European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120575
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Vorinstanzen hoben die Aufkündigung der Klägerin – aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG – betreffend ein Bestandobjekt auf, das laut Vereinbarung zwischen den Parteien als Geschäftsraum und auch als Wohnung benützt wurde bzw wird.
Nach der für die Aufkündigung von „gemischten Bestandverhältnissen“ maßgeblichen Regelung des § 560 Abs 2 ZPO seien die Kündigungstermine und -fristen des § 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO einzuhalten (Aufkündigung zum 31. 3., 30. 6., 30. 9. oder 31. 12., wobei die Aufkündigung dem Gegner spätestens drei Monate vor dem Kündigungstermin zuzustellen ist).
Die Aufkündigung vom 5. 3. 2015 zum Kündigungstermin 31. 7. 2015, somit nicht zu einem Quartalsende, wurde dem Beklagten am 13. 3. 2015 zugestellt. Die Vorinstanzen erachteten die Aufkündigung als terminwidrig und hoben sie – wie schon erwähnt – als rechtsunwirksam auf.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil in der Entscheidung 6 Ob 167/16a die Berichtigung des in der Aufkündigung unrichtig genannten Kündigungstermins analog § 563 Abs 2 Satz 2 ZPO noch im Verfahren über Einwendungen des Kündigungsgegners für zulässig erachtet worden sei. Gemäß § 563 Abs 2 Satz 2 MRG sei eine Aufkündigung, die verspätet – also nach Beginn der ausgehend vom genannten Kündigungstermin zu berechnenden Kündigungsfrist – zugestellt werde, für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam, für den die Frist zum Zeitpunkt der Zustellung noch offen sei. Nach der vom Berufungssenat vertretenen Rechtsansicht sei die nach § 563 Abs 2 ZPO vorzunehmende Umdeutung der Aufkündigung zum nächstmöglichen Termin lediglich auf die Sanierung von Verspätungen im Sinne einer Verkürzung der Kündigungsfrist anwendbar, nicht aber im Fall eines von vornherein unrichtigen Kündigungstermins. Die vom Berufungssenat abgelehnte Rechtsansicht lasse sich nicht mittels Auslegung gewinnen, weil der Wortlaut des § 563 Abs 2 ZPO lediglich die Sanierung einer nicht eingehaltenen Kündigungsfrist anspreche und der analogen Anwendung auf verfehlte Kündigungstermine das Fehlen einer Gesetzeslücke entgegenstehe. Wäre eine Umdeutung auch in diesem Fall zulässig, wäre das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Kündigungsgründe an das Erstgericht zu verweisen, weil im Fall deren Berechtigung die Wirksamkeit der Kündigung lediglich zum richtigen Kündigungstermin auszusprechen wäre.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht. Die Parteien hätten konkludent eine „Umdeutung in ein Bestandsobjekt zum alleinigen Wohnzweck“ vorgenommen. Die Klägerin habe daher mit der Aufkündigung zum 31. 7. 2015 „selbstredend“ den richtigen Kündigungstermin gewählt. Der Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hat, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059; RS0080388 [T1]).
2. Die Klägerin kündigte mit der dem Beklagten am 13. 3. 2015 zugestellten Aufkündigung vom 5. 3. 2015 zum 31. 7. 2015. Da der 31. 7. kein gesetzlicher Kündigungstermin für Geschäftslokale ist, war der nächstmögliche gesetzliche Kündigungstermin nach diesem Zeitpunkt der 30. 9. 2015. Die Klägerin hält jedoch auch in der Revision am Kündigungstermin laut Klage fest; mit der vom Berufungsgericht relevierten Frage einer allfälligen Umdeutung der Aufkündigung auf den nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin befasst sich die Revision nicht.
3.1. Die Klägerin stützt ihre Behauptung der Gesetzmäßigkeit des gewählten Kündigungstermins auf eine einvernehmliche langjährige überwiegende Nutzung des Bestandgegenstands als Wohnung. Damit weicht sie zum einen vom festgestellten Sachverhalt ab, wonach das Lokal zunächst überwiegend zu gewerblichen Zwecken benützt wurde und erst zuletzt auch für Wohnzwecke. Zum anderen ist es nicht entscheidend, in welcher Art ein Raum nach dem Abschluss des Mietvertrags tatsächlich verwendet wird; maßgeblich ist, zu welchem Zweck er nach der Parteienabsicht bei Vertragsabschluss in Bestand gegeben bzw genommen wird (RIS-Justiz RS0066884) oder welcher Zweck von den Parteien später einvernehmlich – allenfalls auch schlüssig – zum Vertragszweck gemacht worden ist (RIS‑Justiz RS0070039; RS0069605; RS0044863).
3.2. Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die konkludente Vereinbarung der überwiegenden Nutzung des Lokals als Wohnung stützt, vermag sie der Beurteilung der Vorinstanzen, wonach bei der Besprechung im Februar 2011 keine ausschließliche oder überwiegende Verwendung zu Wohnzwecken vereinbart wurde, nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen. Im Übrigen ist die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0043253 [T1]).
4. Die von den Vorinstanzen herangezogene Rechtsprechung, dass im Fall eines gemischten Bestandverhältnisses ohne überwiegende Nutzung die Fristen nach § 560 Abs 2 Z 2 lit e ZPO maßgeblich sind (6 Ob 1536/87), greift die Revisionswerberin nicht an.
5. Die Vorinstanzen haben daher im Rahmen bisheriger Rechtsprechung die gegenständliche Aufkündigung als terminwidrig beurteilt und folglich als rechtsunwirksam aufgehoben.
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