OGH 4Ob187/02g

OGH4Ob187/02g15.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.148,85 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Juni 2002, GZ 5 R 11/02b-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Oktober 2001, GZ 22 Cg 261/00a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist nach Umwandlung gemäß § 2 UmwG zum 20. 5. 2000 Gesamtrechtsnachfolgerin der S***** AG (SAV). Dieses Unternehmen (in der Folge: Generalimporteurin) war bis zum 28. 7. 1999 Generalimporteurin von Kraftfahrzeugen der Marken Fiat, Alpha Romeo und Lancia für Österreich. Die Beklagte betrieb als Gebietshändlerin in Völs einen KFZ-Handel mit Neuwagen und Ersatzteilen dieser Marken. Zum 29. 7. 1999 kündigte die Klägerin den zwischen den Streitteilen bestehenden Gebietshändlervertrag auf.

Der Gebietshändlervertrag bestand seit 1997. Danach vertrieb die Beklagte in dem ihr zugewiesenen Verkaufsgebiet Autos und Ersatzteile, die sie bei der Generalimporteurin erwarb. Bis zur Beendigung der Vertragsbeziehung erfolgten Lieferungen an die Beklagte, auf Grund deren seit Vertragsbeendigung eine (unstrittige) Forderung der Generalimporteurin in Höhe von 566.220,61 S (= 41.148,85 EUR) sA besteht. Gemäß Punkt 11.1. des Gebietshändlervertrags richten sich die Lieferungen der Klägerin an die Händler nach den jeweils gültigen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Generalimporteurin. Es sind dies Liefer- und Verkaufsbedingungen des Fachverbandes der Fahrzeugindustrie Österreichs, die dem Vertrag als Anlage ./8 beigeschlossen sind. Punkt III/8 dieser Liefer- und Verkaufsbedingungen enthält folgende Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots: "III Zahlungsbedingungen (...) 8. eine Aufrechnung behaupteter Gegenforderungen des Käufers gegen das Lieferwerk mit Kaufpreisraten oder ein Zurückbehaltungsrecht gegen das Lieferwerk findet nicht statt." In Punkt 15.2. des Gebietshändlervertrags ist festgehalten, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. Punkt 15.4a bestimmt, dass es nicht als Verzicht auf das Recht gesehen werden soll, wenn einer der Vertragspartner von einem ihm nach den Vertrag zustehenden Recht keinen Gebrauch macht. Während der Vertragsbeziehung wurden unstrittige Forderungen der Beklagten (etwa aus Verkaufsboni) gegen Forderungen der Gebietshändlerin aufgerechnet, wobei sich die Beklagte die entsprechenden Beträge einfach von der zu zahlenden Summe abgezogen und nur die verbleibende Differenz bezahlt hat. Die Gebietshändlerin hat diese Vorgangsweise - weil es sich bei den Abzügen um tatsächlich geschuldete Beträge gehandelt hat - hingenommen; sie hat jedoch nie strittige Forderungen widerspruchslos zur Gegenverrechnung anerkannt.

Die Klägerin begehrt den für Lieferungen aushaftenden Betrag von 41.148,85 EUR sA.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestreitet die geltend gemachte Klageforderung nicht, wendet aber ein, mit Schreiben vom 10. 3. 2000 mit einer Gegenforderung in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe dagegen aufgerechnet zu haben. Die Klägerin habe den Händlervertrag in vertragswidriger Weise nicht unter Einhaltung einer 24-monatigen, sondern lediglich einer 12-monatigen Kündigungsfrist gekündigt, woraus der Beklagten ein Schaden in Höhe von 747.816 S (= 54.345,91 EUR) entstanden sei. Darüber hinaus hafteten für von der Beklagte erbrachte Garantiearbeiten 570.069,01 S (= 41.428,53 EUR) aus. Das in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Generalimporteurin enthaltene Aufrechnungsverbot verstoße gegen § 35 KartG. Die Generalimporteurin sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Kfz-Gebietshändlervertrags als alleinige Generalimporteurin für Kfz und Ersatzteile der Marken Alpha Romeo auf dem österreichischen Markt für diese Marke keinem Wettbewerb ausgesetzt und damit gegenüber den Händlern und Werkstätten des Alpha Romeo-Vertriebssystems marktbeherrschend gewesen. Die Beklagte sei seit vielen Jahren als Vertragshändlerin für diese Marke tätig und daher im Jahr 1996 darauf angewiesen gewesen, die vertraglichen Beziehungen zur Generalimporteurin weiter fortzusetzen. Die Auferlegung des Aufrechnungsverbots sei allein durch den Mangel an Wettbewerb ermöglicht worden und für die von der Klägerin bezweckte Schaffung oder Aufrechterhaltung eines selektiven Kfz-Vertriebssystems nicht erforderlich gewesen. Indem die Generalimporteurin ihre marktbeherrschende Stellung dazu missbraucht habe, einen geschäftlichen Vorteil zu erzielen, der bei einem funktionsfähigen Wettbewerb nicht erreichbar gewesen wäre, verstoße sie auch gegen § 1 UWG. Das von der Generalimporteurin erzwungene Aufrechnungsverbot sei absolut branchenunüblich. Darüber hinaus sei jedenfalls zufolge einer während des Bestehens der Vertragsbeziehung geübten Praxis von einer einvernehmlichen Aufhebung des Aufrechnungsverbots auszugehen. In den letzten Vertragsjahren habe es die Generalimporteurin widerspruchslos zur Kenntnis genommen, dass die Beklagte von ihr beanspruchte und zunächst von der Generalimporteurin bestrittene Garantievergütungen, Boni, Rabatte, Werbe- und Investitionsunterstützungen bei den an die Generalimporteurin getätigten Überweisungen in Abzug gebracht habe.

Die Klägerin bestreitet die geltend gemachten Gegenforderungen. Das vereinbarte Aufrechnungsverbot stehe einer Aufrechnung entgegen. Weder das Aufrechnungsverbot als solches noch die Art, wie es zwischen den Streitteilen vereinbart worden sei, sei missbräuchlich oder durch einen Mangel an Wettbewerb ermöglicht worden, seien doch die gleichen Bedingungen auch mit Händlern vereinbart worden, die erstmals dem Vertriebsnetz beigetreten seien. Auch Generalimporteure anderer Marken, die von einer Marktbeherrschung weit entfernt seien, vereinbarten mit ihren Gebietshändlern Aufrechnungsverbote. Das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot sei auch weder ausdrücklich noch stillschweigend aufgegeben worden. Es habe lediglich eine laufende kontokorrentmäßige Verrechnung unstrittiger Verbindlichkeiten stattgefunden. Dagegen sei es nie vorgekommen, dass die Generalimporteurin den Abzug unberechtigter Gegenforderungen widerspruchslos zur Kenntnis genommen hätte. Darüber hinaus sei im Vertrag nicht nur ein Schriftformerfordernis vereinbart worden, sondern auch, dass die Nichtausübung eines vertraglichen Rechts (hier des Aufrechnungsverbots) nicht als Verzicht auf dieses Recht gedeutet werden dürfe.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 566.220,61 S (= 41.148,85 EUR) zu Recht bestehe und die Kompensation der Gegenforderung unzulässig sei, und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 566.220 S (= 41.148,85 EUR) sA. Ein Aufrechnungsverbot, dessen wesentlicher Gedanke darin bestehe, das Verfahren über die Hauptforderung beschleunigt und ohne Rücksicht auf eine allenfalls nur aufwendig feststellbare Gegenforderung durchführen zu können, könne gültig vereinbart werden und sei grundsätzlich nicht sittenwidrig, weil die Gegenforderung gesondert geltend gemacht werden könne. Der Umstand, dass gleichartige Regelungen in den Verträgen anderer Gebietshändler - wenn auch bloß in einer Minderzahl - vorkämen, verdeutliche, dass es sich nicht um eine völlig unübliche Regelung handle. Das Kompensationsverbot sei somit nicht nichtig. Ebensowenig könne von einem konkludenten Abgehen von der Regelung ausgegangen werden, weil sich die Streitteile auf eine zwingende Schriftform geeinigt hätten. Aus der bloßen kontokorrentmäßigen Verrechnung unstrittiger Forderungen durch die Beklagte könne keineswegs ein Wille der Gebietshändlerin zur Vertragsänderung abgeleitet werden, zumal keine strittige Forderung zur Aufrechnung herangezogen und von der Gebietshändlerin akzeptiert worden sei. Nach § 35 Abs 1 Z 1 KartG sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem behaupteten Missbrauch und den vereinbarten Bedingungen zu beachten. Ein Kompensationsverbot allein sei keine unangemessene Geschäftsbedingung. Eine solche läge nur bei einer Regelung vor, die bei wirksamem Wettbewerb nicht durchsetzbar gewesen wäre. Es liege somit keine sittenwidrige oder missbräuchliche Verhaltensweise vor. Wegen des gültigen Aufrechnungsverbots sei nicht auf die behaupteten Gegenforderungen einzugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Entscheidung in Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung stehe. Es komme nicht darauf an, ob es sich bei der Generalimporteurin um ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung gehandelt habe, weil jedenfalls kein Missbrauch gemäß § 35 KartG vorliege. Maßstäbe für die Feststellung eines Missbrauchs seien in erster Linie den Funktionsbedingungen und Verhaltensabläufen eines Systems unverfälschten Wettbewerbs zu entnehmen. Missbräuchlich seien sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung, welche die Struktur eines Marktes beeinflussen könnten, so insbesondere das Erzielen geschäftlicher Vorteile, die bei normalem oder hinreichend wirksamem Wettbewerb nicht erzielbar wären. Auf die Auferlegung eines Aufrechnungsverbots treffe diese Bedingung nicht zu. Vertragliche Kompensationsverbote seien Vereinbarungen im Rahmen der Privatautonomie, die im Allgemeinen nicht sittenwidrig seien. Es widerspreche keineswegs prozessökonomischen Grundsätzen, dass eine Aufrechnungseinrede wie im Fall eines bestehenden Aufrechnungsverbots zwar mittels Widerklage, nicht aber mittels prozessualer Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden könne. Der wesentliche Sinn eines vertraglichen Kompensationsausschlusses sei es, dass über die Hauptforderung unabhängig vom Bestand der Gegenforderung und dem Stand des Verfahrens über diese entschieden werde, wodurch das Verfahren über die Hauptforderung im Allgemeinen beschleunigt und ohne Rücksicht auf allenfalls nur in einem aufwendigen und langwierigen Verfahren festzustellende Gegenforderungen durchgeführt werden könne. Eine derartige Vereinbarung sei nicht grundsätzlich als wirtschaftlich unüblich anzusehen. Dies gelte auch für die Autobranche, kämen doch Aufrechnungsverbote - wenn auch in einer Minderzahl - so doch auch in den Verträgen anderer Gebietshändler vor. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass die Generalimporteurin das Aufrechnungsverbot nicht hätte durchsetzen können, wenn sie nicht den Markt beherrschte. Vielmehr handle es sich um eine im Rahmen der Privatautonomie zulässige, auch in anderen gleichartigen Verträgen vorkommende Klausel. Ein vertragliches Aufrechnungsverbot beschränke keineswegs die Handlungsfreiheit des Vertragspartners in unbilliger Weise. Vielmehr stehe es diesem frei, die Gegenforderung gesondert, etwa auch mit Widerklage, geltend zu machen. Ein derartiges Aufrechnungsverbot diene auch einem legitimen Ziel, nämlich der Erwirkung eines Titels über die Hauptforderung unabhängig vom Bestand der Gegenforderung und dem Stand des Verfahrens, in dem über diese entschieden wird. Von einer unverhältnismäßigen Verschlechterung der Position der Vertragshändler könne nicht gesprochen werden, weil nur die Kompensation, nicht aber die Geltendmachung der Gegenforderung generell ausgeschlossen werde. Es sei somit weder von der Anwendung unlauterer Mittel noch von einer unbilligen Beeinträchtigung der Vertragspartner auszugehen. Zu berücksichtigen sei letztlich auch, dass die Beklagte nicht nur Produkte einer Marke, sondern einer Mehrzahl von Marken vertrieben habe, folglich in ihrem Bestand nicht ausschließlich von der Vertragsbeziehung zur Generalimporteurin abhängig gewesen sei. Eine wirtschaftliche Ausbeutung oder Übervorteilung der Marktgegenseite oder eine unbillige Einschränkung der Freiheit des Vertragspartners sei nicht zu erkennen. Mangels Verstoßes gegen § 35 KartG oder 1 UWG sei das Aufrechnungsverbot gültig vereinbart worden. Auf die behaupteten Gegenforderungen sei daher nicht weiter einzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage, ob ein vertragliches Aufrechnungsverbot gegen § 35 KartG verstoßen kann, fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Nach Auffassung der Beklagten habe das Berufungsgericht zu Unrecht Feststellungen darüber, ob die Generalimporteurin eine marktbeherrschende Stellung besitze, für entbehrlich gehalten; diese Frage sei nämlich zu bejahen, was zur Folge habe, dass das vereinbarte Aufrechnungsverbot kartellrechtswidrig und damit unbeachtlich sei. Dazu ist zu erwägen:

Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung war nach dem Wortlaut des § 35 Abs 1 KartG idF vor der KartGNov 2002 BGBl I 2002/62 nicht schon kraft Gesetzes verboten, sondern es wurde dem Marktbeherrscher erst auf Antrag aufgetragen, den Missbrauch abzustellen (Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 98). In Teilen der Lehre wurde dennoch die Auffassung vertreten, gegen § 35 KartG aF verstoßendes Verhalten sei ipso jure verboten (Tahedl, Der Missbrauch marktbeherrschender Stellung im österreichischen Kartellrecht 150; aA Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Kartellrecht³ § 12 Rz 46; Gugerbauer, KartellG² § 35 Rz 1; Straberger, KartG, 76f; vgl auch ÖBl 1983, 76 - Belieferung zum Großhandelspreis). Auch in der jüngeren Rsp des OGH wurden die Missbrauchsvorschriften des KartG mitunter als gesetzliche Verbotsnormen behandelt (Nachweise bei Barfuß/Wollmann/Tahedl aaO; so auch SZ 70/173 = ÖBl 1998, 37 - Filmverleihgesellschaft; ÖBl-LS 00/54 - Pensionskassen-Konsortium).

§ 35 Abs 1 erster Satz KartG idF KartGNov 2002 BGBl I 2002/62 lautet nunmehr: "Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten; das Kartellgericht hat auf Antrag den beteiligten Unternehmern aufzutragen, den Missbrauch abzustellen." Die Materialien (1005 BlgNR 21. GP 26) erläutern dazu, dass mit der Neufassung "deutlicher als bisher" zum Ausdruck gebracht werden solle, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ein verbotenes Verhalten sei. Damit hat der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, seiner Auffassung nach die Rechtslage nicht abgeändert, sondern nur verdeutlicht zu haben. Somit ist nunmehr davon auszugehen, dass § 35 KartG schon stets zu jenen zahlreichen gesetzlichen Vorschriften zählte, die dem Schutz vor Benachteiligungen infolge Missbrauchs von Übermacht dienen und deren Übertretung die Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 879 Abs 1 ABGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot zur Folge hat (vgl dazu die Übersicht bei Krejci in Rummel, ABGB³ § 879 Rz 82 ff).

Ein Missbrauch kann gemäß § 35 Abs 1 Z 1 KartG insbesondere in der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen bestehen. Die Beklagte behauptet solches in Ansehung des vereinbarten Aufrechnungsverbotes in Punkt III/8 der Liefer- und Verkaufsbedingungen des Fachverbandes der Fahrzeugindustrie Österreichs, die Bestandteil des Gebietsvertrags zwischen den Streitteilen sind.

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass nach Lehre und Rechtsprechung der Ausschluss der Kompensation im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich gültig vereinbart werden kann (Rummel in Rummel, ABGB² § 1440 Rz 29; Honsell/Heidegger in Schwimann, ABGB² § 1440 Rz 22 je mwN). Eine solche Vereinbarung ist in der Regel auch kein Verstoß gegen die guten Sitten, weil im Streitfall dem Beklagten ja die abgesonderte Geltendmachung der Gegenansprüche im Klage- oder Widerklageweg offen bleibt (Krejci in Rummel, ABGB³ § 879 Rz 121 mwN; JBl 1978, 266; RdW 2002, 218; RIS-Justiz RS0018102). Einer jener Sachverhalte, der nach Teilen der Lehre ein vertragliches Aufrechnungsverbot ausnahmsweise sittenwidrig machen könnte (Beispiele bei Rummel aaO und Honsell/Heidegger aaO), liegt im Streitfall nicht vor. Dem Berufungsgericht ist aber darin zu widersprechen, dass die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots durch ein marktbeherrschendes Unternehmen unter keinen Umständen marktmissbräuchlich iSd § 35 KartG sein könne.

Grund für die Missbrauchsaufsicht ist der fehlende oder unzureichende Wettbewerb, der marktbeherrschende Unternehmer der Kontrolle durch die Konkurrenz entzieht, wodurch die Interessen anderer Marktteilnehmer benachteiligt werden. Durch die Missbrauchsaufsicht soll verhindert werden, dass auf Märkten, die von einem Monopolisten oder von Oligopolisten beherrscht werden, die Marktgegenseite wirtschaftlich ausgebeutet wird (KOG ÖBl 1993, 271 - FIAT-Vertriebsbindung mwN).

Der Missbrauchsbegriff des § 35 KartG, der anhand einer beispielhaften Aufzählung durch den Gesetzgeber verdeutlicht wird, erfasst Verhaltensweisen eines beherrschenden Unternehmens, welche die Strukturen des von ihm beherrschten und in seinem Wettbewerb beeinträchtigten Marktes dahin beeinflussen, dass der dennoch bestehende Wettbewerb oder dessen Entwicklung durch Verwendung von Mitteln, die von den Mitteln eines normalen Wettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen, beeinträchtigt wird (ÖBl 2001, 174 - Flughafenfunktaxizentrale mwN). Die Missbräuchlichkeit eines Marktverhaltens beruht vor allem auf Folgenerwägungen (Tahedl aaO 148). Anzulegen ist ein objektiver, am Kriterium der Unverfälschtheit und Wirksamkeit des Wettbewerbs orientierter Maßstab (Tahedl aaO 149).

Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (ÖBl 1999, 297 - One). Ein Missbrauch der Marktmacht ist etwa dann anzunehmen, wenn die vom marktbeherrschenden Unternehmer als Voraussetzung für den Vertragsabschluss genannten Bedingungen ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt sind, weil sie volkswirtschaftlich als Missbrauch der Stellung im Markt zu bloßem unternehmenseigenen Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmers zu qualifizieren sind (KOG ÖBl 1993, 271 - FIAT-Vertriebsbindung mwN) oder wenn der Marktbeherrscher dem Vertragspartner Verpflichtungen auferlegt, die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und die Freiheit des Vertragspartners unbillig beschränkt (KOG ÖBl 2001, 131 - Wiener Zeitung mwN). Geschäftsbedingungen werden regelmäßig dann missbilligt, wenn sie die Vorteile und Risiken eines Rechtsgeschäfts einseitig zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmers verteilen und so entweder mit wettbewerblichen Schutzzwecken oder mit der Sicherung individueller Belange vor Ausbeutung in Konflikt geraten (Tahedl aaO 147 mwN).

Auch im Bereich des (mit § 35 KartG nahezu inhaltsgleichen) Art 82 EG (früher Art 86) gelten ähnliche Maßstäbe: Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn die erzwungenen Konditionen offensichtlich unbillig sind. Regelmäßig wird die Angemessenheit von Geschäftsbedingungen unter Abwägung der Interessen der Beteiligten beurteilt. Orientierung gibt dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er verbietet einem Marktbeherrscher nicht nur die Verfolgung eines grundsätzlich legitimen unternehmerischen Zwecks mit unlauteren Mitteln, sondern darüber hinaus auch alles, was den Vertragspartner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit mehr als erforderlich einschränkt (Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht Art 86 Rz 148; Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht9 Art 82 Rz 105, Schröter in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art 86 Rz 155 und 158 je mit Nachweisen zur Rsp des EuGH).

Abzuwägen sind bei der Beurteilung die berechtigten Interessen des durch das Aufrechnungsverbot Begünstigten, sein eigenes Recht rasch und ohne Verzögerung infolge Geltendmachung der Gegenforderung durchzusetzen, mit den Nachteilen, die eine solche Klausel für den Belasteten mit sich bringen. Solche Nachteile liegen darin, dass der Belastete für seine eigenen Forderungen, die ihm gegenüber dem Begünstigten zustehen, nicht schon mit Abgabe der Aufrechnungserklärung, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage, Befriedigung erlangen kann (Rummel in Rummel, ABGB² § 1438 Rz 13 f), sondern eine Verzögerung durch die selbständige Verfolgung seiner Ansprüche bis zu deren Hereinbringung in Kauf zu nehmen hat. Zwar muss der Belastete nicht das Illiquiditätsrisiko betreffend seinen Gläubiger tragen, solange nur seine Forderungen insgesamt nicht höher sind als seine Verbindlichkeiten diesem gegenüber, weil sich ein vereinbartes Kompensationsverbot nicht auf den Fall erstreckt, dass der Schuldner der Gegenforderung in Konkurs oder Ausgleich verfällt (RdW 1987, 328; JBl 1997, 323; ÖBA 1997, 548). Infolge eines Kompensationsverbots verliert der Belastete aber die mit der Aufrechnung verbundene Verrechnungsmöglichkeit, wodurch er einen Liquiditätsverlust bis zur Einbringlichmachung seiner eigenen Forderungen erleidet und - im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung - des prozessualen Verteidigungsmittels der Aufrechnungseinrede beraubt und in die Klägerrolle gedrängt wird. Seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird auf diese Weise gegenüber dem marktbeherrschenden Unternehmen unbillig eingeschränkt, wenn er nicht einmal konnexe Gegenforderungen ihm gegenüber aufrechnen kann. So führte es beispielsweise zu einer unangemessenen finanziellen Belastung eines Gebietshändlers, müsste er zwar seinen Kunden gegenüber für berechtigte Garantieansprüche sofort einstehen, könnte seine hiefür getätigten Auslagen aber nicht unmittelbar dem Generalimporteur als seinem eigenen (marktmächtigen) Vertragspartner weiterverrechnen, obwohl ihm dieser infolge Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware verantwortlich geworden ist. Eine vergleichbare Wertung liegt im Übrigen im Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern auch der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG zugrunde.

Berücksichtigt man diese Gesichtspunkte, ist ein vom Marktbeherrscher gegenüber seinen Vertragspartnern erzwungenes vertragliches Aufrechnungsverbot jedenfalls insoweit missbräuchlich iSd § 35 Abs 1 Z 1 KartG und daher nichtig (§ 879 Abs 1 ABGB), als damit Gegenforderungen ausgeschlossen werden, die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Marktbeherrschers stehen. Missbräuchlich ist es unter solchen Marktverhältnissen dann aber auch, wenn der Gebietshändler nicht mit eigenen Schadenersatzforderungen infolge einer Vertragsverletzung des Generalimporteurs gegen dessen Lieferforderungen aus dem verletzten Vertrag aufrechnen könnte.

Kein Tatbestandselement ist es dabei, dass der Marktbeherrscher, um sein Verhalten umzusetzen, auf andere Marktteilnehmer aktiv Druck ausübt. Es genügt, dass der Marktbeherrscher seinen aus der Abhängigkeit des Partners resultierenden Handlungsspielraum "wahrnimmt" (ÖBl 1999, 297 - One). Wenn ein Unternehmen wegen seiner Marktbeherrschung in der Lage ist, unangemessene Geschäftsbedingungen anzuwenden, erzwingt es sie eben auch iSd § 35 Abs 1 Z 1 KartG (Tahedl aaO 153 mwN; in diesem Sinne auch Immenga/Mestmäcker aaO Art 86 Rz 137).

Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die eine sichere Beurteilung zuließen, ob die Generalimporteurin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der Beklagten ein marktbeherrschendes Unternehmen iSd § 34 KartG war. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die Sachverhaltsgrundlage in diesem Punkt zu erweitern und sich bei Prüfung der Marktabgrenzung und Marktbeherrschung insbesondere damit auseinanderzusetzen haben, ob und in welchem Umfang die Beklagte Fahrzeuge anderer Hersteller vertrieben hat und ob sie - wie von ihr behauptet - zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zur Generalimporteurin angewiesen war.

Nach den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Marktabgrenzung ist der relevante Markt nach örtlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien zu bestimmen. Bei der sachlichen Abgrenzung ist auf Austauschbarkeitsrelationen aus der Sicht der Bedarfsträger abzustellen; es kommt also in erster Linie auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Güter oder Dienstleistungen aus der Sicht eines verständigen Abnehmers an. Zu einem Markt werden sämtliche Produkte oder Leistungen gerechnet, die aus der Sicht der Marktgegenseite wegen ihrer Eigenschaften zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs im selben Maß geeignet sind, während ihre Austauschbarkeit mit anderen Erzeugnissen oder Leistungen gering ist. Maßgebend ist dabei immer die Sicht der Marktgegenseite (ÖBl 1993, 124 - Werbung mit Preisherabsetzungen II mwN).

Gemäß § 34 Abs 2 KartG gilt auch ein solcher Unternehmer als marktbeherrschend, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern (oder Lieferanten) überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Schwerwiegende betriebswirtschaftliche Nachteile liegen nicht nur dann vor, wenn die Existenz des Unternehmers bedroht ist, sondern können auch schon dann gegeben sein, wenn es zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft kommt. Das kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Handelsunternehmer von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment (Markenartikel) abhängig ist. Hier kommt es also auf Ausweichmöglichkeiten, also darauf an, ob für die Abnehmer (oder Lieferanten) auf dem relevanten Markt alternative Bezugs-(oder Absatz-)möglichkeiten bestehen (ÖBl 1998, 36 - Filmverleihgesellschaft mwN).

Sollte die marktbeherrschende Position der Generalimporteurin danach zu bejahen sein, werden auch Feststellungen zu dem ebenfalls als Gegenforderung geltend gemachten Schadenersatzanspruch wegen Vertragsverletzung zu treffen sein.

Der aufgezeigte Feststellungsmangel führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen. Dem Erstgericht war eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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