OGH 4Ob176/85

OGH4Ob176/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Martin Meches und Hermann Peter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate NÖBAUER, Angestellte, Krems a.d.Donau, Dr.Gschmeidlerstraße 10, vertreten durch Dr.Ferdinand Weber, Rechtsanwalt in Krems a.d.Donau, wider die beklagte Partei Fa.Richard S*** & Co Gesellschaft mbH in Wien 20., Nordwestbahnstaße 8-10, vertreten durch Dr.Peter ZEITLER, Referent der Handelskammer Niederßsterreich, dieser vertreten durch Dr.Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. S 27.904,12 sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 27.Juni 1985, GZ.1 Cg 1/85-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Krems a.d.Donau vom 12.Oktober 1984, GZ. Cr 26/83- 29, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtßffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des unbekämpften Teiles insgesamt zu lauten hat:

äDie beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin S 27.904,12 samt 4 % Zinsen seit 21.4.1983 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin S 1.446,12 sA zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin an Verfahrenskosten erster Instanz S 5.530,32 (davon S 552,15 USt und S 530,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.ä Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 15.291,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 1.291,-- USt. und S 1.090,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom 2.5.1975 bis 27.7.1982 als Filialleiterin und seit 1978 zusätzlich als Filialinspektorin angestellt. Sie bezog auf Grund der Gehaltsvereinbarung vom 1.2.1980 zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von S 14.025,-- und ein monatliches überstundenpauschale von S 4.462,50, zahlbar 14 x jährlich, dem eine Leistung von 35 überstunden monatlich zugrundegelegt wurde.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung folgender, nicht durch dieses Pauschale gedeckter überstunden:

1.) Für die Zeit vom 1.1.bis 31.12.1981

a) für 192,45 überstunden mit 50 % Zuschlag S 21.916,20

b) 4,5 überstunden mit 100 %-igem Zuschlag S 683,28

2.) Für die Zeit vom 1.1.bis 27.7.1982

56 überstunden mit 50 %-igem Zuschlag S 6.751,08

zusammen S 29.350,56

(infolge eines Rechenfehlers bei der Einschränkung mit S

29.350,24

beziffert).

Die Klägerin brachte vor, sie habe die Firmenleitung nach Abschluß der Vereinbarung vom 1.2.1980 auf ihre überbelastung hingewiesen und eine Aufstellung über ihre tatsächlichen, weit über das überstundenpauschale hinausgehenden überstunden vorgelegt, die jedoch von der beklagten Partei nicht akzeptiert worden sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Klägerin über das vereinbarte Pauschale hinaus keine überstunden geleistet habe. Darüber hinausgehende überstunden hätte die Klägerin zudem nur nach ausdrücklicher Genehmigung der beklagten Partei leisten dürfen. Ein solches Ansuchen habe die Klägerin nie gestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht beweisen kßnnen, daß die beklagte Partei die Leistung der über das Pauschale hinausgehenden überstunden der Klägerin genehmigt habe oder diese überstunden notwendig gewesen seien.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und sprach ihr S 22.599,48 brutto sA zu, während das Mehrbegehren von S 6.750,76 brutto sA abgewiesen blieb.

Die zweite Instanz traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Vorgesetzte der Klägerin, Josef E***, erhielt von der Firmenleitung wßchentlich Anweisungen, welche Filialen von den Filialinspektoren zu besuchen seien und welche Tätigkeiten die Filialinspektoren dort durchzuführen hätten. Josef E*** verteilte diese Aufgaben auf die Klägerin, einen weiteren Filialinspektor und sich selbst. Er erteilte der Klägerin einmal wßchentlich Weisungen, welche Arbeiten sie durchzuführen und welche Filialen sie zu besuchen habe. Die Klägerin besuchte fallweise auch ohne Anweisung in ihren Zuständigkeitsbereich fallende Filialen, die auf dem Weg zu einer weisungsgemäß zu besuchenden Filiale lagen. Die Klägerin hatte Filialen in Niederßsterreich, in Kärnten und in der Steiermark zu betreuen und wurde vereinzelt auch in anderen Bundesländern eingesetzt. Am Montag früh fuhr die Klägerin zur Warenbestellung für ihre Kremser Filiale nach Wien und blieb nach ihrer Rückkehr am Nachmittag in der Filiale in Krems. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag übte sie ihre Inspektionstätigkeit aus. Am Freitag und Samstag-Vormittags arbeitete sie wieder in der Kremser Filiale.

Am 1.2.1980 unterfertigte die Klägerin die bereits eingangs erwähnte Gehaltsvereinbarung, die folgenden Vermerk enthält:

äWir ersuchen Sie die im Gesetz vorgesehene Regelung zu beachten und mßchten Sie ersuchen die überstundenpauschale zeitmäßig nicht zu überschreiten. überschreitungen werden von der Firmenleitung nur dann anerkannt, wenn diese vorher angeordnet werden.ä

Der Klägerin war bei Abschluß dieser Vereinbarung klar, daß sie mit dem Pauschale nicht auskommen werde. Der beklagten Partei wurde dies spätestens nach einem Monat bei einem Gespräch der Klägerin mit dem für die Verwaltung und Personalangelegenheiten zuständigen Prokuristen Ernst S*** bekannt. Die Klägerin legte Ernst S*** eine überstundenliste vor und sagte, daß sie mit den pauschalierten 35 überstunden auch nicht annähernd auskomme. Ernst S*** nahm diese Liste nicht an, verwies die Klägerin auf die Vereinbarung vom 1.2.1980, und forderte die Vorlage von überstundenlisten, die nicht mehr als die pauschalierten 35 monatlichen überstunden enthielten. Die Klägerin kam diesem Verlangen nach, führte jedoch private Aufzeichnungen, in die sie täglich die tatsächliche Dauer ihrer Arbeitszeit eintrug. Die beklagte Partei führte keide Aufzeichnungen über die von der Klägerin geleisteten überstunden.

Die Klägerin erklärte zu Josef E*** wiederholt, daß sie wesentlich mehr überstund n leisten müsse, als im Pauschale enthalten seien, und wies ihm dies an Hand ihrer Terminbücher nach. Josef E*** vertrßstete die Klägerin und verständigte die später ausgeschiedene Gesellschafterin der beklagten Partei, Frau HERZ, und den Prokuristen Siegfried A*** (oder Ernst S***) von der Arbeitsüberlastung der Klägerin. Die Klägerin beklagte sich auch beim geschäftsführenden Gesellschafter der beklagten Partei B*** über ihre überlastung und legte ihm Fotokopien ihres Terminkalenders vor und ersuchte um Entbindung von ihrer Inspektionstätigkeit. Die Klägerin leistete 1981 insgesamt 711 und 1982 289 überstunden. Diese überstunden waren zur Erfüllung der der Klägerin aufgetragenen Aufgaben schon wegen der zu bewältigenden großen räumlichen Entfernungen erforderlich. Das Entgelt pro überstunde betrug 1981 S 113,88 für überstunden mit 50 %-igem Zuschlag und 151,84 für überstunden mit 100 %-igem Zuschlag und im Jahre 1982 S 120,55 (je brutto).

Die beklagte Partei bezahlte der Klägerin im Jahre 1981 außer dem überstundenpauschale weitere 20 überstunden für vier Einkaufssamstage vor Weihnachten, an denen die Filiale den ganzen Tag geßffnet war.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Dienstnehmer auch Anspruch auf Bezahlung schlüssig angeordneter überstunden habe. Dies sei der Fall, wenn der Dienstgeber Arbeitsleistungen verlange, die in der normalen Arbeitszeit bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht erledigt werden kßnnten. Eine Anzeige von überstunden durch den Dienstnehmer sei dann nicht erforderlich, wenn dem Dienstgeber bewußt sei, daß Arbeiten in einem Ausmaß zu verrichten seien, die überstunden notwendigerweise zur Folge hätten. Es genüge, wenn der Dienstgeber bei vernünftiger Einschätzung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die Notwendigkeit der Leistung von überstunden erkennen kßnne und die erbrachten überstunden entgegennehme. Auch die Vereinbarung eines überstundenpauschales stehe dem Anspruch auf Bezahlung von Mehrleistungen nicht entgegen, wenn das Pauschale den unabdingbaren Anspruch auf Vergütung der Mehrleistungen nicht annähernd decke.

Die von der Klägerin geleisteten überstunden seien auf Grund der aufgetragenen Arbeiten erforderlich gewesen. Die beklagte Partei habe davon Kenntnis gehabt und sich den Vorteil aus diesen Arbeitsleistungen zugewendet. Für das Jahr 1981 habe das Ausmaß der von der Klägerin geleisteten überstunden das Pauschale weit überschritten. Die Klägerin müsse sich allerdings von den insgesamt geforderten überstunden auch das 13. und 14.überstundenpauschale (somit insgesamt rund 41 Stunden pro Monat) abziehen lassen. Für das Jahr 1981 gebühre ihr daher eine Vergütung für 197 überstunden. Für das Jahr 1982 ergebe sich bei dieser Berechnung, daß die Klägerin von den insgesamt geleisteten 289 überstunden 287 bezahlt erhalten habe, sodaß eine ins Gewicht fallende überschreitung des Pauschales nicht vorliege.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt, wohl aber die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin, mit der sie die Entscheidung der zweiten Instanz im Teilumfang einer Abweisung von S 5.304,64 sA bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision der beklagten Partei:

Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO), doch sei darauf verwiesen, daß die Revisionswerberin mit der Bestreitung der Notwendigkeit der von der Klägerin über das Pauschale hinaus geleisteten überstunden unzulässigerweise die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht bekämpft, das schon wegen der von der Klägerin auf ihre Dienstreisen zurückzulegenden großen Entfernungen zu dem tatsächlichen Schluß gelangte, daß die von ihr erbrachten überstunden zur ordentlichen Erfüllung der ihr aufgetragenen Aufgaben notwendig waren (siehe die Ausführungen der zweiten Instanz AS 158).

Soweit die beklagte Partei mit der Mängel- und Aktenwidrigkeitsrüge

dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung

zuzuordnende vermeintliche Feststellungsmängel geltend macht, ist

ihr folgendes zu erwidern:

Ein Anspruch auf überstundenbezahlung ist nicht nur dann gegeben,

wenn überstunden ausdrücklich oder schlüssig angeordnet wurden,

sondern auch, wenn der Dienstgeber Arbeitsleistungen entgegennahm, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten (SZ 56/27 mwN). Während sich die Klägerin darauf stützte, sie habe die beklagte Partei nach Abschluß der Gehaltsvereinbarung vom 1.2.1980 wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß sie wegen ihrer Reisetätigkeit als Filialinspektorin mit dem bewilligten überstundenpauschale bei weitem nicht auskomme, behauptete die beklagte Partei lediglich, die Klägerin habe nicht mehr als 35 überstunden monatlich erbracht, jedenfalls aber die nach dem Vertrag vom 1.2.1980 erforderliche ausdrückliche Bewilligung zur Leistung weiterer überstunden nicht beantragt und nicht erhalten. Zur Frage, ob die Klägerin bei einer besseren Einteilung der Arbeit in der Lage gewesen wäre, ihre Arbeit als Filialleiterin und Filialinspektorin innerhalb der normalen Arbeitszeit und der bewilligten überstunden durchzuführen, erstattete die beklagte Partei kein Vorbringen. Aus der Feststellung des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe fallweise auch ohne besondere Anweisung Filialen besucht, die auf dem Weg zu einer weisungsgemäß zu besuchenden Filiale lagen, ergibt sich eine ins Gewicht fallende unrichtige Einteilung der Arbeit der Klägerin nicht. Die Ausführungen in der Rechtsrüge der beklagten Partei, die Klägerin habe diese Filialen ohne dringenden Grund besucht, sind durch die Feststellungen der zweiten Instanz nicht gedeckt. Die beklagte Partei behauptete auch nicht, daß die Klägerin während ihrer Inspektionstätigkeit ßfter als notwendig an ihren Wohnort zurückgefahren sei, so daß das Berufungsgericht keinen Anlaß hatte, dazu Feststellungen zu treffen.

Richtig ist wohl, daß keine ausdrückliche Anordnung weiterer (das Pauschale übersteigender) überstunden durch die beklagte Partei erfolgte, doch übersieht sie, daß der Anspruch auf überstundenbezahlung - wie ausgeführt - auch dann besteht, wenn der Dienstgeber Arbeitsleistungen entgegennimmt, die auch bei richtiger Einteilung der normalen oder hiefür vorgesehenen Arbeitszeit erledigt werden kßnnen. Die beklagte Partei nahm die über das überstundenpauschale hinausgehenden Arbeitsleistungen der Klägerin entgegen, obwohl sie wiederholt darauf hingewiesen wurde, daß die Klägerin mit dem vereinbarten Pauschale nicht auskommen kßnne. Die überschreitung der zulässigen Hßchstgrenze der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz wirkt sich auf den Anspruch des Dienstnehmers auf überstundenvergütung nicht aus. Die überstundenvergütung gebührt vielmehr dem Arbeitnehmer auch für eine die zulässigen Hßchstgrenzen der Arbeitszeit überschreitende und deshalb verbotene Arbeitsleistung (Cerny, Arbeitszeitrecht 94 f). Verbotszweck der zulässige Hßchstgrenze festsetzenden Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes ist es, den Arbeitnehmer vor einer übermäßigen Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft zu schützen (Cerny aaO 91), nicht aber, seine Lohnansprüche aus bereits erbrachten überstunden zu beschränken. Vom Verlangen einer nichtigen Leistung kann daher keine Rede sein.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Die Revision der Klägerin ist schon deshalb berechtigt, weil außer Streit steht, daß die Parteien mit 1.2.1980 ein Überstundenpauschale vereinbarten, dem 35 überstunden monatlich zugrundegelegt wurden. Dies geht - in übereinstimmung mit dieser Außerstreitstellung - auch aus der (noch vom Erstgericht, nicht aber vom Berufungsgericht ausdrücklich festgestellten) Wendung im Schreiben der beklagten Partei vom 1.2.1980 hervor, daß das auch beim 13. und 14.Monatsgehalt verrechnete Überstundenpauschale als Basis bei eventuellen Urlaubsabgeltungen dient. Der Frage, welche Ansprüche mit dem 13. und 14.überstundenpauschale im einzelnen abgegolten werden sollten, braucht aber nicht nachgegangen zu werden, weil unbestritten ist, daß die Parteien von einer Pauschalabgeltung von 35 und nicht 41 Überstunden monatlich ausgingen. Die Klägerin hat daher noch Anspruch auf Bezahlung weiterer 44 Überstunden für das Jahr 1982.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 43 Abs 1 und 2 und § 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte