relevanten Nachweise darüber erbracht, dass ihr die Anpassung ihrer Anlage aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Der Erstbeklagten wurde gemäß § 360 Abs 1 GewO 1994 aufgetragen, „zum Zwecke der Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands die Lackieranlage ... mit Rechtskraft des vorstehenden Bescheides, spätestens jedoch bis 31. 12. 2001, stillzulegen und anschließend nicht mehr zu betreiben, solange keine Anpassung der bestehenden Lackieranlage an die Bestimmungen des § 9 der Lackieranlagen-Verordnung, BGBl 1995/873, erfolgt ist".

Am 14. 11. 2001 machte der Geschäftsführer der Klägerin dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten einen Vergleichsvorschlag, der auszugsweise wie folgt lautete:

"Wie Du sicher weißt, haben wir die BH Kirchdorf gebeten, das Auskunftsbegehren derzeit nicht zu beantworten. Nach unseren Gesprächen in den letzten Tagen möchte ich von meiner Seite einen Vorschlag machen, wie wir alle unsere Streitigkeiten beilegen könnten und angesichts unserer Freundschaft diese Dinge mit Anstand regeln könnten. Dieser Vorschlag sieht wie folgt aus:

1. Wir ziehen das Auskunftsbegehren bei der BH Kirchdorf zurück und verpflichten uns, kein neues Begehren mehr zu stellen und auch sonst keinerlei Schritte in dieser Sache zu unternehmen.

2. Wir stellen das Verfahren in Steyr ein.

3. Du stellst das Patent- und Markenverfahren ein und anerkennst unser uneingeschränktes Nutzungsrecht an allen Entwicklungen und Produkten, die von R***** für uns in der Vergangenheit hergestellt oder entwickelt wurden...

...

Natürlich ist dieser Vorschlag noch nicht voll ausformuliert, was dann sicherlich unsere Anwälte übernehmen würden. Wichtig wäre aber, dass wir gemeinsam zur Grundsatzentscheidung kommen, ja, wir möchten die Streitereien beilegen. Das bedeutet natürlich auch, dass jeder von seiner ursprünglichen Position etwas abrücken muss..."

Am 21. 11. 2001 berief die Erstbeklagte gegen den Bescheid vom 8. 11. 2001. Sie verwies auf ihre Verluste in den vergangenen Wirtschaftsjahren und brachte vor, dass die dem Bescheid zugrundegelegten Messergebnisse nicht mehr aktuell seien. Nach groben Schätzungen habe sie 2001 nicht mehr als 5.000 kg organische Lösemittel verwendet. In der Halle, in der die lackierten Öfen zum Trocknen aufgestellt seien, sei eine Lüftungsanlage installiert worden.

Am 22. 11. 2001 kam die Bezirkshauptmann Kirchdorf an der Krems dem Auskunftsersuchen der Klägerin nach. Sie gab die Emissionsdaten, wie sie im Bescheid vom 8. 11. 2001 angeführt waren, bekannt und teilte der Klägerin mit, dass die Lackieranlage mit Bescheid vom 19. 2. 1993 genehmigt worden war. Der Antrag vom 29. 8. 2001 auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei mit nicht rechtskräftigem Bescheid vom 8. 11. 2001 abgewiesen und die Stilllegung der Lackieranlage gemäß § 360 Abs 1 GewO angeordnet worden.

Die Beklagten nahmen den Vergleichsvorschlag vom 14. 11. 2001 nicht an. Am 30. 1. 2002 wurde im Verfahren 3 Cg 56/01p ein Vergleich geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautete:

"1. Die beklagten Parteien verpflichten sich zur ungeteilten Hand, der klagenden Partei den Betrag von 6,000.000 S zu bezahlen....

2. Die klagende Partei und Herrn Ferdinand H***** sowie die von diesen kontrollierten und verbundenen Unternehmen sind berechtigt, bei Herstellung und Vertrieb von Öfen ... alle jene zugunsten der beklagten Partei oder von Herrn Karl Stefan R***** oder von mit diesen verbundenen Unternehmen eingetragenen Patente oder sonstigen Schutzrechte mit Ausnahme der Musterschutzrechte, aber einschließlich des sonstigen Know-hows zu nutzen, soweit diese Rechte in den von den beklagten Parteien bezogenen Produkten eingesetzt waren oder im Produktionsprozess verwendet wurden...

3. Die beklagten Parteien führen ein Lager, das in der von den beklagten Parteien erstellten Liste vom 21. 1. 2002 erfasst ist. Diese Liste ist ein integrierender Bestandteil des Protokolls. Abweichungen des tatsächlichen Lagerbestands werden in den üblichen Inventurdifferenzen akzeptiert. Die klagende Partei ist berechtigt, sich bis zum 30. 6. 2002 unentgeltlich aus diesem Lager zu bedienen... Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Lagerhaltung besteht nur bis 30. 6. 2002. Diejenigen Produkte, die nicht bis 30. 6. 2002 von der klagenden Partei abgeholt werden, gehen wiederum ins Eigentum der beklagten Parteien mit Ablauf des 30. 6. 2002 über.

4. Die beklagten Parteien sagen für die Dauer von 5 Jahren für die von der klagenden Partei bei ihnen bezogenen Produkte Ersatzteillieferungen zu angemessenen Preisen und angemessenen Konditionen zu. Die Verpflichtung zur Ersatzteilversorgung betrifft nur die ehemals gemeinsam vertriebenen Produkte.

5. Sämtliche zwischen den Streitteilen und Herrn Ferdinand H***** und Herrn Karl Stefan R***** anhängigen Verfahren werden mit diesem Vergleich beigelegt, dies unter Kostenaufhebung. Insbesondere erklären der Ankläger und der Verdächtige im Verfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien, das zu GZ 28c VR 4974/01 anhängig ist, von sämtlichen Anträgen zurückzutreten und keine weiteren Verfolgungshandlungen zu setzen.

6. Mit diesem Vergleich sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Streitteile sowie jene der Herren Ferdinand H***** und Karl Stefan R***** bereinigt und verglichen, mit Ausnahme der Abwicklung offener Bestellungen, für die bereits Anzahlung geleistet wurde. Eine Irrtumsanfechtung oder die Anfechtung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wird wechselseitig ausgeschlossen".

Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, nahm zum Ansuchen der Beklagten am 1. 8. 2002 Stellung. Es vertrat die Auffassung, dass die Nachbarn durch die beantragte Fristgewährung zur Anpassung der Lackieranlage an die Bestimmungen der Lackieranlagen-Verordnung weder direkt durch Lösemittelemissionen noch durch erhöhte Ozonbildung unzumutbar belästigt oder gefährdet würden. Dabei wurde von einem Lösemitteleinsatz von 4.000 kg pro Jahr ausgegangen. Die Lackieranlage ist nach wie vor im Betrieb.

Mit Klage vom 23. 7. 2002 begehrt die Klägerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr in der ohne die erforderliche gewerbebehördliche Bewilligung am Standort M*****, betriebenen Lackieranlage Kaminöfen und Teile hievon zu lackieren. Sie begehrt weiters, den Beklagten zu untersagen, die in dieser Lackieranlage seit 1. 1. 1999 lackierten Kaminöfen und Teile hievon feilzubieten und zu verkaufen. Die für den Betrieb der Lackieranlage erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung liege spätestens seit 31. 12. 1998 nicht vor. Auf die Lackieranlage sei seit 1. 1. 1996 die Lackieranlagen-Verordnung, BGBl 1995/873, anzuwenden. Die darin festgesetzten Voraussetzungen erfülle die Lackieranlage der Beklagten nicht. Im Juni 2002 seien erstmals konkrete Verdachtsmomente "betreffend den Betrieb der Anlage" aufgetreten. Eine Nachfrage bei der zuständigen Gewerbebehörde habe ergeben, dass die Lackieranlage nach wie vor nicht genehmigt sei. Über die (aussichtslose) Berufung sei bisher nicht entschieden worden. Selbst wenn die Ausnahmegenehmigung erteilt würde, sei der Betrieb der Anlage gesetzwidrig, weil die Frist für die Anpassung an die Bestimmungen der Lackieranlagen-Verordnung mit 31. 12. 1998 abgelaufen sei und die Beklagten die Ausnahmegenehmigung erst zwei Jahre später und damit verspätet beantragt hätten. Mit dem Betrieb der Lackieranlage ohne die notwendige gewerbebehördliche Genehmigung handelten die Beklagten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Der Vergleich vom 30. 1. 2002 erfasse den Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht, weil die Lackiertätigkeit der Beklagten der Klägerin im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht bekannt gewesen sei. Darauf komme es aber ohnehin nicht an, weil ein Verzicht auf das Klagerecht nach UWG sittenwidrig und daher unwirksam sei. Die Klägerin habe im Übrigen davon ausgehen dürfen, dass die Beklagten die Anlage „während des konsenslosen Zustands keineswegs betreiben würden".

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Mit dem von den Streitteilen geschlossenen Vergleich habe die Klägerin auch auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wegen des Betriebs der Lackieranlage verzichtet. Der Klägerin sei der Sachverhalt seit November 2001 bekannt. Sie habe bei den ausführlich und intensiv geführten Vergleichsgesprächen keinen Vorbehalt gemacht. Ihr sei offensichtlich daran gelegen gewesen, den Lagerbestand gemäß Punkt 3 des Vergleichs noch an sich zu bringen, zu verwerten und die Beklagten erst danach zu belangen. Die Schädigungsabsicht der Klägerin liege auf der Hand. Die Lackieranlage werde nicht konsenslos betrieben. Um den Vorgaben der mit 1. 1. 1996 in Kraft getretenen Lackieranlagen-Verordnung zu entsprechen, müsse entweder ein lösungsmittelärmerer Lack eingesetzt oder die Lackieranlage technisch aufgerüstet werden. Würden die dafür vorgesehenen Fristen in Anspruch genommen, so erlösche die Befugnis zur Benützung der Anlage erst 2005 bzw 2003. Das Ansuchen um Ausnahmegenehmigung sei zwar abgewiesen worden; der gegen den abweisenden Bescheid erhobenen Berufung komme jedoch aufschiebende Wirkung zu. Aufgrund der seinerzeit erwirkten Betriebsanlagengenehmigung sei die Erstbeklagte daher vorläufig weiterhin zur Verwendung der Lackieranlage berechtigt. Die Gewerbebehörde habe die Schließung der Anlage bisher nicht verfügt. Die Klägerin habe ihre Produktionsstätten im Ausland, so dass sie den strengen österreichischen Bestimmungen nicht unterliege. Die Beklagten hätten bereits umfangreiche Investitionen vorgenommen. Die Lackieranlage sei daher nunmehr genehmigungsfähig. Nach § 9 Abs 1 Z 1 lit a Lackieranlagen-Verordnung bestehe eine Übergangsfrist bis 31. 12. 2000 für jene Betriebsanlagen, die nicht mehr als 5.000 kg organische Lösungsmittel im Jahr verwenden. Aufgrund der bereits im Gang befindlichen Versuche hätten die Beklagten mit gutem Grund davon ausgehen können, dass ihnen bis zur Umsetzung bzw Anpassung eine Frist bis zum 31. 12. 2000 offen stehe. Nach der bis 1. 4. 2001 umzusetzenden VOC-Richtlinie hätten weitere Übergangsfristen bis 31. 10. 2007 bzw 31. 10. 2005 eingeräumt werden müssen. Auch insoweit hätten die Beklagten mit gutem Grund annehmen können, noch längere Übergangsfristen zur Verfügung zu haben. Das zuständige Ministerium habe am 23. 3. 2001 darauf hingewiesen, dass die Lackieranlagen-Verordnung voraussichtlich noch 2001 außer Kraft treten werde und jene Betriebsanlagen, die jährlich nicht mehr als 5.000 kg organische Lösungsmittel verwenden, aufgrund der höheren Schwellenwerte in der VOC-Richtlinie voraussichtlich nicht mehr erfasst sein würden. Da der nationale Gesetzgeber die VOC-Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt habe, hätten die Beklagten aus Vorsichtsgründen am 29. 8. 2001 um eine Ausnahmegenehmigung bzw um die Gewährung einer Frist von 5 Jahren für die Anpassung der Lackieranlage angesucht. Bei dieser Sachlage könne den Beklagten selbst dann kein schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden, wenn der Betrieb der Lackieranlage objektiv gesetzwidrig wäre. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Die Beklagten hätten einen Lack entwickelt, der weniger Lösungsmittel enthalte. Durch die für den 1. 9. 2002 vorgesehene Umsetzung der VOC-Richtlinie würden die Grenzwerte für Altanlagen wesentlich erhöht. Es sei davon auszugehen, dass die Berufung der Beklagten erfolgreich sein werde. Durch das Fehlen der Genehmigung entstehe den Beklagten kein Wettbewerbsvorteil, weil die Lackieranlage ohnehin genehmigungsfähig sei. Würde das beantragte Verbot erlassen, so müssten die Beklagten den Betrieb stilllegen. Damit würden 140 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren. Der Klägerin wäre daher gemäß § 390 Abs 2 EO der Erlag einer entsprechenden Sicherheitsleistung aufzuerlegen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Generalvergleich erfasse - mangels eines entsprechenden Vorbehalts - auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Der Klägerin sei bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen, dass der Betrieb der Lackieranlage allenfalls wettbewerbswidrig sei. Sie habe nicht annehmen können, dass die Lackieranlage nicht mehr weiterbetrieben werde, sondern ihr habe klar sein müssen, dass die Lackieranlage zumindest bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens weiterbetrieben werde. Die Klägerin hätte sich aber jedenfalls bei der Tagsatzung am 30. 1. 2002 erkundigen können. Ein Vergleich, mit dem der Ausgang des Verwaltungsverfahrens abgewartet werde, sei kein Freibrief für wettbewerbswidriges Verhalten und daher auch nicht sittenwidrig.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich von den den Entscheidungen 4 Ob 380/77 und 4 Ob 399/67 zugrundeliegenden Sachverhalten. Im vorliegenden Fall hätten anwaltlich vertretene Parteien unter fachkundiger Anleitung durch das Erstgericht in einem Zivilverfahren über wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin einen Vergleich geschlossen. Die Parteien hätten nicht im Vorhinein auf ein allfälliges Klagerecht verzichtet. Dabei hätte die Klägerin auch an die gegenständlichen wettbewerbsrechtlichen Umstände denken können. Das Interesse der Allgemeinheit an der Unterbindung von Wettbewerbsverstößen sei hier wesentlich geringer als in den den zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen. Zweck des im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleichs sei es gewesen, einen bereits anhängigen und ausschließlich die Streitteile betreffenden Rechtsstreit zu bereinigen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Bei der Auslegung von Vergleichen gelten die allgemeinen Regeln; Vergleiche sind daher nach § 914 ABGB auszulegen (1 Ob 617/91 = SZ 64/160; Ertl in Rummel, ABGB³ § 1380 Rz 1 mwN). Danach ist die Absicht der Parteien festzustellen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. § 1389 Satz 2 ABGB enthält für die Auslegung von Generalvergleichen insoweit eine Zweifelsregel (s dazu Kletecka, Unerkennbare Ansprüche bei der Schadensregulierung durch Abfindungsvergleich, ecolex 1991, 5), als Rechte ausgenommen werden, die geflissentlich verheimlicht worden sind oder an die „die sich vergleichenden Parteien nicht denken konnten". Generalvergleiche erstrecken sich damit, mangels entgegenstehender Parteienabsicht, zwar auf Fälle, an welche die Parteien nicht gedacht haben, nicht aber auf solche, an die sie nicht denken konnten (Ertl aaO § 1389 Rz 1 mwN). Das sind jene Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten (Schwimann/Harrer/Heidinger, ABGB² § 1389 Rz 2; 3 Ob 41/87 = JBl 1988, 380). Unerkennbare Ansprüche gelten damit im Zweifel als nicht verglichen.

Im vorliegenden Fall haben die Streitteile - mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme - „sämtliche gegenseitigen Ansprüche ... bereinigt und verglichen". Der Vergleich erfasst damit nach seinem Wortlaut jede Art von Ansprüchen, und zwar unabhängig davon, ob sie für die Parteien bei Vergleichsabschluss erkennbar waren oder nicht. Da eine entgegenstehende Parteienabsicht nicht feststeht, ist die Bereinigungswirkung nach der Zweifelsregel des § 1389 Satz 2 ABGB jedoch nur auf Ansprüche zu erstrecken, welche die Parteien bedenken konnten.

Die Klägerin macht dazu geltend, ihr sei bei Vergleichsabschluss die tatsächliche Lackiertätigkeit der Beklagten nicht bekannt gewesen. Sie habe damals keine Nachforschungen über eine konkrete Lackiertätigkeit angestellt und davon ausgehen dürfen, dass die Beklagten diese Anlage während des „konsenslosen Zustands" keineswegs betreiben würden (ON 4, AS 73). Auf das Vorbringen der Beklagten in der Äußerung, wonach ein Stillstand der Lackieranlage die Schließung des gesamten Betriebs nach sich gezogen hätte (ON 2, AS 59), geht die Klägerin in ihrer Gegenäußerung nicht ein.

Für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten spricht, dass die Lackierung der Öfen einen wesentlichen Teil des Produktionsprozesses bildet. Die Beklagten hätten daher die Ofenerzeugung trotz Stilllegung der Lackieranlage nur aufrechterhalten können, wenn sie die Öfen entweder unlackiert ausgeliefert hätten oder - trotz der damit verbundenen Unterbrechung des Produktionsprozesses und der zwangsläufig entstehenden Mehrkosten - durch Dritte hätten lackieren lassen. Beides ist angesichts des über die Ausnahmegenehmigung anhängigen Verfahrens so unwahrscheinlich, dass die Klägerin nicht annehmen konnte, die Beklagten erzeugten zwar weiterhin Öfen, hätten aber die Lackieranlage stillgelegt.

Dass die Ofenerzeugung nach wie vor in Betrieb sei, davon musste die Klägerin bei Abschluss des Vergleichs ausgehen. Die darin vereinbarte Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin für die Dauer von 5 Jahren Ersatzteile zu liefern, setzte voraus, dass die Beklagten ihr Unternehmen weiter betrieben. Auch die der Klägerin eingeräumte Befugnis, dem Lager der Beklagten Öfen zu entnehmen, war nur sinnvoll, wenn die Beklagten über einen entsprechenden Lagerbestand verfügten. Voraussetzung dafür war wiederum ein Betrieb des Unternehmens und damit auch der Lackieranlage trotz Fehlens der notwendigen Genehmigung.

Für einen Betrieb der Lackieranlage trotz fehlender Genehmigung sprach aber vor allem die der Klägerin bekannte Tatsache, dass vor der Gewerbebehörde ein Verfahren über die von den Beklagten beantragte Ausnahmegenehmigung in zweiter Instanz anhängig war. Der Antrag auf Ausnahmegenehmigung zeigt das Bemühen der Beklagten, die Lackieranlage weiter betreiben zu dürfen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Der Klägerin war auch bekannt, dass gegen die Beklagten (nur) eine Anordnung nach § 360 Abs 1 GewO ergangen war. Eine derartige Anordnung ist eine nicht weiter sanktionierte Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands; sie ist einem Vollzug nicht zugänglich (Kinscher/Sedlak, Die Gewerbeordnung6 § 360 Anm 4 mwN).

Die Klägerin konnte daher bei Vergleichsabschluss nicht annehmen, die Beklagten hätten die Lackieranlage bereits stillgelegt und die Produktion von Öfen eingestellt oder sie würden dies noch vor Abschluss des Verfahrens über die von ihnen beantragte Ausnahmegenehmigung tun. Damit musste ihr auch bewusst sein, dass ihr wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen des Betriebs der Lackieranlage ohne die erforderliche Genehmigung, von deren möglicher Existenz sie bei ihrem Vergleichsangebot vom 14. 11. 2001 auch ausgegangen war, nach wie vor zustehen könnten. Hätte sie diese Ansprüche nicht mitvergleichen wollen, so hätte sie einen entsprechenden Vorbehalt machen müssen, wie sie ihn wegen der Ansprüche aus nicht abgewickelten Bestellungen auch gemacht hat.

Damit ist davon auszugehen, dass der Generalvergleich die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der Klägerin wegen des Betriebs der Lackieranlage ohne die erforderliche Genehmigung erfasst. Zu prüfen bleibt, ob der Vergleich insoweit - wie die Klägerin geltend macht - sittenwidrig und daher unwirksam ist.

Die Klägerin beruft sich auf die Entscheidungen 4 Ob 380/77 (= SZ 50/139 = ÖBl 1978, 18 - Zeitungsabonnement-Laienwerbung) und 4 Ob 399/77 (= ÖBl 1978, 101 - Zeitungsabonnement-Werbegeschenke). In beiden Entscheidungen war die Wirksamkeit einer Vereinbarung zu beurteilen, mit der Zeitungsverleger auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Gewährung von Werbeprämien und Werbegeschenken bis zu einem bestimmten Betrag im Voraus wechselseitig verzichtet hatten. Der Oberste Gerichtshof hat die Vereinbarung als sittenwidrig beurteilt. Begründet wurde die Sittenwidrigkeit damit, dass die Unterbindung von Wettbewerbsverstößen im Interesse der Mitbewerber und auch im Interesse der Allgemeinheit liege. Mit dem Schutz der Allgemeinheit wäre es unvereinbar, wenn mehrere Mitbewerber durch Vereinbarung auf ihr wechselseitiges Klagerecht rechtswirksam im Voraus verzichten und sich damit gegenseitig einen Freibrief zu gesetz- oder sittenwidrigem Handeln ausstellen könnten.

Im vorliegenden Fall geht es nicht um einen Verzicht auf die Verfolgung künftiger Wettbewerbsverstöße, sondern um einen Vergleich, mit dem bereits bestehende Streitigkeiten und Ansprüche verglichen wurden. Der Klägerin war bekannt, dass die Beklagte die Lackieranlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieb; sie hätte bereits vor Abschluss des Vergleichs einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG geltend machen können. Mit dem Vergleich hat sie daher einen bereits bestehenden Unterlassungsanspruch (mit-)verglichen, von dem sie annehmen musste, dass dieser nach wie vor aufrecht sei, weil sie - wie oben dargelegt - nicht damit rechnen konnte, dass die Beklagte die Lackieranlage vor Abschluss des über ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung anhängigen Verfahrens stillgelegt habe oder noch stilllegen würde.

Damit ist der im vorliegenden Fall zu beurteilende Sachverhalt den den Entscheidungen 4 Ob 380/77 und 4 Ob 399/77 zugrundeliegenden Sachverhalten von vornherein nicht vergleichbar. Auf einen bereits bestehenden und noch fortwirkenden Unterlassungsanspruch kann ein Unternehmer jederzeit verzichten, da er auch nicht verpflichtet ist, einen Mitbewerber auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens zu klagen. Im vorliegenden Fall kann daher offen bleiben, ob bei einem Vergleich, mit dem auf die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nach § 1 UWG wegen des Betriebs einer Anlage ohne die erforderliche behördliche Genehmigung verzichtet wird, überhaupt von einem Freibrief zu gesetzwidrigem Handeln gesprochen werden könnte, obwohl es Aufgabe der Gewerbebehörde ist, die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften zu überwachen und damit das Allgemeininteresse am gesetzeskonformen Betrieb von Anlagen wahrzunehmen.

Der von den Streitteilen geschlossene Vergleich über "sämtliche gegenseitigen Ansprüche" ist damit auch insoweit wirksam, als er sich auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten wegen des Betriebs der Lackieranlage ohne die erforderliche Genehmigung bezieht. Die Vorinstanzen haben den Sicherungsantrag daher zu Recht abgewiesen.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 402 Abs 4, § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der den Beklagten unterlaufene Fehler - sie haben die Umsatzsteuer vom Kostenbetrag ohne Streitgenossenzuschlag berechnet - war richtigzustellen.

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