Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung einstweilen selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger verband seine gegen die Beklagte gerichtete Unterhaltsklage mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwecks Erlangung einstweiligen Unterhalts.
Das Erstgericht forderte die Beklagte gemäß § 56 EO zur Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung des Antrags auf, widrigenfalls von der Richtigkeit der Angaben des Klägers ausgegangen werde. Die Zustellung erfolgte über ein Zustellersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr 1348/2000 (EuZVO) an das zuständige Gericht in Slowenien, das zunächst einen Empfang des Ersuchens bestätigte und schließlich mitteilte, dass die Beklagte die Annahme des Schriftstücks aufgrund der verwendeten Sprache verweigerte.
Das Erstgericht erließ daraufhin die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe trotz Aufforderung nach § 56 EO zum Antrag des Klägers nicht Stellung genommen.
Dennoch ließ das Erstgericht die Klage, die Aufforderung zur Äußerung sowie die einstweilige Verfügung in die slowenische Sprache übersetzen und erneut über ein Zustellersuchen gemäß EuZVO durch das zuständige Gericht in Slowenien zustellen, das erneut zunächst einen Empfang des Schriftstücks und schließlich die persönliche Zustellung nach den Vorschriften des Empfangsmitgliedstaats bestätigte.
Dem gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs der Beklagten gab das Rekursgericht nicht Folge. Den Revisionsrekurs der Beklagten wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 12. Mai 2009 zurück (4 Ob 49/09y).
Mit dem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung verband die Beklagte für den Fall, dass dem Rekurs nicht Folge gegeben werden sollte, einen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung und trat dem Antrag auf Erlassung derselben inhaltlich entgegen.
Das Erstgericht wies den Widerspruch zurück. Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung samt Aufforderung zur Stellungnahme gemäß § 56 EO sei wirksam zugestellt worden, weil die Beklagte über ausreichende Sprachkenntnisse verfüge und die Annahme daher zu Unrecht verweigert hätte. Ein Widerspruch sei nur möglich, wenn die Beklagte vor Bewilligung der einstweiligen Verfügung nicht einvernommen worden sei, wobei nur maßgebend sei, dass das Gericht ihr die Möglichkeit hiezu eingeräumt, nicht aber, ob sie sich auch tatsächlich geäußert habe.
Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung des Widerspruchs und sprach (nach Berichtigung) aus, dass der Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Annahmeverweigerung im Fall der Zustellung nach der EuZVO zulässig sei. Nach dem Regelungsgedanken der EuZVO (Vereinfachung und Vereinheitlichung der Zustellvorgänge) und aufgrund des Umstands, dass das Gericht des Empfangsstaats in der Regel kaum in der Lage sein wird zu beurteilen, ob der Empfänger die Sprache des ersuchenden Staats verstehe, sei ausschließlich das Gericht des Übermittlungsstaats im Rahmen einer Tatsachenermittlung für die Erhebung der Sprachkenntnisse des die Annahme verweigernden Empfängers zuständig. Die vom Erstgericht neuerlich verfügte Zustellung unter Anschluss der betreffenden Aktenstücke in slowenischer Übersetzung ändere nichts daran, dass die unberechtigte Annahmeverweigerung der Beklagten anlässlich der ersten Zustellung des Sicherungsantrags samt Aufforderung zur Äußerung hiezu eine wirksame Zustellung bewirkt habe. Die Rechtsfolgen einer einmal vorgenommenen wirksamen Zustellung könnten auch durch eine nochmalige Zustellung - aus welchen Erwägungen sie auch immer erfolgt sein möge - nicht abgewendet werden oder neuerlich eintreten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Aufhebung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Art 8 der die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im internationalen Rechtsverkehr innerhalb der Gemeinschaft regelnden Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZVO) sieht - in der hier infolge Zustellung vor dem 13. November 2008 noch anzuwendenden ursprünglichen Fassung - vor, dass der Empfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats (einer der Amtssprachen des Orts, an dem die Zustellung erfolgen soll) oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats abgefasst ist, die der Empfänger versteht (Art 8 Abs 1). Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Abs 1 verweigert, setzt sie die Übermittlungsstelle unverzüglich davon in Kenntnis und sendet den Antrag sowie die Schriftstücke, um deren Übersetzung ersucht wird, zurück. Eine weitergehende Tätigkeit der Behörden des Empfangsstaats sieht die EuZVO nicht vor, insbesondere bleibt ungeregelt, von welcher Behörde die im Ausgangsverfahren möglicherweise strittige Frage zu klären ist, ob die Annahmeverweigerung zu Recht erfolgte (und damit die Zustellung scheitern ließ) oder zu Unrecht, was die Wirksamkeit der Zustellung zur Folge hat.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Rekursgerichts an, wonach ausschließlich das Gericht, das im Übermittlungsstaat das Verfahren führt, im Zuge dessen die Auslandszustellung angeordnet wurde, für die Klärung der strittigen Tatfrage zuständig ist, ob der Empfänger die Sprache des ihm zugestellten Schriftstücks, dessen Annahme er verweigerte, versteht. Dem Standpunkt der Beklagten, dass zur Klärung dieser Frage ausschließlich das Gericht des Empfangsstaats zuständig wäre, kann nicht gefolgt werden.
Burgstaller (in Internationales Zivilverfahrensrecht Art 8 EuZVO Rz 2) verweist auf die Erläuterungen zum Richtlinienvorschlag der Kommission (KOM [1999] 99/0102 CNS 19), wonach im Falle von Streitigkeiten darüber, ob der Empfänger des Schriftstücks die verwendete Sprache versteht, eine Entscheidung gemäß den anwendbaren Bestimmungen zu treffen ist, beispielsweise indem dem Gericht, das mit dem Verfahren befasst ist, in dessen Rahmen das Schriftstück übermittelt wurde, die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung vorgelegt wird. Die zuständige Stelle des Empfangsmitgliedstaats führe weder eine Sprachprüfung durch, noch entscheide sie über die Berechtigung der Verweigerung. Diesen Standpunkt vertrat schon Meyer (in IPRax 1997, 401 [403]) zum europäischen Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen (EZÜ).
Der Europäische Gerichtshof, der sich in der Rs C-14/07 Weiss/IHK Berlin mit der Auslegung des Art 8 Abs 1 EuZVO befasste, verwies darauf, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ausreicht, es dem Beklagten zu ermöglichen, seine Rechte geltend zu machen, oder ob es dem Absender obliegt, dem Fehlen einer Übersetzung einer unerlässlichen Anlage abzuhelfen. Ohne dies ausdrücklich zum Thema seiner Erörterungen zu machen, geht der EuGH offensichtlich davon aus, dass das das Verfahren im Übermittlungsstaat führende Gericht zu beurteilen hat, ob ein Recht zur Annahmeverweigerung mangels ausreichender Sprachkenntnisse bestand oder nicht. Er hielt darüber hinaus fest, dass es im Interesse der praktischen Wirksamkeit von Art 8 Abs 1 lit b EuZVO Sache des zuständigen Gerichts ist, zu prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind.
Zutreffend verweist schon das Rekursgericht darauf, dass auch praktische Gesichtspunkte für die Beurteilung der Sprachkenntnisse durch das Gericht des Übermittlungsstaats sprechen, in dessen Amtssprache die zuzustellenden Schriftstücke verfasst sind und die Kenntnis dieser Sprache zu beurteilen ist. Dem entspricht auch, dass die zu verwendenden Formblätter keine Rubrik vorsehen, in der die Empfangsstelle eine Erklärung darüber abzugeben hätte, ob die Verweigerung zu Recht erfolgte oder nicht, sondern nur die Tatsache der Annahmeverweigerung aufgrund der verwendeten Sprache mitgeteilt wird.
Zusammenfassend gilt daher: Die Beurteilung der Sprachkenntnisse des Zustellempfängers und damit die Entscheidung darüber, ob der Zustellempfänger mangels ausreichender Sprachkenntnisse die Annahme von in der Sprache des Übersendungsstaats verfassten Schriftstücken gemäß Art 8 EuZVO verweigern durfte, obliegt dem Prozessgericht.
Die von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung der Wirkungen einer im Ausland vorgenommenen Zustellung (3 Ob 316/97k und 4 Ob 276/01v) beziehen sich auf den Zeitraum vor Geltung der EuZVO, die europäisches Einheitsrecht geschaffen hat.
Dass die Beklagte über ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache verfügt, um den ihr verfahrenseinleitend zugestellten Sicherungsantrag samt Äußerungsauftrag zu verstehen, bestreitet sie in dritter Instanz nicht.
Der Hinweis auf die in weiterer Folge durchgeführte nochmalige Zustellung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke samt Übersetzung in die slowenische Sprache ändert an der Wirksamkeit der ersten Zustellung nichts. Dies sprach der Oberste Gerichtshof in einem die selben Parteien betreffenden Exekutionsverfahren (für eine andere Zustellung durch Aushändigung bei Gericht in Österreich aus [3 Ob 91/09t]). Dafür, dass dies im Falle unberechtigter Annahmeverweigerung bei der Zustellung in Slowenien anders sein sollte, ist kein Grund ersichtlich.
Einer Vorlage der hier zu beurteilenden Fragen an den EuGH bedurfte es im Hinblick auf die klare Rechtslage und die bereits bestehende Rechtsprechung nicht (RIS-Justiz RS0082949).
Dem insgesamt unberechtigten Rechtsmittel musste ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 ZPO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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