OGH 4Ob189/07h

OGH4Ob189/07h13.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Reinhard K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Autohaus P***** KG (LG Klagenfurt *****), vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, wegen 118.672,31 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 116.700,74 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Juli 2007, GZ 2 R 104/07p-92, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. März 2007, GZ 2 Cg 129/99s-84, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.971,72 EUR (darin 328,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist - nach rechtskräftigem Teilzuspruch in einem Vorverfahren - der restliche Ausgleichsanspruch analog § 24 HVertrG, der der Gemeinschuldnerin als Vertragshändlerin für KFZ einer bestimmten Marke nach Aufkündigung des Händlervertrags durch die österreichische Import- und Vertriebsgesellschaft der Herstellerin. Zu Vorbringen und Sachverhalt wird auf die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung 4 Ob 54/02y verwiesen. Das Erstgericht gab dem restlichen Klagebegehren von 118.672,31 EUR sA im zweiten Rechtsgang mit 80.700,74 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es dem Klagebegehren mit 116.700,74 EUR sA stattgab. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision mangels gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs zulässig sei. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die durchschnittliche Bruttojahresprovision der Beklagten für den Zeitraum 1991-1995 als Ausgangsbasis zugrunde und beanstandete die vom Erstgericht mit 10 % für die Sogwirkung der Marke und 20 % für die tatsächliche Abwanderung von Kunden bemessenen Abschlagsfaktoren der Höhe nach nicht. Gewichte man jedoch bei einem Prognosezeitraum von fünf Jahren und einer Abzinsung von 5 % die beiden Abschlagsfaktoren - wie von der Beklagten in der Berufung gewünscht - sogar mit je 20 %, erweise sich bei einer in bescheidener Höhe von 26 % angesetzten Wiederkäuferquote (Stammkundenanteil) der im Berufungsverfahren noch strittige Betrag von 116.700,74 EUR sA als gerechtfertigt. Die bei Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigenden Faktoren seien mangels tauglicher Beweismittel nach § 273 Abs 1 ZPO festzulegen gewesen. Das Ergebnis entspreche auch den Billigkeitserwägungen des § 24 Abs 1 HVertrG, habe sich doch die Auflösung des Händlervertrags für die spätere Gemeinschuldnerin nach rund fünfzigjähriger Tätigkeit existenzbedrohend ausgewirkt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1.1. Eine Nichtigkeit des Berufungsurteils gem § 477 Abs 1 Z 9 ZPO infolge mangelhafter Fassung der angefochtenen Entscheidung setzt nach der Rechtsprechung so tiefgreifende Unklarheiten voraus, dass dadurch die Nachprüfung der Entscheidung ausgeschlossen ist (4 Ob 35/04g; RIS-Justiz RS0042133 [T10]); eine nur mangelhafte Begründung begründet keine Nichtigkeit (Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 112).

1.2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Nichtigkeitsberufung verworfen hat, nicht so unzureichend, dass sie unüberprüfbar wäre. Das Berufungsgericht hat nämlich klar und nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, dass der vom Erstgericht schon im ersten Rechtsgang als Basiswert den Berechnungen zugrunde gelegte durchschnittliche jährliche Neuwagenprovisionsumsatz der späteren Gemeinschuldnerin von 4,477.221 ATS mangels Bekämpfung durch die Parteien ein im zweiten Rechtsgang abschließend erledigter Streitpunkt ist und dort nicht neu aufgerollt werden konnte (Berufungsentscheidung ON 92 S 20 f; vgl RIS-Justiz RS0042031). Mit dieser Begründung setzt sich die Beklagte nicht auseinander.

2.1. Die nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provision nach Billigkeit festzusetzende Ausgleichszahlung ist geradezu ein Musterbeispiel für eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung, die - abgesehen von einer krassen Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS-Justiz RS0112590).

2.2. Die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen entsprechen grundsätzlich jener Berechnungsmethode, die der Senat schon in seiner im ersten Rechtsgang erlassenen Entscheidung 4 Ob 54/02y als geeignet bezeichnet hat. Dort wurde auch ausgesprochen, dass sich insgesamt die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung sehr schwierig gestaltet und die Berechnung jedenfalls in einer Weise von den Umständen des Einzelfalls abhängt, dass sich etwa allgemein gültige Prozentsätze für die einzelnen als anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Faktoren nicht festsetzen lassen. Wegen dieser notwendigerweise an den Besonderheiten des Einzelfalls auszurichtenden Ermittlung des Anspruchs ist für pauschale Berechnungsweisen oder die Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach festen Formeln grundsätzlich kein Raum. Im Hinblick auf die Komplexität der Materie und eine in wesentlichen Punkten gescheiterte Beweisführung hinsichtlich zu berücksichtigender Umstände war letztlich auch hier nur eine Festsetzung nach § 273 Abs 1 ZPO möglich.

3.1. Die Rechtsmittelwerberin möchte den Abzugsfaktor „Abwanderung" mit mehr als 20 % berücksichtigt wissen. Sie zeigt weiters einen Rechenfehler des Berufungsgerichts auf und bekämpft zuletzt dessen Standpunkt, das gewonnene Ergebnis entspreche der Billigkeit.

3.2.1. Wie schon zuvor (Punkt 2.2.) aufgezeigt, hängt die Höhe der als anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Faktoren von den Umständen des Einzelfalls ab. Die vom Berufungsgericht zum Abzugsfaktor „Abwanderung" angestellten Überlegungen sind plausibel (Berufungsurteil S 26 f). Das Berufungsgericht hat dessen Höhe - mangels anderer Beweisergebnisse - gem § 273 Abs 1 ZPO festgesetzt, ohne dass es den ihm dabei eingeräumten Ermessensspielraum eklatant überschritten hätte. In diesem Fall kommt der Anwendbarkeit und Anwendung dieser Bestimmung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0121220; RS0007104).

3.2.2. Durch Abzinsen erhält man den Betrag, den man zu Beginn des Prognosezeitraums hätte anlegen müssen, um bei einer bestimmten Verzinsung am Ende des Prognosezeitraums ein bestimmtes Endkapital zu erreichen.

Dem Berufungsgericht ist bei seiner Berechnung deshalb ein Rechenfehler unterlaufen, weil es bei der Abzinsung für jedes Prognosejahr das jeweils errechnete Endkapital nur einmal durch 1,05 dividiert hat. Die dargestellte Rechenoperation ist - bei einer Abzinsung von 5 % - jedoch nur für das erste Prognosejahr richtig, weil damit nur die Abzinsung für ein einziges Jahr abgebildet wird. Für jedes weitere Prognosejahr ist die Division deshalb entsprechend oft zu wiederholen (also etwa für das fünfte Prognosejahr, das für dieses Jahr ermittelte Endkapital fünf Mal durch 1,05 zu dividieren; siehe dazu die Berechnung in 6 Ob 170/02x).

Dieser Rechenfehler bleibt aber für das Ergebnis ohne Bedeutung: Das Berufungsgericht hat die beanstandete Rechenoperation nämlich nur im Rahmen einer Hilfsbegründung ausgeführt, sich bei seiner Entscheidung jedoch hauptsächlich darauf gestützt, dass die vom Erstgericht mit 10 % für die Sogwirkung der Marke und 20 % für die tatsächliche Abwanderung von Kunden bemessenen Abschlagsfaktoren der Höhe nach nicht zu beanstanden seien (Berufungsurteil S 26 letzter Absatz). Eine Kontrollrechnung unter Zugrundelegung dieser vom Berufungsgericht gebilligten Faktoren in der genannten Höhe ergibt einen restlichen Ausgleichsanspruch von 1,600.645,08 ATS = 116.323,41 EUR, und zwar ausgehend vom Ergebnis der in der Revision S 7 unten angestellten Rechnung von 2,451.459,87 ATS abzüglich 10 % für Sogwirkung der Marke und anteilige Vertriebskosten abzüglich bereits zugesprochenem Betrag von 605.668,80 ATS. Dieser Betrag liegt nur 377,33 EUR oder 0,323 % unter dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag. Er fällt bei der nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffenden Billigkeitsentscheidung auf dem Boden der zuvor erläuterten Rechtsgrundlage nicht ins Gewicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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