OGH 4Ob2022/96y

OGH4Ob2022/96y26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Langer und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, ***** vertreten durch Dr.Wolfram Themmer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf M*****, vertreten durch Dr.Erhard C.J.Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 330.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14.Dezember 1995, GZ 5 R 214/95-21, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Daraus, daß das Berufungsgericht seinen Ausspruch, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO), entgegen § 500 Abs 3 letzter Satz ZPO nicht konkret begründet hat, kann nicht abgeleitet werden, daß die Überprüfung des Berufungsurteils nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO), weil das Urteil in der Sache selbst sehr wohl begründet wurde. Gegen den Zulässigkeitsausspruch allein findet aber kein Rechtsmittel statt (§ 500 Abs 4 Satz 1 ZPO); an ihn ist der Oberste Gerichtshof ohnehin nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO).

Die angefochtene Entscheidung steht in keinem Gegensatz zu ÖBl 1985, 101 - Lesebrille. Dort war es darum gegangen, daß ein - auch zur Ausübung des Optikergewerbes berechtigter - Fotohändler angekündigt hatte, er biete eine "Lesebrille" für Weitsichtige in zehn Dioptrien-Abstufungen zum sofortigen Mitnehmen an. Die damals klagende Partei begehrte, den Beklagten das Ankündigen einer "Lesebrille" zum Verkauf zu untersagen, wenn stattdessen eine Korrektionsbrille für Presbyopie mit einer näher bezeichneten Dioptrienstärke angeboten bzw geliefert oder verkauft werde. Der Oberste Gerichtshof verneinte den auf § 2 UWG gestützten Anspruch, weil der durchschnittlich verständige Leser auch bei Berücksichtigung der üblichen Flüchtigkeit nicht den Schluß ziehen werde, er erhalte zum sofortigen Mitnehmen eine individuell angepaßte, seine Fehlsichtigkeit in jeder Hinsicht korrigierende Brille.

Im vorliegenden Fall hat hingegen der Kläger seinen Anspruch auf § 1 UWG gestützt und damit begründet, daß der Beklagte eine Korrektionsbrille vertreibe, obwohl er nicht die dazu nötige Gewerbeberechtigung eines Augenoptikers (§ 94 Z 64 GewO 1973 idF BGBl 1994/194) besitze.

Soweit das Berufungsgericht den in der Berufung gerügten Verfahrensmangel - daß sich nämlich das Erstgericht mit einem Privatgutachten begnügt und keinen gerichtlichen Sachverständigen beigezogen hat - verneint hat, kann dieser Verfahrensmangel nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 503 mwN aus der Rechtsprechung).

Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Beurteilung, ob eine Lesebrille mit einer bestimmten Dioptrienstärke als Korrektionsbrille (und nicht als Schutzbrille) zu werten ist, eine Rechtsfrage bilde, trifft zu. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß die vom Beklagten angebotenen Brillen dazu dienen sollen, Augenfehler (Weitsichtigkeit) auszugleichen; sie sind daher tatsächlich eine Korrektionsbrillen.

Nach ständiger Rechtsprechung verstößt gegen § 1 UWG, wer sich im geschäftlichen Verkehr über eine gewerberechtliche Vorschrift in der Absicht hinwegsetzt, damit einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (ÖBl 1993, 226 - Tageszeitungsimpressum mwN; ÖBl 1995, 269 - Öffentliche Agentie uva). Die gegen die Bejahung eines solchen Tatbestandes durch die Vorinstanzen gerichteten Revisionsausführungen sind offenbar dahin zu verstehen, daß der Beklagte mit seiner Verhaltensweise deshalb gar keinen Wettbewerbsvorsprung erlangen könne, weil gleichartige Lesebrillen flächendeckend von Großmärkten wie "Spar", aber auch bei Tankstellen und in Fotofachgeschäften verkauft würden. Dem ist zu erwidern, daß der Beklagte dennoch einen Wettbewerbsvorsprung vor solchen Mitbewerbern erlangt, die mangels einer entsprechenden Gewerbeberechtigung auf den Verkauf von Korrektionsbrillen verzichten, weil ein solcher Verkauf den zur Ausübung einer Gewerbeberechtigung für das Augenoptikerhandwerk berechtigten Gewerbetreibenden vorbehalten ist (Mache/Kinscher, Gewerbeordnung5, 367 Anm 84 zu § 94), § 96 GewO idF GRNov 1992 BGBl 1993/29 das Recht der Augenoptiker zur Anpassung und Abgabe von Korrektionsbrillen einschließlich der Brillenglasbestimmung festschreibt und die Optiker verpflichtet, diese Arbeiten durch hiefür ausgebildete Fachkräfte ausführen zu lassen, worunter insbesondere Personen mit erfolgreich abgelegter Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Optiker zu verstehen sind (RV 635 BlgNR 18. GP 89). Daß sich jeder seiner Mitbewerber über diese Vorschriften hinwegsetze und ohne Augenoptikerberechtigung Lesebrillen verkaufe, vermag der Beklagte selbst nicht zu behaupten.

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