European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00184.14H.1118.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Beklagte, die Container herstellt und vertreibt, hat von der Klägerin, einem Eisenbahnunternehmen, unverbaute Bahngrundflächen angemietet, um dort Güter umzuschlagen, die von der Klägerin zu‑ oder abgeführt werden. Die Bestandnehmerin hat sich gegenüber der Bestandgeberin im Bestandvertrag vom 19. 9. 1990 samt fünf Zusatzverträgen (der letzte vom 31. 1. 2007) zu einem Mindestwagenumsatz sowie zur Leistung eines bestimmten wertgesicherten Betrags pro fehlender Wagenladung bei Unterschreitung des Mindestumsatzes verpflichtet.
Die Klägerin begehrt das für die Unterschreitung des Mindestwagenumsatzes vereinbarte Entgelt für Zeiträume ab 2007. Strittig ist zwischen den Streitteilen unter anderem die Qualifikation der Verpflichtung zur Leistung eines Entgelts bei Unterschreitung; die Klägerin sieht diesen Betrag als Mietzinsbestandteil, nach Auffassung der Beklagten handelt es sich um eine ‑ dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende ‑ Vertragsstrafe.
Das Berufungsgericht hat die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache bestätigt. Zwar sei das richterliche Mäßigungsrecht nach § 1336 ABGB seit dem 1. 1. 2007 auch auf eine von einem Unternehmer nach dem UGB versprochene Vertragsstrafe anzuwenden. Die Übergangsbestimmungen sähen jedoch vor, dass diese Bestimmung nur auf nach dem 31. 12. 2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte anwendbar sei. Der Mietvertrag stamme aus dem Jahr 1990. Die letzte von fünf Zusatzvereinbarungen stamme aus dem Jänner 2007; damit sei jedoch kein gänzlich neuer Mietvertrag geschlossen worden, sondern der bestehende Bestandvertrag unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung sämtlicher Zusatzvereinbarungen aufrechterhalten worden. Anhaltspunkte für einen Novationswillen der Parteien fehlten, da diese ausdrücklich festgehalten hätten, dass die nicht geänderten Punkte des Bestandvertrags in der Fassung der 4. Zusatzvereinbarung vollinhaltlich aufrecht bleiben sollten. Eine richterliche Mäßigung nach § 1336 Abs 2 ABGB komme daher nicht in Betracht, weshalb die Frage auf sich beruhen könne, ob die vereinbarte Zahlung eines Ersatzbetrags für die Unterschreitung des Mindestwagenumsatzes als Vertragsstrafe zu qualifizieren sei. Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 3 ABGB liege nicht vor, da kein offensichtlich unbegründeter Vermögensvorteil der Klägerin ersichtlich sei. Eine mögliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen habe der Beklagten schon bei Vereinbarung des Mindestwagenumsatzes bewusst gewesen sein müssen und bewirke im Nachhinein keine Sittenwidrigkeit wegen geänderter Verhältnisse.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte zeigt in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.
§ 348 HGB sah vor, dass eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht aufgrund der Vorschriften des § 1336 Abs 2 ABGB herabgesetzt werden konnte. Im Vierten Buch des UGB fehlt eine inhaltsgleiche Bestimmung, weshalb nach geltendem Recht die Mäßigung einer Vertragsstrafe auch für Unternehmer zulässig ist. Nach § 907 Abs 18 UGB sind die Bestimmungen des Vierten Buchs des UGB (§§ 343‑450) auf nach dem 31. 12. 2006 abgeschlossene Verträge anwendbar.
Im Lichte dieser klaren Übergangsbestimmung ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Bestandvertrag unterliege insgesamt der vor 2007 geltenden Rechtslage, nicht zu beanstanden. Die von der Rechtsmittelwerberin ins Treffen geführte Rechtsprechung, dass bei Dauerrechtsverhältnissen im Falle einer Gesetzesänderung mangels abweichender Übergangsregelung der in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Gesetzes reichende Teil des Dauertatbestands nach dem neuen Gesetz zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0031419 [T24]), ist im Anlassfall deshalb nicht einschlägig, da hier eine ausdrückliche Übergangsregelung besteht, die auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellt. Dies entspricht dem Prinzip, dass Gesetze nicht zurückwirken. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Parteien im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage, aufgrund welcher sie ihr Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, geschützt werden sollen. Wesentlich ist dabei, dass das nach dem Abschlusszeitpunkt relevante Recht nicht nur für die Abschlusshandlungen bestimmend ist, sondern für die gesamte Abwicklung des Rechtsverhältnisses maßgebend bleibt (Schauer in Krejci, RK UGB § 907 Rz 1).
Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht ‑ wie hier ‑ bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (vgl RIS‑Justiz RS0042881 [T8]). Eine allfällige Über- oder Unterschreitung des Mindestumsatzes war für beide Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv nicht absehbar, sodass die Parteien jeweils das damit verbundene wirtschaftliche Risiko in Kauf genommen haben. Die Klausel betrifft im Übrigen nur einen Teil des der Bestandgeberin zustehenden Entgelts, weshalb es auch aus diesem Grund vertretbar ist, unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls einen unbegründeten Vermögensvorteil der Klägerin zu verneinen.
Soweit sich die Beklagte darauf stützt, sie hätte aufgrund der von den Parteien gelebten Übung, Verträge rückwirkend in Geltung zu setzen, darauf vertrauen dürfen, von der Klägerin einen Mietvertrag ohne Umsatzverpflichtung ab 1. 7. 2007 zu erhalten, entfernt sie sich von den Feststellungen und führt die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus (RIS‑Justiz RS0043312, RS0043603). Nach den Feststellungen lag nämlich der Grund dafür, dass die Zusatzvereinbarungen immer rückwirkend geschlossen wurden, darin, dass nach weitgehender Einigung noch teilweise nachverhandelt wurde, sodass die Vertragsurkunden erst mit spürbarer zeitlicher Verzögerung unterzeichnet werden konnten. Der Bestandzins und der Wagenumsatz wurden von der Klägerin im Detail mit den einzelnen Mietern individuell ausgehandelt, sodass die Festsetzung immer im Einvernehmen, und zwar vor allem auch abhängig von der wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit der Mieter, erfolgte. Dazu kommt, dass die Klägerin der Beklagten keine Zusage erteilte, mit Abschluss eines neuen Mietvertrags die Umsatzverpflichtung gemäß der fünften Zusatzvereinbarung rückwirkend zu beseitigen. Der Beklagten war auch bewusst, dass die Wagenlastschriften weiterliefen. Ein von der Klägerin verursachtes gerechtfertigtes Vertrauen der Beklagten, sie erhalte rückwirkend einen Mietvertrag ohne Umsatzverpflichtung, lässt sich aus diesem Sachverhalt nicht ableiten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)